Fußball-Kolume - Mogelpackung statt DFB-Neuanfang: Die Strippenzieher Koch und Peters bleiben an der Macht

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Nach dem angekündigten Rücktritt von Präsident Fritz Keller verkündet der DFB eine Neuausrichtung. Doch bis ins nächste Jahr sollen ausgerechnet die beiden Strippenzieher Rainer Koch und Peter Peters den Verband versöhnen und einen Nachfolger aussuchen. Die Fußball-Kolumne.

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Rund zwei Jahre ist es her, als Rainer Koch, Peter Peters und Reinhard Rauball zu vorgerückter Stunde in der Bar des Deutschen Fußball-Museums die Köpfe zusammensteckten.

Der damalige DFB-Präsident Reinhard Grindel hatte zuvor bei der feierlichen Verkündung der Gründungself der Hall of Fame des deutschen Fußballs eine kurze Rede gehalten, war dann aber schnell durch die Hintertür vor kritischen Nachfragen geflohen.

Das Trio in der Bar wusste, was kommen würde: Am Tag darauf trat Grindel nach einer Reihe von Fehltritten und nicht mal drei Jahren im Amt zurück, die beiden 1. Vizepräsidenten Koch und Rauball mussten als Interimsbosse zum zweiten Mal nach dem Rückzug von Wolfgang Niersbach 2015 einen Nachfolger suchen.

Der wurde erst durch eine Headhunting-Agentur und nach rund vier Monaten Suche beinahe euphorisch präsentiert. "Fritz Keller ist ohne jeden Zweifel eine außergewöhnliche Persönlichkeit mit allen Qualitäten für das Amt des DFB-Präsidenten", erklärte Koch damals. Diese Worte würde er heute, keine 20 Monate nach Kellers einstimmiger Wahl, sicher nicht mehr wählen. Im Gegenteil.

DFB: Nach monatelanger Schlammschlacht tritt Keller zurück

Nach monatelanger Schlammschlacht hat sich Keller mit seinem Vergleich Kochs mit dem Nazi-Richter Roland Freisler dermaßen diskreditiert, dass er nach der Anhörung durch die Ethikkammer des DFB-Sportgerichts und dem Urteil am Montag zurücktreten wird. Vorausgegangen waren dieser Entscheidung intern noch einmal intensive Debatten, weil Keller offenbar nicht als einziger für das Chaos im Verband den Kopf hinhalten wollte.

So erklärten am Dienstagabend per Pressemitteilung auch die Keller-Gegner ihren Rückzug: Der hauptamtliche Generalsekretär Friedrich Curtius werde Keller "unmittelbar folgen", Stephan Osnabrügge beim aus dem Herbst 2022 auf Januar vorgezogenen Bundestag nicht mehr als Schatzmeister und Koch nicht mehr als 1. Vizepräsident Amateure kandidieren. "DFB stellt die Weichen für Neuausrichtung", überschrieb der Verband die Erklärung.

Bei genauerem Hinsehen stellt sich allerdings relativ schnell heraus, dass der vermeintliche Neuanfang eher eine Mogelpackung ist. Denn im letzten Absatz wird angekündigt, dass gemäß der Satzung in den immerhin noch acht Monaten bis zur Neuwahl eben jener Koch sowie Peters als 1. Vizepräsident der Profis als gleichberechtigte Interimspräsidenten übernehmen und also auch den neuen DFB-Präsidenten suchen werden.

DFB-Präsidium: Koch und Peters neben Seifert am längsten dabei

Damit bleiben ausgerechnet die beiden Berufsfunktionäre an der Spitze des heillos zerstrittenen Verbandes, die dort neben DFL-Geschäftsführer Christian Seifert am längsten sitzen (seit 2007) und die nicht ohne Grund durchgängig in sämtlichen Medien mit dem Zusatz "Strippenzieher" versehen werden.

Beide haben sich durch geschicktes Taktieren und Paktieren über Jahre hinweg eine solche Machtposition erarbeitet, dass sie in ihren Bereichen nahezu unantastbar sind - und auf der jeweiligen Gegenseite als plakatives Feindbild herhalten müssen. Koch ist seit 17 Jahren Präsident des Bayrischen Fußball-Verbandes, dem mit 1,6 Millionen Mitgliedern mit weitem Abstand größten DFB-Landesverband, und seit zehn Jahren Präsident des Süddeutschen Regionalverbandes.

Damit spricht Koch für fast die Hälfte aller DFB-Mitglieder, was den Aufstieg zum mächtigsten Amateurvertreter im DFB begründete und vergangenen Monat mit der Wahl ins UEFA-Exekutivkomitee gekrönt wurde. Der 62-Jährige hat also einiges zu verlieren, weshalb er zuletzt immer wieder versucht hat, die Amateurvertreter hinter sich zu bringen - mit dem Narrativ, die DFL wolle die Kontrolle beim DFB übernehmen, zumindest über die finanziell wichtigsten Bereiche Nationalmannschaft und DFB-Pokal.

DFB und DFL: Peter Peters rückte immer weiter nach oben

Erst kürzlich hat er sich dazu einen mehrseitigen aggressiven Briefwechsel mit Seifert geliefert, wobei dieser sämtliche Vorwürfe Kochs zurückwies. Der DFL-Boss wiederum ist schon vor einigen Monaten aus der DFB-Führungsspitze zurückgetreten und hatte somit seinem Stellvertreter Peters die Vertretung der Profibelange überlassen. Dabei sind dem langjährigen Schalke-Vorstand die zahlreichen Führungspositionen praktisch automatisch zugefallen, als Reinhard Rauball 2019 nicht mehr antrat. Weder gab es Gegenkandidaten noch größere Diskussionen über die Befähigung von Peters.

Seitdem ist der 58-Jährige der mächtigste Abgesandte der DFL im DFB und wie Koch im April mit einem lukrativen Posten belohnt worden, nämlich im Exekutivkomitee der FIFA. Zeit dafür hat Peters, nachdem er im vergangenen Sommer nach 27 Jahren bei Schalke 04 zum Rückzug als Finanzvorstand gedrängt wurde, nicht zuletzt wegen der angeblich rund 240 Millionen Euro Verbindlichkeiten des klammen Traditionsklubs.

Dass nun ausgerechnet die beiden glasklaren Lobbyisten der inzwischen offenbar kaum mehr kompromissbereiten Profi- und Amateurlager den DFB, wie es in der Presseerklärung heißt, "schnellstmöglich in ruhige Fahrwasser" bringen und sogar versöhnen können, glaubt nach den tiefen Verwerfungen der jüngsten Vergangenheit eigentlich niemand. Noch viel weniger kann man sich aktuell vorstellen, dass Peters und Koch gemeinsam eine von allen Seiten geachtete und kompetente Persönlichkeit für die DFB-Spitze finden werden.

Neuer DFB-Präsident: Einigung auf kleinstmöglichen Nenner?

Vielmehr droht die Gefahr, dass sich das Duo auf den kleinstmöglichen Nenner einigen könnte: Jemanden, der ihre Macht nicht in Frage stellt und sie weiter in Ruhe ihre Strippen ziehen lässt. Denn beide haben einiges zu verlieren, nicht nur ihre gut dotierten Posten in UEFA und FIFA. Zwar können sie theoretisch nicht von diesen Ämtern abgelöst werden, sollten sie keine führende Rolle mehr im DFB spielen, inhaltlich würde ihr Verbleib aber für den Verband bei einem tatsächlichen Neuanfang wenig Sinn machen.

Gleiches gilt für Peters' Rolle in der DFL: Diese ist zwar offiziell an keinen Vereinsjob gefunden, faktisch hatte aber bislang jeder in einer solchen Position eine starke Rückendeckung aus einem der 36 Erst- und Zweitligaklubs. Vermutlich auch deshalb wollte Peters für den neuen Schalke-Aufsichtsrat kandidieren, seine Bewerbung wurde aber abgelehnt.

Koch wiederum hat zwar seinen Abschied als 1. Vizepräsident zum Januar angekündigt, will aber offenbar auch wegen des UEFA-Jobs sehr wohl im DFB-Präsidium bleiben. Anscheinend plant er die Rollen mit seinem Stellvertreter im Süddeutschen Verband, Ronny Zimmermann, zu tauschen. Der Badener würde dann von seinem aktuellen Posten als "normaler" DFB-Vize zum 1. Vizepräsidenten Amateure aufrücken - und dadurch wiederum Platz machen für Koch.

Merkel dürfte wohl nicht auf Keller als DFB-Präsidentin folgen.
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Merkel dürfte wohl nicht auf Keller als DFB-Präsidentin folgen.

DFB: Niemand will mehr Präsident werden

Ein Postengeschacher, dass sicherlich das Gegenteil der vom DFB vollmundig angekündigten Neuausrichtung wäre. Doch neben ihren über Jahre gefestigten Machtpositionen können Koch und Peters vor allem darauf setzen, dass Alternativen weit und breit nicht in Sicht sind. Unter maßgeblicher Beteiligung des Duos hat der größte Sportverband der Welt seit 2015 drei Präsidenten verschlissen, wenngleich Niersbach, Grindel und Keller vor allem an eigenen Fehlern gescheitert sind.

Nichtsdestotrotz drängt sich aktuell niemand auf, weil jeder spätestens nach dem Fall Kellers weiß, dass man als DFB-Präsident mindestens Lebensqualität, Reputation und Nerven aufs Spiel setzt. Wenn nicht sogar mehr, wie die anhaltenden Ermittlungen der Staatsanwalt befürchten lassen. Daher sind sämtliche Kandidaten-Castings derzeit reine Spekulation.

DFB-Präsident: Rummenigge eigentlich die perfekte Wahl

Sicherlich wäre etwa Karl-Heinz Rummenigge als ehemaliger Nationalmannschaftskapitän und erfahrener Vorstandsboss mit glänzender internationaler Vernetzung eigentlich eine perfekte Wahl, zumal er Ende des Jahres beim FC Bayern aufhört. Aber Rummenigge schließt eine solche Tätigkeit bislang kategorisch aus. Was noch mehr für andere verdiente Altinternationale wie Matthias Sammer oder Rudi Völler gilt.

Auch Philipp Lahm weiß, dass er momentan als DFB-Präsident wenig gewinnen, aber viel verlieren kann, und wird sich weiter auf seinen Job als Organisator der Heim-EM 2024 fokussieren. Wenig überzeugend klingen dagegen externe Kandidaten aus der Politik wie Wolfgang Bosbach - und ob der lauter werdende Ruf nach einer Frau an der Spitze tatsächlich erhört wird, darf man ebenfalls bezweifeln. Zumal in Heike Ulrich sehr wahrscheinlich erstmals eine Frau als Generalsekretärin amtieren dürfte.

DFB-Präsident: Wird es am Ende wieder ein Funktionär?

Gut möglich scheint daher, dass am Ende wieder ein Funktionär übernimmt. Etwa Hermann Winkler, Präsident des Nordostdeutschen Regionalverbandes. Nachdem dessen lange erfolgreiche Karriere als sächsischer CDU-Politiker vor eineinhalb Jahren relativ abrupt beendet wurde, hat der 58-Jährige den Fokus auf den Sport gelegt und ist seitdem in den Hierarchien nach oben bis ins DFB-Präsidium gestiegen.

Eine Kandidatur als DFB-Präsident lässt er bisher ausdrücklich offen, wie die dpa berichtete. "Die Frage steht zurzeit noch nicht. Noch ist Fritz Keller nicht zurückgetreten", sagte Winkler am Mittwoch dem MDR und forderte als Nachfolger "einen von uns".

Das Modell, einen CDU-Politiker ohne Perspektive zum neuen DFB-Präsidenten zu machen, ist allerdings schon beim Ex-Bundestagsabgeordneten Reinhard Grindel krachend gescheitert. Verantwortlich für die Auswahl damals wie heute: Interimspräsident Rainer Koch.

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