DFB: Lobeshymnen für Jonas Hofmann sind ein Alarmsignal

Von Justin Kraft
Jonas Hofmann erzielte zuletzt zwei Tore in den vergangenen drei Nations-League-Spielen.
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Beim DFB steht Jonas Hofmann aktuell wegen starker Leistungen im Fokus. Das Lob ist berechtigt, weil der Gladbacher für Deutschland eine Bereicherung ist. Gleichzeitig ist es für Hansi Flick ein Alarmsignal, dass der 29-Jährige sein bester Offensivmann ist.

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Jonas Hofmann ist aktuell ein personifiziertes Beispiel für den Status quo der deutschen Nationalmannschaft. Der Gladbacher steht verdientermaßen im öffentlichen Fokus. In der deutschen Offensive ist der flexibel einsetzbare Angreifer einer der wenigen Antreiber, denen regelmäßig Gutes gelingt.

Hofmann, der 2020 mit 28 Jahren zu seinem Länderspieldebüt kam und seitdem erst 13-mal für den DFB auflief, ist fast schon zum Hoffnungsträger gereift. Gleichzeitig ist es für die DFB-Auswahl aber kein gutes Zeichen, dass nicht andere Spieler im Mittelpunkt stehen.

Sinnbildlich für dieses paradoxe Problem ist die 72. Minute gegen Ungarn. Der 29-Jährige hatte, nachdem er zuvor bereits das 1:1 erzielte, die große Chance, die Remis-Serie der Deutschen zu beenden. Gemeinsam mit Timo Werner lief er auf das Tor von Peter Gulacsi zu. Alle ungarischen Defensivspieler schienen geschlagen zu sein.

Zunächst brauchte Hofmann einen Tick zu lange, weshalb er sich den Ball mit dem vorletzten Kontakt schlecht zurechtlegte. Es folgte ein lascher Querpass auf Werner, der von Willi Orban geklärt wurde. Chance vertan. Es blieb beim enttäuschenden 1:1. Und trotzdem ist Hofmann aktuell der große Hoffnungsträger beim DFB.

Hansi Flick ist mit Hofmann flexibler

In dieser kurzen Szene steckt so viel, das den Gladbacher auszeichnet, aber auch einiges, was ihm zu einem echten Top-Spieler fehlt. Der Tiefenlauf hinter die ungarische Kette war typisch für ihn. Der Rechtsfuß hat ein beeindruckendes Gespür für die richtigen Räume. Immer wieder sucht er auch als Außenspieler die inneren Schnittstellen der gegnerischen Vierer- oder Fünferkette, um durchzustarten.

Für Bundestrainer Hansi Flick ist das sehr wichtig. Kai Havertz, Thomas Müller, Leroy Sane und Serge Gnabry sind Spielertypen, die sich zwischen den Linien anbieten. Timo Werner sucht eher mal die Tiefe, ist damit aber recht allein. Hofmanns Läufe sind deshalb eine gute Ergänzung für ein ansonsten zu stumpfes Offensivspiel. Stumpf deshalb, weil es Deutschland schwerfällt, tiefstehende und kompakte Verteidigungsketten zu knacken.

Bis zum Strafraum sieht das Ballbesitzspiel der Mannschaft oft gefällig aus. Ohne Angebote in den wirklich gefährlichen Zonen gibt es aber keine Durchbrüche. Sowohl gegen England als auch gegen Ungarn kam das deutsche Team nicht auf mehr als zehn Abschlüsse. Hofmann ist noch einer der gefährlicheren Spieler. Er ist für Gegenspieler nicht nur wegen seines Tempos schwer zu greifen, sondern weil er meist sehr kluge Läufe macht. In der besagten 72. Minute startete er im richtigen Augenblick, verzögerte dann nochmal kurz und stand so knapp nicht im Abseits.

Sinnbildlich ist aber auch, dass es dem Nationalspieler nicht gelang, das 2:1 zu erzielen oder vorzubereiten. "Ein Sorry von mir an die Mannschaft wegen meiner Chance, die ich auf dem Fuß hatte. Das ist bitter, weil das das Siegtor gewesen wäre", gab der Gladbacher anschließend selbstkritisch zu: "Ich war überrascht, dass der Torwart so lange im Tor stehen bleibt. Aber ich muss ihn einfach reinschieben." Oder eben früher auf Werner querlegen.

DFB zu verspielt? Hofmann schafft Abhilfe

Wenn Hofmann zu viel Zeit hat, über seine Entscheidungen nachzudenken, kommt er an seine Grenzen. Grenzen, die sich auch im technischen Bereich bemerkbar machen. Im Vergleich zu Havertz, Sane und Co. fällt er in Sachen Ballbehandlung klar ab. Der Offensivspieler ist ein recht simpler Spielertyp, der seine Stärken im schnörkellosen und direkten Spiel hat. Kann er schnell handeln, macht er intuitiv viel richtig.

In einer Nationalelf, die bisweilen etwas "zu verspielt" ist, wie Oliver Bierhoff zuletzt auf einer Pressekonferenz bemerkte, muss seine simple Art und Weise kein Nachteil sein. Im Gegenteil: Hofmann kann eine Konstante auf nahezu jedem Niveau sein. Es gibt kein Weltklasseteam, das aus elf potenziellen Ballon-d'Or-Kandidaten oder Superstars besteht. Selbst bei den Galaktischen gab es in den 2000er Jahren einige unbesungene oder selten besungene Helden wie Claude Makelele, Santiago Solari oder Michel Salgado.

Dass selbst die Bayern 2021 an einer Verpflichtung von Hofmann interessiert waren, kommt kaum überraschend. Der Außenbahnspieler arbeitet viel für seine Mitspieler und stellt sich dabei immer in den Dienst des Teams. Der Bild sagte der ehemalige Dortmunder damals, dass es "ein paar Gespräche" mit den Münchnern gegeben habe. Zu einem Wechsel kam es dennoch nicht.

Hofmann ist jemand, der seine Mitspieler in Szene setzen und besser machen kann, auch wenn er selbst weit davon entfernt ist, zur Weltspitze zu gehören. Er gibt selten den Takt vor, kann jedoch ein Spiel lesen und deshalb auf hohem Niveau mitschwimmen. Was wie eine negative Wertung klingt, ist viel mehr die Beschreibung einer großen Qualität.

FC Bayern weiß es genau: Hofmann trifft auf jedem Niveau

Denn damit bringt er bereits etwas mit, was den talentierteren Mitspielern fehlt: Konstanz. Auf Hofmann ist meist Verlass. Er trifft selbst und bereitet auf nahezu jedem Niveau regelmäßig vor. Gegen den FC Bayern war er in 16 Einsätzen an neun Treffern direkt beteiligt. In einer schwachen Gladbach-Saison gelangen ihm zuletzt 17 Torbeteiligungen in 24 Startelfeinsätzen.

Zugleich ist er gegen den Ball sehr aktiv. Kein Gladbacher hat die Gegenspieler in der abgelaufenen Bundesliga-Saison häufiger unter Druck gesetzt als Hofmann (20,9-mal pro 90 Minuten). Deshalb wird er hin und wieder als Rechtsverteidiger mit vielen offensiven Freiheiten eingesetzt.

Das könnte auch seine zukünftige Rolle beim DFB sein. In Viererkettenformationen spielte er zuletzt immer mal wieder als Rechtsaußen, aber wenn Gnabry und Co. wieder in Form sind, rutscht Hofmann womöglich eine Position nach hinten. Die Experimente mit Benjamin Henrichs und Thilo Kehrer haben dort eher nicht funktioniert. Beide sind vor allem offensiv zu limitiert und defensiv nicht stabil genug.

Da Joshua Kimmich weiterhin im Zentrum gebraucht wird, ist Hofmann wohl die bestmögliche Option. Das konnte er mit seinen starken Leistungen zuletzt abermals unterstreichen. Der gebürtige Heidelberger ist derart anpassungsfähig, dass er mehrere Rollen auf hohem Niveau beherrscht. Er kann hinter- und überlaufen, er kann ins zentrale Mittelfeld oder in den Halbraum einrücken, er kann bis zur Grundlinie gehen oder mit dem Ball nach innen ziehen.

Jonas Hofmann ist beim DFB und auch in Gladbach Mr. Zuverlässig.
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Jonas Hofmann ist beim DFB und auch in Gladbach Mr. Zuverlässig.

Hansi Flick kann sich auf Jonas Hofmann verlassen

Am Wochenende tauchte er vereinzelt sogar im Zehnerraum auf, ohne dass aber das Gefühl entstanden wäre, er habe dort als Flügelverteidiger einer Dreier- beziehungsweise Fünferkette nichts verloren. Hofmann ist derzeit beeindruckend gut in Form und angesichts der nun steigenden Aufmerksamkeit könnte man den Eindruck gewinnen, dass das vollkommen überraschend ist.

Dem ist aber nicht so. Mit 29 Jahren mag er vor allem wegen seiner großen Erfahrung nochmal besser sein als vor einigen Jahren. Gerade wegen seiner konstant guten Leistungen war er bei fast all seinen Trainern aber schon immer sehr beliebt – und das in den unterschiedlichsten Rollen. Es ist Fluch und Segen zugleich, dass das oft nur dann auffällt, wenn es um ihn herum kriselt.

Hofmann braucht kein besonderes Umfeld, um seine Stärken einbringen zu können. Er performt auch dann, wenn seine Mitspieler nicht in Form sind. Fast die gesamte Gladbach-Saison dient als größtes Beweisstück dieser Argumentation.

Für Flick ist es also eher ein Alarmsignal, dass ausgerechnet Hofmann so sehr im Fokus steht. Auf der anderen Seite kann der Bundestrainer zunehmend besser einschätzen, auf wen Verlass ist oder nicht. Beim Gladbacher muss er sich da zumindest keine Sorgen machen.

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