Barcas Champions-League-Aus gegen PSG: War das Lionel Messis Abgesang?

Von Stefan Petri
Lionel Messi könnte sein letztes Champions-League-Spiel im Trikot des FC Barcelona bestritten haben.
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Der FC Barcelona ist nach einem mageren 1:1 im Rückspiel gegen PSG schon im Champions-League-Achtelfinale ausgeschieden. Könnte es sich dabei um den letzten Auftritt von Lionel Messi für Barca in der Königsklasse gehandelt haben? Denn auch wenn es bei den Katalanen zuletzt wieder aufwärts ging: Für Messi selbst könnte das nicht genug sein.

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Man sollte freilich nicht davon ausgehen, dass der so nüchtern auftretende englische Referee Anthony Taylor in seiner Spielleitung Platz für derlei Sentimentalitäten eingeplant hatte. Aber es passte irgendwie ins Bild, dass er das Spiel am Mittwochabend genau in der Sekunde abpfiff, als klar war, dass ein letzter Pass Lionel Messis in die Spitze sein Ziel nicht erreichen würde. Leandro Paredes lenkte den Chipball per Kopf zum Mitspieler und Taylor beendete die Partie, dabei war die Nachspielzeit technisch gesehen noch gar nicht vollständig abgelaufen.

Sollte dieser Fehlpass die letzte Aktion Messis im Champions-League-Trikot des glorreichen FC Barcelona gewesen sein? Wobei, eigentlich war der Ball ja auf dem Weg zu seinem eigentlichen Ziel unterwegs, als er geblockt wurde. So wie Keylor Navas Messis strammen Elfmeter zum Ende der ersten Halbzeit mehr geblockt denn gehalten hatte, oder Marquinhos den Versuch des Argentiniers in der 61. Minute in letzter Sekunde per eingesprungener Grätsche blockte, als der auf 2:1 hätte stellen und dem Duell ein letztes Mal wirklich Spannung verleihen können.

Man sieht, in der Nachlese eines solchen Spiels von womöglich monumentaler Tragweite - Messis letztes CL-Spiel für Barca!? - lassen sich Zusammenhänge konstruieren, die es eigentlich gar nicht gibt. Fest steht eigentlich nur eines: Ein PSG auf absoluter Sparflamme hat Messi und Barca die Tür zum Viertelfinale zugeschlagen, irgendwie abgeklärt aber gleichzeitig glücklich, und ganz sicher nicht auf eine Art und Weise, die an der Favoritenstellung der Bayerns und ManCitys für den weiteren Turnierverlauf irgendwie rüttelt.

Die Frage ist: Wenn sich irgendwo eine Tür schließt, geht dann nicht anderswo eine auf?

Lionel Messis Zukunft: Barca, Manchester City oder PSG?

Die Tür zu Manchester City etwa, oder vielleicht zu PSG selbst. Derartiges könnte ihm Kumpel Angel Di Maria (33), langjähriger Teamkollege in der Albiceleste und seit 2015 in Paris beheimatet, zugeflüstert haben, als er Messi Sekunden nach dem Abpfiff als Erster tröstend in den Arm nahm. Fast schon zärtlich nahm er das Gesicht des sechsmaligen Weltfußballers in beide Hände, redete auf ihn ein, brachte ihn zu einem traurigen Lächeln und dann sogar zum Schmunzeln, bevor die beiden sich erneut umarmten. "Hey, nächste Saison gewinnen wir das Ding zusammen" - so oder so ähnlich?

Lionel Messi lässt sich nach dem Champions-League-Aus von Kumpel Angel Di Maria trösten.
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Lionel Messi lässt sich nach dem Champions-League-Aus von Kumpel Angel Di Maria trösten.

Die Chancen auf einen Verbleib Messis in Barcelona nach 16 extrem erfolgreichen Jahren, sie sind nach dem ersten Achtelfinal-Aus in der Königsklasse seit der Saison 2006/07 zumindest nicht gestiegen. Damals wurde Barca durch den späteren Finalisten FC Liverpool gestoppt (1:2 daheim, 1:0 auswärts), der 19 Jahre alte Messi spielte jeweils durch, blieb aber ohne Treffer. Eine gefühlte Ewigkeit ist das her. Wenn etwas endet, erinnert man sich gerne zurück an den Anfang.

Zwei Champions-League-Tore hatte er zu diesem Zeitpunkt insgesamt erzielt. 118 weitere in 14 Jahren sind seitdem dazugekommen, alle natürlich im Trikot der Blaugrana, dazu drei weitere Champions-League-Trophäen. 2006 hatte er die Königsklasse zum ersten Mal gewonnen, ab dem Viertelfinale jedoch verletzt gefehlt.

Und nun? "Jeder bei Barca kann heute stolz sein, auch der neue Präsident (Joan Laporta, d. Red.). Wir haben unser wahres Gesicht gezeigt", verbreitete Trainer Ronald Koeman nach Abpfiff Zuversicht. Das Glück im Abschluss habe gefehlt, Navas zudem einen Sahnetag erwischt. Reicht das, um Messi zum Bleiben zu bewegen? "Das Team ist auf dem richtigen Weg, das weiß er", betonte Koeman. "Die jungen Spieler werden sich weiter verbessern. Er kann keine Zweifel daran haben, dass diesem Team eine positive Zukunft bevorsteht."

Messi und der FC Barcelona: Viel Potenzial, aber kein Geld

Zweifellos hat Barca mit Pedri (18), Ansu Fati (18), Trincao (21) oder Riqui Puig (21) eine Reihe an hochtalentierten Youngstern in den eigenen Reihen. Die berühmte Talenteschmiede La Masia, sie wirft immer noch reichlich ab, dazu kommen junge Spitzenkräfte wie Frenkie de Jong oder Ousmane Dembele. Gleichzeitig bestätigen Koemans Worte aber auch, was ohnehin kein Geheimnis ist: Barca muss in den kommenden Jahren noch mehr als bisher auf den Nachwuchs setzen, denn hochpreisige Stars als Verstärkung für Messi sind nicht drin. Der Klub ist mes que klamm, die horrenden Schulden in Höhe von 1,17 Milliarden Dollar wird auch Laporta so schnell nicht abtragen können.

Wie sollen so die klaffenden Löcher im Kader gestopft werden? Gegen PSG war einmal mehr allgegenwärtig, dass ein echter Strafraumstürmer fehlt, Luis Suarez lässt grüßen. Zwar brach Ousmane Dembele bei schnellen Angriffen mehrfach durch, bewies dabei aber keinen Torriecher, ganz im Gegenteil. Und wenn sich Paris erst einmal am eigenen Strafraum verrammelt hatte, ließ man Barca gerne in Handball-Manier um das gelobte Land kreiseln, ohne Angst vor hohen Flanken oder gut getimten flachen Hereingaben, schließlich fehlte der entsprechende Abnehmer.

Wie es um die Abwehr bestellt ist, war derweil im Hinspiel deutlich zu erkennen, und auch diesmal machten Clement Lenglet und Oscar Mingueza keine gute Figur - auf Samuel Umtiti hatte Koeman komplett verzichtet. Allen Supertalenten und der zuletzt deutlich ansteigenden Form zum Trotz: Dieses Barca ist ein extrem wackliges Gebilde, das vor allem von Messi zusammengehalten wird.

Bleibt Lionel Messi beim FC Barcelona?

Reicht das, um den einst so abwanderungswilligen Floh zum Umdenken zu bewegen? Vielleicht in Kombination mit einer erfolgreichen Aufholjagd in LaLiga und dem Double aus Meisterschaft und Copa del Rey? Sportlich gesehen ist das höchst fraglich, wenn Messi in seinen letzten Jahren auf höchstem Niveau noch einmal die Champions League gewinnen will. Natürlich könnte auch das aktuelle Team, angetrieben vom vielleicht besten Spieler aller Zeiten, weit kommen, wenn alles passt. Der Trend der letzten Jahre fällt jedoch alles andere als erfolgsversprechend aus.

Lionel Messis Champions-League-Bilanz mit dem FC Barcelona

SaisonEinsätzeSpielminutenToreErfolg
2004/05190-Achtelfinale
2005/0663221Sieg
2006/0753851Achtelfinale
2007/0897266Halbfinale
2008/09129279Sieg
2009/10119868Halbfinale
2010/11131.04812Sieg
2011/121199014Halbfinale
2012/13118218Halbfinale
2013/1476308Viertelfinale
2014/15131.14610Sieg
2015/1676306Viertelfinale
2016/17981011Viertelfinale
2017/18107836Viertelfinale
2018/191083712Halbfinale
2019/2086613Viertelfinale
2020/2165405Achtelfinale

Es gäbe trotz dieser nackten Zahlen natürlich gute Gründe für Messi, Barca nicht zu verlassen. Die Familie und das geschaffene Umfeld der letzten Jahre, der neue Präsident und die damit einhergehende Aufbruchsstimmung, sein Vermächtnis als Barca-Legende und "Ein-Klub-Spieler". Vielleicht auch Cristiano Ronaldo als warnendes Beispiel.

Sollte er seine langfristige Zukunft in Katalonien sehen, müsste er aber zumindest den Gedanken zulassen, dass ein erfolgreicher Umbruch des Teams ohne große finanzielle Mittel für ihn zu spät käme, schließlich könnte dieser Jahre in Anspruch nehmen. Mittelfristig wäre es dann Messis Aufgabe, seinen Herzensklub aus einer erfolgreichen Ära in die nächste zu steuern und die kommenden Xavis und Iniestas anzuleiten, die dann - im besten Fall - seinen Platz einnehmen.

Schließlich wird auch ein Lionel Messi nicht jünger. Und man ertappte sich am Mittwochabend bei dem Gedanken, aller genialen Momente zum Trotz, dass der Messi von einst bei der Gelegenheit in der 61. Minute schneller reagiert hätte, als er am Fünfmeterraum völlig frei bedient wurde. Oder den Elfmeter nicht halbhoch und halbplatziert nach dem Motto "Augen zu und durch" geschossen hätte. Messi hatte es selbst auf dem Fuß, dem Spiel eine andere Wendung zu geben. Er scheiterte.

Denn auch ein Lionel Messi braucht mal Hilfe, und mit bald 34 werden diese Momente nicht seltener werden. Und so wird man in Barcelona, Manchester und Paris gespannt darauf warten, wie sich der Superstar entscheidet: Jagt er noch einmal dem ganz großen Erfolg nach, an der Seite von Ex-Trainer Pep Guardiola oder Weltfußballer in spe Kylian Mbappe? Oder zementiert er sein Denkmal vor dem Camp Nou mit einem letzten Hurra? Dann wird es wahrscheinlich bei vier Champions-League-Titeln bleiben.

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