Deutschland gegen Südkorea: Aus fünf mach drei - Löws Optionen in der Offensive

Löws Optionen (v.l.): Thomas Müller, Julian Brandt, Julian Draxler, Mesut Özil, Marco Reus.
© getty

Deutschland spielt am Mittwoch gegen Südkorea (16 Uhr im LIVETICKER) um den Einzug ins WM-Achtelfinale. Dabei muss Bundestrainer Joachim Löw aufgrund der Ausfälle von Jerome Boateng und Sebastian Rudy die Defensive umbauen. In der Offensive bieten sich ihm fünf Spieler für drei Positionen. Gibt es die nächste Überraschung?

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Das Frage-Antwort-Spielchen ist mittlerweile so sehr Tradition, dass man es fast schon im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund ausstellen könnte: Auf jeder Pressekonferenz, ganz besonders auf der "Matchday minus 1"-PK am Tag vor dem Spiel, wird Bundestrainer Joachim Löw nach der Aufstellung für das nächste Spiel gefragt. Zumeist ist es eine der ersten Fragen, gestellt von einem der alten Reporterhasen im Publikum: Herr Löw, was ist mit Spieler X? Rückt Spieler Y in die Mannschaft? Ist der anwesende Spieler Z ein Hinweis darauf, dass er morgen spielt?

Die Antwort fällt fast immer gleich aus. Unbefriedigend nämlich. Löw will sich nicht in die Karten schauen lassen, verständlicherweise. Knallharte Fakten gibt es höchst selten, eigentlich ausschließlich bei Ausfällen wie Mats Hummels vor dem Spiel gegen Schweden oder jetzt Sebastian Rudy gegen Südkorea. Darüber hinaus wird vom "wichtigen Spieler" X gesprochen, und davon, dass Y "eine Option" ist. Und selbstverständlich sind auch herausrotierte Spieler immer noch enorm wichtig für die Mannschaft.

Das anwesende Pressekorps darf anschließend die Lücken nach eigenem Gutdünken füllen. Da wird über jedem Wort Löws gebrütet, als sei es ein neu aufgetauchter Codex der Qumran-Rollen: Hat er bei Sami Khedira eben gezögert? Wenn Marco Reus wirklich eine "Rakete" ist, muss er doch von Beginn an gezündet werden?

Die berühmt-berüchtigte "voraussichtliche Aufstellung" ist bei dieser Weltmeisterschaft noch schwerer zu prognostizieren als in der Vergangenheit. Das liegt auch daran, dass es im DFB-Team noch nicht rund läuft und Löw sich bereits im zweiten Vorrundenspiel zu vier Änderungen gezwungen sah.

DFB-Aufstellung: Mehr Wechsel als beim Titel 2014

18 Spieler kamen in den bisher gespielten 180 Minuten zum Einsatz, so viele wie in der gesamten WM 2014. Vergleicht man das damalige Auftaktspiel (4:0 gegen Portugal) mit dem Finale gegen Argentinien, gab es gerade mal zwei geplante Änderungen: Bastian Schweinsteiger verstärkte das defensive Mittelfeld, zudem begann Miroslav Klose statt Thomas Müller in vorderster Spitze. Ungeplant war Christoph Kramer, der für den angeschlagenen Sami Khedira ins Team rückte.

Eigentlich sollte es der verbliebene Stamm der Titel-Elf auch in Russland richten, doch dieser Plan scheint nach der Auftaktniederlage gegen Mexiko in der Schublade verschwunden zu sein. Stattdessen wird gebastelt: Wie von Löw prognostiziert, und wie in der Vergangenheit wiederholt gesehen, muss die perfekte Startelf erst im Laufe des Turniers gefunden werden. Formschwankungen, taktische Überlegungen und der Gegner spielen eine Rolle, ebenso wie die Tatsache, dass sieben Spiele innerhalb eines Monats zum Ende einer kräftezehrenden Saison kaum ohne Substanzverlust über die Bühne zu bringen sind.

Dabei bieten sich dem Bundestrainer drei Baustellen: Innenverteidigung, defensives Mittelfeld und offensive Dreierreihe hinter der Spitze. Erstere wurde Löw aufgrund von Hummels' Verletzung und Boatengs Sperre aufgezwungen. Antonio Rüdiger durfte sich gegen Schweden zeigen, gegen Südkorea bekommt womöglich Niklas Süle seine Chance.

Davor wird weiterhin die perfekte Ergänzung zu Toni Kroos gesucht. Sami Khedira, Ilkay Gündogan und Sebastian Rudy bekamen bereits ihre Chance, mit Leon Goretzka steht ein weiterer potenzieller Tanzpartner bereit.

DFB-Offensive: Müller, Özil, Draxler - das Puzzle passt nicht mehr

Das größte Kopfzerbrechen dürfte dem Trainerteam allerdings die Offensivabteilung bereiten. Die drei etatmäßigen Stammspieler Thomas Müller, Mesut Özil und Julian Draxler haben bislang zusammengenommen ganze null gute Spiele gemacht, das vermeintliche Prunkstück im DFB-Puzzle passt plötzlich nicht mehr.

Özil, fast ein Jahrzehnt unangefochten auf der Zehn gesetzt, saß gegen Schweden erstmals seit 2010 draußen - Kredit durch schwankende Leistungen erst einmal erschöpft. Draxler, Confed-Cup-Kapitän und potenzieller Führungsspieler der jungen Generation, wusste auf links ebenso wenig zu überzeugen wie als Özil-Ersatz hinter den Spitzen. Und Müller, der mit zehn WM-Treffern aus zwei Turnieren, ist die Torgefahr derzeit komplett abhandengekommen - "er hat sich redlich bemüht", würde bislang in seinem Zeugnis stehen. Versetzung dennoch gefährdet.

Stattdessen drängen die WM-Debütanten ins Team. Julian Brandt, der sich den Platz im Kader gegenüber Leroy Sane laut Löw per Fotofinish gesichert hatte, kam zweimal in der Schlussphase zum Einsatz. Bilanz nach sieben gespielten Minuten: zwei Pfostenkracher und jede Menge Betrieb. Marco Reus, Torschütze und bester Mann gegen Schweden, dürfte sich in der ersten Elf bereits festgespielt haben.

Pflichtspiele 2017/18

MüllerÖzilDraxlerReusBrandt

Spiele

4535471539

Startelf

3633291430

Minuten

3.1272.9532.6301.1632.734

Tore

1555712

Assists

1612905

Torschussbeteiligungen/90 min

55344

Zweikampfquote (Prozent)

4450454340

Passquote (Prozent)

7687928080

Ballaktionen/90 min

5689835464

Offensive Dreiherreihe: Mindestens zehn Varianten für Joachim Löw

Was bedeutet diese Ausgangslage für das entscheidende dritte Gruppenspiel gegen Südkorea? Mathematisch gesehen gibt es bei drei Spielern aus fünf Optionen zehn mögliche Kombinationen. Dazu kommt, dass jeder aus dem Offensivquintett mindestens zwei der drei Positionen bekleiden könnte. Löw bieten sich also Optionen.

Optionen, die er auf der abschließenden Pressekonferenz am Dienstag natürlich nicht ausschließen wollte. Er habe ein langes Gespräch mit dem "sehr selbstkritischen" Müller geführt, Videoanalyse inklusive, verriet der 58-Jährige. Özil habe im Training "eine sehr gute Reaktion gezeigt" und sei "absolut eine Option" für die Startelf.

Und dann ist da auch noch Timo Werner, der in der zweiten Halbzeit gegen Schweden über die linke Seite mehr Betrieb machte als seine Vorgänger in den 135 Minuten zuvor. An beiden Toren war Werner beteiligt, mit seinem Antritt pflügte er immer wieder bis zur Grundlinie.

Startelf gegen Südkorea: Rückt Thomas Müller in die Spitze?

Wie wird nun die Startelf gegen Südkorea aussehen? Ohne Boateng und Rudy muss Löw zwangsläufig auf zwei Positionen umbauen. Offensiv dürfte Müller eine weitere Chance bekommen, sich aus der persönlichen Krise zu schießen, auch Özil hat nach dem Denkzettel gegen Schweden gute Chancen. Das würde bedeuten, dass der bisher schwache Draxler für Reus weichen muss.

Es gäbe aber auch eine Überraschungsvariante: Werner könnte nach seiner überragenden Halbzeit weiter über links kommen, dafür würde Müller auf der Suche nach Treffer Nummer elf in die Spitze rücken. Gegen die körperlich nicht ganz so imposanten Asiaten hätte er es in vorderster Front leichter als etwa gegen die Schweden. Damit wäre zentral und rechts Platz für Reus und Brandt, der sich so nachdrücklich für eine größere Rolle empfohlen hatte.

Wie auch immer das Offensivquartett um 16 Uhr deutscher Zeit aussieht: Gut möglich, dass eine Stunde später schon wieder alles anders ist. Es gibt ja auch noch einen Mario Gomez in der Hinterhand.

Löw hat die Qual der Wahl. Er wird sich auf der Suche nach der perfekten Aufstellung weiter von Spiel zu Spiel hangeln, Varianten ausprobieren und verwerfen. Höchstwahrscheinlich wird auch die Startelf gegen Südkorea nicht der Weisheit letzter Schluss sein - gesetzt den Fall, dass der Weltmeister nicht doch noch vorzeitig die Heimreise antreten muss.

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