DFB - Sommermärchen-Aufklärung verläuft im Sande: Wo kein Wille, da kein Weg?

SID
Franz Beckenbauer war 2006 beim "Sommermärchen" der WM-OK-Chef.
© imago images / Horstmüller

Die Verjährung der Vorwürfe in der Sommermärchen-Affäre wirft kein gutes Licht auf die FIFA, die Hoffnung auf Aufklärung schwindet immer mehr. Nun richtet sich der Blick auf die Generalinventur des DFB.

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Untätig war die Ethikkommission der FIFA gewiss nicht, das beweisen schon die ausführlichen Abschlussberichte zur Sommermärchen-Affäre - es ging schließlich um Bestechung und Korruption. So widmete sie dem früheren OK-Chef Franz Beckenbauer und dessen Verstrickungen 20 Seiten, zum ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger gab's gar sieben Seiten mehr, über Ex-Generalsekretär Horst R. Schmidt immerhin noch 17. Umso ernüchternder war dann aber der Ertrag: Die Vorwürfe sind schon seit 2012 bzw. 2015 verjährt, die Akten geschlossen.

Damit ist eine der letzten - wenn auch nur kleinen - Möglichkeiten vertan, Licht ins Dunkel um den wirklichen Zweck dieser ominösen 6,7 Millionen Euro im Vorfeld der WM 2006 zu bringen. Im vergangenen Jahr schon wurde ein Prozess vor dem Schweizer Bundesstrafgericht ebenfalls wegen Verjährung abgebrochen. Die Hoffnung richtet sich nun auf die Generalinventur des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) - der Bericht der externen Ermittler der Firma Esecon soll bald vorliegen, inklusive neuer Erkenntnisse zum Sommermärchen-Skandal.

"Ich hoffe, dass im März alles durch ist", sagte DFB-Präsident Fritz Keller in der Vorwoche der Welt am Sonntag: "Das Gesamtergebnis kenne ich noch nicht. Aber an mich ist berichtet worden, dass wir zum Schluss wesentlich mehr wissen werden." Auch ein noch nicht terminierter Prozess wegen möglicher Steuerhinterziehung rund ums Sommermärchen vor dem Landgericht Frankfurt steht noch aus.

Die alles entscheidenden Fragen rund um die dubiosen Vorgänge zwischen 2002 und 2005 dürften aber unbeantwortet bleiben. Schließlich schweigen sich die Schlüsselfiguren Beckenbauer und Mohamed bin Hammam, als FIFA-Finanzchef damals Empfänger der 6,7 Millionen Euro, über den eigentlichen Grund der getarnten Zahlungen aus.

FIFA: Zahlreiche Fragenzeichen hinter Aufklärungswillen

Zwar hatte die untersuchende Kammer der Ethikkommission des Fußball-Weltverbandes diese schon vor einem halben Jahr als Bestechung und Korruption eingestuft, die rechtsprechende Kammer führte in dem am Donnerstagabend veröffentlichten Bericht die Zahlungsströme zwischen dem inzwischen verstorbenen adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus, Beckenbauer, bin Hammam, der FIFA und dem DFB erstmals detailliert auf. Doch gegen den Katarer bin Hammam, bereits seit 2011 wegen Korruption lebenslang gesperrt, ermittelten die Ethiker in knapp fünf Jahren gar nicht erst.

Es ist nicht das einzige Fragezeichen hinter dem Aufklärungswillen der FIFA. Bis Sommer 2018 war im Ethikcode bei schweren Vergehen wie Bestechung keine Verjährung vorgesehen, dann wurde plötzlich eine Frist von zehn Jahren (15 Jahren bei dann bereits eröffneten Verfahren) festgesetzt. Die kritischen Chefs der Ethikkommission, den Deutschen Hans-Joachim Eckert und den Schweizer Cornel Borbely, hatte FIFA-Präsident Gianni Infantino ein Jahr zuvor abgesägt.

Unter der neuen, höchst umstrittenen Chefermittlerin Maria Claudia Rojas wirkt es schon länger so, als untersuche die eigentlich unabhängige Ethikkommission heiße Themen nicht mehr allzu genau. Anders ist kaum zu erklären, dass bin Hammam vom obersten FIFA-Richter Vassilios Skouris zwischenzeitlich bereits fälschlicherweise für tot erklärt wurde.

Interessantes führte der Abschlussbericht der FIFA-Ethiker dennoch zutage. So zweifelten sie Beckenbauers angeblich schlechte Gesundheit und dessen Erinnerungsschwäche, die laut dessen Ärzten Vernehmungen unmöglich machten, stark an. Schließlich sei der heute 75-Jährige zwischen Januar und Oktober 2020 fit genug für mehrere öffentliche Auftritte gewesen.

Zudem hätten die Ermittler in den vergangenen Monaten auch Interviews Beckenbauers zur Kenntnis genommen, in denen er sich "teilweise mit lebhaften Details" etwa an die WM 1990 erinnerte. Doch wie dem auch sei: Sportrechtliche Konsequenzen haben Beckenbauer und seine Mitstreiter nicht mehr zu befürchten.

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