FC Bayern mit Remis bei Atletico Madrid: Welche Flick-Experimente aufgingen und welche nicht

Jamal Musiala überzeugte im defensiven Mittelfeld.
© getty

Siegesserie gerissen, Erkenntnisse gewonnen. Gute, aber auch weniger gute. Das 1:1 des FC Bayern bei Atletico Madrid in der Nachbetrachtung (die Highlights im Video).

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Hansi Flick war nicht nur zufrieden. Hansi Flick war sehr zufrieden. "Mit dem Ergebnis, aber auch mit dem Spiel", sagte der Trainer des FC Bayern nach dem 1:1 bei Atletico.

Die nach 15 Siegen in Folge gerissene Superserie? Egal. Man habe "gute Erkenntnisse für die Zukunft gewonnen", befand der 55-Jährige, nur das zähle nach dem bereits in der Vorwoche gesicherten Einzug ins Achtelfinale der Champions League.

Ein Blick auf Flicks Aufstellung verriet bereits vor der Partie, dass es ihm nicht wirklich darum ging, irgendwelche Rekorde um jeden Preis auszubauen, sondern vor dem Kracher in der Bundesliga gegen RB Leipzig (Samstag, 18.30 Uhr im LIVETICKER) Kräfte zu schonen und nebenbei auch ein bisschen herumzuexperimentieren. Ein Training unter Wettbewerbsbedingungen also.

So schickte Flick die ohne Manuel Neuer, Leon Goretzka und Robert Lewandowski angereisten Münchner mit einer Dreierabwehrformation auf den Madrider Rasen - nach dem 3:2 gegen den SC Paderborn im Februar erst zum zweiten Mal überhaupt in seiner Zeit als Coach an der Säbener Straße.

Flicks Taktik-Experiment: Auf den Außenbahnen hakt es

In Durchgang eins sah die Dreierkette natürlich meist wie eine Fünferkette aus, weil der unter Zugzwang stehende Kontrahent wie ein unter Zugzwang stehender Kontrahent spielte: aggressiv, um schnelle Aktionen im letzten Drittel bemüht. Die Räume vor dem ins Bayern-Tor rotierten Alexander Nübel waren dementsprechend eng, mit Niklas Süle, David Alaba und Lucas Hernandez agierten drei physisch starke Spieler im Defensivzentrum, die die weniger physisch starke Doppelspitze der Rojiblancos, bestehend aus Joao Felix und Angel Correa, über weite Strecken in Schach hielten.

Währenddessen sollten Bouna Sarr (rechts) und Bright Arrey-Mbi (links), der mit 17 Jahren und 250 Tagen zum jüngsten Cl-Spieler der Bayern-Historie wurde, die Außenbahnen absichern. Das funktionierte allerdings weniger gut. Der gerade erst von einer Verletzung zurückgekehrte Sarr bekam den agilen Yannick Carrasco zu keinem Moment des Spiels in den Griff, während der 17 Jahre junge Profi-Debütant Arrey-Mbi nicht nur bei Atleticos Treffer durch Felix in der 26. Minute Lehrgeld zahlte. Zu den defensiven Mängeln gesellten sich Probleme im Spiel mit dem Ball. Das Duo schaltete sich selten ins Offensivspiel ein. "Nach vorne", erkannte daher auch Flick, "waren wir in der ersten Halbzeit nicht ganz so aktiv".

FC Bayern: Wechsel in Hälfte zwei sorgen für "mehr Dynamik"

Kein Wunder also, dass der Trainer seine Taktik durch die Hereinnahmen von Chris Richards (für Sarr) und Serge Gnabry (für Arrey-Mbi) nach einer guten Stunde umstellte. Der Titelverteidiger verteidigte fortan hinten wieder mit seiner gewohnten Viererkette und ging vorne früher ins Pressing, wodurch Atletico Stück für Stück die Kontrolle über den Ball verlor.

Flick sah speziell in der Schlussphase dann "mehr Dynamik im Angriff". Für die sorgte auch der ebenfalls von der Bank gekommene Thomas Müller, der fünf Minuten vor Ablauf der regulären Spielzeit einen Elfmeter herausholte und diesen zum 1:1-Endstand verwandelte.

Bayerns Trainer wollte die Auswechslungen von Sarr (40 Prozent Zweikampfquote) und Arrey-Mbi (0 Prozent Zweikampfquote) jedoch nicht als Bestrafung verstanden wissen. Dem einen fehle es nach seinem verletzungsbedingten Ausfall nun einmal an Rhythmus, und der andere sei schließlich erst 17 - und eigentlich gelernter Innenverteidiger.

Abgesehen davon habe Atletico bis auf den Corona-bedingt abwesenden Luis Suarez "ja auch mit der vollen Kapelle gespielt", erinnerte Flick und bilanzierte: "Wir haben es gut gemacht, gerade die jungen Spieler."

Bayern-Talent Musiala überzeugt auch in ungewohnter Rolle

Damit meinte Flick in erster Linie Jamal Musiala. Der ebenfalls erst 17-Jährige, im Sommer 2019 gemeinsam mit Arrey-Mbi von den Kaderplanern Hasan Salihamidzic und Marco Neppe vom FC Chelsea weggelockt, habe "gezeigt, was er imstande ist zu leisten". Konkreter ausgedrückt: "Er hat eine enorme Qualität und Ruhe am Ball, ist im Eins-gegen-Eins nur schwer zu stoppen."

Dabei agierte Musiala gegen Atletico gar nicht auf seiner angestammten Position im offensiven Mittelfeld, sondern als eine Art defensiver Achter, um Zweikampfexperte Javi Martinez beim Stopfen von Löchern zu unterstützen.

Ein Experiment, das Flick zuvor so auch noch nicht mit dem englischen U21-Nationalspieler vorgenommen hatte. Umso glücklicher war er über die Umsetzung. Sein Fazit: "Jamal muss natürlich körperlich noch etwas zulegen. Was rein fußballerisch zu sehen ist, damit kann der FC Bayern aber sehr zufrieden sein."

Der Shootingstar, der seit Saisonbeginn fest mit den Profis trainiert, könnte in den ereignisreichen nächsten Wochen (fünf Spiele bis Weihnachten) noch häufiger von Beginn an gebraucht werden. Er ist im Mittelfeld vielseitig einsetzbar, kann auch die offensiven Außenbahnen bekleiden. Dort stehen Flick mit Kingsley Coman, Serge Gnabry, Leroy Sane und Douglas Costa zwar vier Spieler der Kategorie Spitzenklasse zur Verfügung, gerade vor Costa braucht sich Musiala aber nicht zu verstecken.

FC Bayern München: Der Rest-Spielplan im Jahr 2020

DatumUhrzeitWettbewerbGegnerOrt
05.12.202018.30 UhrBundesligaRB LeipzigHeim
09.12.202021.00 UhrChampions LeagueLokomotive MoskauAuswärts
12.12.202018.30 UhrBundesligaUnion BerlinAuswärts
16.12.202020.30 UhrBundesligaVfL WolfsburgHeim
19.12.202018.30 UhrBundesligaBayer LeverkusenAuswärts

Bayern-Neuzugänge bleiben noch hinter ihren Erwartungen

Der noch nicht wirklich angekommene Rückkehrer fiel auch gegen Atletico mit vielen unglücklichen Offensivaktionen auf, vor allem seine Flanken segelten meist ins Niemandsland. Übrigens blieb auch der andere Flügel-Neuzugang, Sane, für seine Verhältnisse sehr blass. Sinnbildlich für seine Leistung stand sein verunglückter Schuss aus aussichtsreicher Position in den Madrider Nachthimmel nach 14 Minuten.

Flick sah beim deutschen Nationalspieler aber speziell gegen den Ball eine Leistungssteigerung gegenüber den vergangenen Partien. "Leroy hat sich oft nach hinten abgesetzt, defensiv mitgeholfen", sagte er.

Flick war nach dieser besseren Trainingseinheit einfach nicht nach Kritik. Auch dann nicht, als ihn ein Journalist bei der Pressekonferenz auf den unauffälligsten Neuzugang des Abends ansprach: Eric Maxim Choupo-Moting.

"Ein schwieriges Spiel" sei es für den von Atleticos Defensive um Jose Gimenez ordentlich in die Mangel genommenen Lewandowski-Vertreter (lediglich 31 Ballaktionen) gewesen. "Aber er hat immer wieder versucht, den Ball zu behaupten. Das hat er gut gemacht", sagte Flick.

Choupo-Moting selbst sprach nach dem Spiel davon, er und seine Kollegen hätten sich "ins Spiel gebissen" und "nie den Glauben verloren". Noch so eine wichtige Erkenntnis für Flick. Seine Bayern sind weiter hungrig. Und, was ihre Spieltaktik angeht, in Zukunft vielleicht noch variabler. Erst recht, wenn anders als am Dienstagabend in der spanischen Hauptstadt auch mal wieder die volle Kapelle am Start ist.

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