DFB - Deutschlands WM-Testspiel gegen Österreich: Die vorgezogene Generalprobe

Das DFB-Team bekommt es am Samstag mit Österreich zu tun.
© getty

Heute Abend (ab 18 Uhr im LIVETICKER) bestreitet die deutsche Nationalmannschaft gegen Österreich das erste von zwei Testspielen vor der WM in Russland. Dabei steht vor allem Torwart Manuel Neuer im Mittelpunkt, der nach langer Verletzungspause sein Comeback gibt. Aber auch die Streichkandidaten wie Jonathan Tah oder Nils Petersen werden vom Bundestrainer ganz genau beobachtet.

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Das Ergebnis in Klagenfurt sei "nicht das Allerwichtigste", betonte Löw auf der Pressekonferenz am Freitag. Auf das bei der WM in Russland neuerdings erlaubte Headset dürfte er gegen Österreich wohl auch verzichten. Dennoch erhofft sich der Bundestrainer vom vorletzten Test vor der WM - und dem letzten Spiel vor der Benennung des finalen WM-Kaders am 4. Juni - wichtige Erkenntnisse.

Gegner Österreich kommt da gerade recht: Ob das letzte Spiel vor der Abreise nach Russland in Leverkusen am 8. Juni gegen Saudi-Arabien allzu großen sportlichen Wert haben wird, darf bezweifelt werden. Auch wenn es sich um einen WM-Teilnehmer handelt. Die nicht qualifizierten Österreicher dagegen haben die letzten sechs Partien gewonnen, das Team von Franco Foda wird vor eigenem Publikum darauf brennen, gegen den großen Nachbarn eine Duftmarke zu setzen.

Auch wenn Deutschland nicht die WM-Elf vom 17. Juni auf das Feld schicken wird, ist der Weltranglisten-26. für seine Spieler ein guter Test: Vom Niveau her ist der Gastgeber weder absolute Weltklasse noch Kanonenfutter und damit irgendwo schon vergleichbar mit den Gruppengegnern Mexiko, Schweden und Südkorea. Dazu kein Heimvorteil: Gute Bedingungen also für die Generalprobe vor der Generalprobe.

Wer wird für Deutschland im Test gegen Österreich spielen?

Löw hat auf der Presskonferenz angekündigt, alle möglichen Wechsel auszuschöpfen, womöglich auch schon in der Halbzeitpause. Dabei stehen ihm folgende Spieler zur Verfügung:

PositionSpielerVereinRückennummer
TorwartManuel NeuerFC Bayern München1
TorwartMarc-Andre ter StegenFC Barcelona12
TorwartBernd LenoBayer Leverkusen22
TorwartKevin TrappPSG27
AbwehrMatthias GinterBorussia Mönchengladbach4
AbwehrJonas Hector1. FC Köln3
AbwehrJoshua KimmichFC Bayern München18
AbwehrMarvin PlattenhardtHertha BSC2
AbwehrAntonio RüdigerFC Chelsea16
AbwehrNiklas SüleFC Bayern München26
AbwehrJonathan TahBayer Leverkusen24
MittelfeldSami KhediraJuventus Turin6
MittelfeldJulian DraxlerPSG7
MittelfeldLeon GoretzkaSchalke 0414
MittelfeldMesut ÖzilFC Arsenal10
MittelfeldIlkay GündoganManchester City21
MittelfeldSebastian RudyFC Bayern München15
AngriffTimo WernerRB Leipzig9
AngriffJulian BrandtBayer Leverkusen20
AngriffLeroy SaneManchester City19
AngriffMario GomezVfB Stuttgart23
AngriffMarco ReusBorussia Dortmund11
AngriffNils PetersenSC Freiburg25

Champions-League-Sieger Toni Kroos hat noch Sonderurlaub, Jerome Boateng ist nach seiner Verletzung noch nicht ganz fit. Eine Pause bekommen die gesetzten Thomas Müller und Mats Hummels. Neben dem gesetzten Manuel Neuer hat Löw also 19 Feldspieler für zehn Plätze zur Auswahl. Österreich und Russland hatten in ihrem Test am Mittwoch jeweils sechsmal gewechselt. Geht es Löw ähnlich an, könnten tatsächlich fast alle zum Einsatz kommen.

Einsatzgarantien gab der Bundestrainer neben Neuer Überraschungskandidat Nils Petersen und dem Mittelfeld-Trio Sami Khedira, Mesut Özil und Ilkay Gündogan. Wer von Beginn an spielt, darüber habe er sich aber noch keine Gedanken gemacht.

Manuel Neuer im Tor: Fährt der Bayern-Keeper zur WM?

Der Eindruck gegen Österreich werde in die Entscheidung der vier Streichkandidaten mit einfließen, erklärte Löw, aber natürlich nicht das einzige Kriterium sein. Eigentlich ist Österreich also nur für einen Spieler ein "Do-or-die"-Auftritt: Ist Manuel Neuer in Russland dabei?

Denn während Löw ankündigte, die Spieler, die dem Cut zum Opfer fallen, am Montag in einem persönlichen Gespräch über seine Entscheidung informieren zu wollen - mit einem durchaus mulmigen Gefühl im Bauch, schließlich bräche für sie "eine kleine Welt zusammen" -, darf Neuer mehr oder weniger selbst entscheiden, ob er soweit ist. Am Sonntag werde man sich zusammensetzen, "wie er sich fühlt und ob er sich in der Lage sieht, Topleistungen zu bringen".

Dass Neuer, der im Trainingslager gegen die U20 jeweils hervorragende Auftritte hingelegt haben soll, von sich aus zurückzieht, ist dabei mehr als unwahrscheinlich. Würde sich der langjährige Stammkeeper mit Selbstzweifeln plagen, dann hätte er schon vor der Nominierung abgesagt. Die Leistungen im Trainingslager dürften ihn nur bestätigt haben, und man darf nicht vergessen, dass er nicht zum ersten Mal erst kurz vor einem großen Turnier fit geworden ist. In Katar wäre er fast 37, Garantien auf eine weitere WM gibt es nicht.

Es bräuchte wohl Fehlgriffe in der Kategorie "Loris Karius", ein Nervenflattern nie gekannten Ausmaßes, um so spät noch umzuschwenken. Interessanter wird es für Löw sein, welche Taktik er mit seiner Nummer eins schon spielen kann: Reflexe auf der Linie verlernt man nicht, aber für den "Sweeper Keeper", den Neuer in Brasilien gespielt hatte, mit Rettungsaktionen überall in der eigenen Hälfte, braucht es Eingespieltheit, eine blitzschnelle Auffassungsgabe und das nötige Selbstbewusstsein. Es wird interessant zu sehen sein, wie weit sich Neuer in Klagenfurt aus dem Sechzehner wagen wird.

Trapp, Tah, Rudy, Petersen: Was ist mit den Streichkandidaten?

Das vermeintliche Poster mit dem finalen WM-Kader schlug am Donnerstag große Wellen. Der DFB dementierte entschieden und verwies darauf, dass es ähnliche Poster schon vor den letzten Turnieren gegeben habe. Dafür spricht: Man muss kein Prophet sein, um in Trapp, Tah, Rudy und Petersen die wackligsten Wackelkandidaten zu erkennen.

Können sie gegen Österreich noch einmal Punkte sammeln? Am schwierigsten wird es für Kevin Trapp, der nicht spielen wird. Sein Schicksal hängt von Neuer ab, die Chancen stehen wie gesagt schlecht. Für Tah sieht es ebenfalls nicht gut aus: Da Boateng schnelle Fortschritte macht, wird er sich wohl gegen Matthias Ginter durchsetzen müssen. Beide müssen gegen Österreich zeigen, dass sie dazugehören.

Was ist mit Sebastian Rudy? Dass er die übrigen Sechser - Kroos, Khedira, Gündogan, eventuell Goretzka - aussticht, ist eigentlich ausgeschlossen. Er müsste über die Variabilität punkten, und darüber, dass Löw nicht alle Positionen doppelt besetzt und etwa Marvin Plattenhardt überraschend doch nicht dabei ist. Dass Khedira und Gündogan auf jeden Fall spielen werden, macht es nicht leichter.

Bleibt Petersen. Der Freiburger hat laut Löw in den letzten Tagen große Fortschritte gemacht, sei variabel und läuferisch stark: "Er geht die Wege, arbeitet defensiv und weicht auf die Flügel aus." Das hat Löw nicht ohne Grund betont, denn Petersen steht nicht in Konkurrenz mit den Stoßstürmern Timo Werner und Mario Gomez. Ihm käme vielmehr die Rolle eines Lars Stindl zu, der um die Spitze herum spielt.

Größter Konkurrent ist deshalb Julian Brandt. Comebacker Marco Reus ist gesetzt, Löw schwärmte geradezu von der "Rakete". Wenn er sich nicht verletzt, "können wir uns auf Reus bei der WM freuen."

Özil und Gündogan: Erdogan-Ärger zu den Akten gelegt - oder?

Könnten in Klagenfurt noch weitere Entscheidungen fallen? Haben Reus oder Sane Chancen, Julian Draxler auf dem Flügel zu verdrängen, oder Gündogan Chancen auf den Platz Khediras? Sollte sich Löw in diesen Fällen noch nicht längst entschieden haben, wird er das erst in Russland tun.

Wichtiger ist da die Frage nach der Fitness: Özil etwa war mit Trainingsrückstand angereist und muss gegen die im Saft stehenden Österreicher beweisen, dass er aufgeholt hat.

Die Causa Erdogan sei beim Spielmacher und Gündogan übrigens komplett abgehakt, versicherte Löw am Freitag. Von Seiten der Mannschaft habe es keine Vorbehalte gegeben, gerade Gündogan sei in den letzten Tagen "ruhiger und ausgeglichener" geworden.

Und vielleicht ist es auch nicht unklug, beide gegen Österreich spielen zu lassen, wo Erdogan kein Thema sein wird. In Leverkusen könnte Löw sie dann pausieren lassen und so jegliches Risiko eines Pfeifkonzerts vermeiden.

Bis zum Spiel gegen Mexiko hat er schließlich noch genug zu tun.

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