Kommentar zum DFB-Rücktritt von Sandro Wagner: Was erlaube Wagner?

Nach seiner Nicht-Nominierung für die WM 2018 ist Sandro Wagner aus der Nationalmannschaft ausgetreten.
© getty

Nach seiner Nicht-Nominierung für die WM 2018 tritt Sandro Wagner aus der deutschen Nationalmannschaft aus - nicht einmal ein Jahr nach seinem Debüt für das DFB-Team. Das mag man gerne konsequent finden. Wagner hat sich die Entscheidung von Bundestrainer Joachim Löw allerdings selbst zuzuschreiben, da er sich in seiner Position öffentlich unnötig weit aus dem Fenster lehnte. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Jochen Tittmar.

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Im Juni 2017 debütierte Sandro Wagner gegen Dänemark für die deutsche Nationalmannschaft und sagte anschließend, er habe 29 Jahre auf diesen Tag gewartet. Für das DFB-Team zu spielen, sei immer ein Traum des Stürmers gewesen. 345 Tage und ein Instagram-Posting später wird Wagner nie mehr für die Nationalelf auflaufen - weil er nach seiner Nicht-Nominierung für die WM 2018 mit sofortiger Wirkung aus der Nationalmannschaft austritt.

Es gibt gute Gründe, diese Entscheidung als logische Konsequenz zu werten. Löw entschied sich überraschend für Nils Petersen, der noch ohne Länderspiel ist. Dass Wagner dies trifft, ihn ärgert und enttäuscht, ist freilich nachvollziehbar.

Petersen plötzlich vorgesetzt zu bekommen, nachdem er ein gutes Jahr lang selbst fester Bestandteil von Löws Truppe war, ist ein sportlich schwerer Schlag für Wagner.

Es ist vom Bundestrainer aber keine sportlich unerklärliche Entscheidung. Blickt man auf die soeben abgelaufene Bundesligasaison, ist Petersen mit 15 Toren der beste deutsche Stürmer gewesen - und nicht Wagner, wie er selbst einige Male und teils ungefragt von sich behauptete.

Möchte man das Thema internationale Erfahrung anbringen, belegt ein Blick auf die Statistik: Wagner steht bei insgesamt 13 Europacupspielen in seiner Karriere, Petersen bei sechs.

Wagner lehnte sich unnötig weit aus dem Fenster

Der Coach sucht einen geeigneten Backup und Einwechselspieler für Werner und hat in Mario Gomez, Petersen und eben Wagner drei ähnliche Spielertypen zur Auswahl.

Es hat den Anschein, als entscheide sich Löw letztlich doch dafür, drei gelernte Angreifer mitzunehmen. Zwei davon werden sich allerdings sehr deutlich mit der Reservistenrolle zufrieden und Ruhe geben müssen.

Da sich Wagner in seiner Position als Anwärter auf einen der Plätze hinter dem gesetzten Timo Werner öffentlich unnötig weit aus dem Fenster lehnte, hat er sich Löws Entscheidung letztlich selbst zuzuschreiben.

Wagner betonte Mitte April, dass ihn die Frage, ob er zur WM reisen werde, nerve. Er verglich seine Situation mit der von etablierten Führungsspielern und Weltmeistern wie Thomas Müller und Mats Hummels. Er sprach davon, sich seine Nominierung verdient zu haben. Und er sei sich auch sicher, dass er mitfahren werde.

Wagners Verweis auf Müller und Hummels ist realitätsfern

Wenngleich der Ruf nach Typen im Fußball seine volle Berechtigung hat und sich in dieser Hinsicht der Großteil der Fußballprofis ein Beispiel an Wagner für seine klaren und ungeschönten Aussagen zu diversen Themen nehmen kann, gehören sich solche sportlichen Ansagen in dieser Deutlichkeit nicht - erst Recht nicht wenige Tage vor der Nominierung.

Wagner hat in den letzten zwei Jahren zweifellos eine starke und kaum für möglich gehaltene Entwicklung genommen und ist zu einem besseren Spieler gereift, dessen Nominierung für das DFB-Team auch gerechtfertigt war.

Daraus jedoch den selbstbewussten Anspruch abzuleiten, seine WM-Teilnahme sei so verdient wie die von Müller oder Hummels, passt am Ende schlichtweg nicht zur Realität.

Dass Wagner nun vor Enttäuschung und vielleicht ein wenig aus Trotz die Brocken und damit seinen Lebenstraum komplett hinwirft, zeigt auch, dass Löw mit der Einschätzung, im Hinblick auf die während eines Turniers so wichtige Chemie innerhalb des Teams auf den forschen Wagner zu verzichten, nicht falsch liegt.

Und Wagner mit vielen seiner erfrischenden Aussagen richtig, aber mit jenen zu seiner möglichen WM-Nominierung daneben lag.

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