DFB: Generalsekretär Friedrich Curtius bietet indirekt Abschied an

SID
Friedrich Curtius hat indirekt seinen Abschied angeboten.
© getty

Der Druck auf Fritz Keller wächst nach dem Beben von Potsdam. Doch der zum Rücktritt aufgeforderte DFB-Präsident schweigt weiter - Generalsekretär Friedrich Curtius geht dagegen in die Offensive.

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Der Chef schweigt, der Adjutant macht Druck: Während der bedenklich wankende Fritz Keller nach dem Beben von Potsdam ein fragwürdiges Spiel auf Zeit begonnen hat, ist sein Widersacher Friedrich Curtius nach vorne geprescht. Der DFB-Generalsekretär nutzte die Schockstarre des tief getroffenen Präsidenten, der sich selbst mit etwas Abstand zur Rücktrittsforderung der Landes- und Regionalverbände nicht rührte. Curtius brachte einen Umbruch beim DFB ohne ihn und seinen Boss ins Gespräch - und setzte Keller damit unter Zugzwang.

"Mit ihrer sehr klaren Haltung zur inakzeptablen Freisler-Äußerung von Fritz Keller und ihrer Aufforderung zum Rücktritt hat die Konferenz ein deutliches Signal gegeben, wie sie sich einen Neuanfang an der Spitze des DFB vorstellt", teilte Curtius, dem ebenfalls das Vertrauen entzogen worden war, am Montag mit. Keller dagegen schwieg weiter beharrlich, obwohl die Nachfolge-Spekulationen bereits begonnen haben.

Er "respektiere" das Votum und nehme dieses "sehr ernst", versicherte Curtius: "Ich stehe für Gespräche zu konstruktiven Lösungen für den DFB jederzeit zur Verfügung, dies umfasst selbstverständlich auch meine Funktion." Es scheint, als wäre der 44-Jährige bereit, den Weg für einen Neuanfang freizumachen - sollte auch Keller die Forderungen der Landesfürsten erfüllen.

Welche Konsequenzen aus den Beschlüssen der Konferenz gezogen werden, ist allerdings noch offen. Keller, so scheint es, will offenbar erst die Einlassungen der Ethikkommission zu seinem Nazi-Vergleich abwarten, bevor er sich zu seiner Zukunft äußert. Es droht ein weiterer Showdown - diesmal im Verbandsvorstand. Die Kommission teilte am Montag mit, sie habe beraten und das Ergebnis dem Sportgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Keller vs. Curtius: DFB gibt desaströses Bild ab

Außer Curtius schweigen alle - selbst die Landesfürsten, die in Vizepräsident Rainer Koch und Schatzmeister Stephan Osnabrügge die weiteren Gegner Kellers in der Führung des Verbandes stützten, äußern sich nicht weiter. Der monatelange Machtkampf der unversöhnlichen DFB-Spitze ist nach dem Gipfel am Templiner See in Potsdam an einem erneuten Tiefpunkt angelangt.

Viele Seiten sehen Keller jedenfalls nach dem Nazi-Vergleich als nicht mehr tragbar an, die krachende Klatsche samt Vertrauensentzug und Rücktrittsforderung vom Sonntag verschärfte die Lage nochmals. Bis der erst im September 2019 durchaus mit hehren Absichten angetretene DFB-Chef an der Spitze des größten Einzelsportverbandes der Welt den Hut nehmen muss, ist es womöglich nur eine Frage der Zeit.

Selbst in der Politik ist das Thema angekommen. SPD-Politikerin Dagmar Freitag hält Kellers Rücktritt für unausweichlich, allerdings sei das kein Garant für ein Ende des Machtkampfes. "Der DFB gibt seit Jahren ein desaströses Bild ab und hat damit auf nationaler und internationaler Ebene Schaden genommen", sagte die Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag auf SID-Anfrage.

Der Präsident war massiv in die Kritik geraten, nachdem er seinen Vize Koch in einer Sitzung mit dem Nazi-Richter Roland Freisler verglichen hatte. Curtius und Osnabrügge sollen den Vorfall der unabhängigen Ethikkommission gemeldet haben.

Koch, der Kellers Entschuldigung lediglich "entgegengenommen" hat, will eine Bewertung des Sachverhalts den "dafür zuständigen Gremien" überlassen. Eine Entlastung durch die Ethikkommission könnte Kellers Position etwas verbessern.

Keller unter Druck: Rückhalt aus der DFL?

Sollten Keller oder Curtius nicht den deutlichen Forderungen der Landesfürsten nachkommen, wandert der Fall wohl in den DFB-Vorstand. Bei einer Entscheidung durch das formal zweithöchste Gremium des Verbandes, dem 15 Mitglieder des DFB-Präsidiums, 21 Landesvertreter, fünf Präsidenten der Regionalverbände sowie zwölf Mitglieder der DFL angehören, dürfte Keller womöglich etwas mehr Unterstützung erhalten. Für den im Profilager isolierten Curtius gibt es dagegen kaum Rückhalt.

Schließlich schlugen sich die DFL-Vertreter im Machtkampf auf die Seite des Präsidenten, nachdem sie bereits bei dessen Amtsantritt große Hoffnungen in einen Neuanfang gesteckt hatten. Sollte es für Keller trotz seiner verbalen Entgleisung und der Verurteilung dessen auch vonseiten der DFL gar zu einer knappen Mehrheit reichen, müsste er sich dennoch fragen, ob er gegen den Willen der Amateure weiterregieren möchte.

Vor allem für Koch dürfte es in diesem Fall deutlich enger werden. Trotz des Zuspruchs der Amateurvertreter steht der stets aus der zweiten Reihe agierende Jurist längst mit Curtius und Osnabrügge in der Schusslinie.

Im Mittelpunkt des Konflikts steht ein undurchsichtiger und hochdotierter Vertrag mit einem Kommunikationsberater aus dem Jahr 2019. Koch, Curtius und Osnabrügge sollen diesen Vertrag auf den Weg gebracht.

Forderungen nach einem radikalen Schnitt gibt es nicht erst seit diesem Wochenende. Auch aus Sicht von Lothar Matthäus müsse die komplette DFB-Spitze ausgetauscht werden. "Das Bild, dass unser Verband seit Jahren, aber vor allem in der jüngsten Vergangenheit abgegeben hat, ist zum Schämen und gipfelt aktuell im Eklat um einen Nazi-Vergleich und die darauffolgende Posse", schimpfte der Rekordnationalspieler in seiner Sky-Kolumne. Obwohl Keller noch im Amt ist, brachte Matthäus in Karl-Heinz Rummenigge, Rudi Völler oder Philipp Lahm gleich mehrere potenzielle Nachfolger ins Spiel.