FC Bayern München - Wie "super Hansi" seine Mannschaft überzeugt: System größer Spieler

Nicht-Stürmer und Zauberer funktionieren im System Flick: Thomas Müller (l.) und Thiago.
© getty

Nach zwei Niederlagen in der Bundesliga rotierte Trainer Hansi Flick gegen (ein ersatzgeschwächtes) Tottenham Hotspur gewaltig - und wurde dafür mit einem 3:1-Sieg belohnt. Die Spieler des FC Bayern München stellten sich danach erneut hinter ihren Trainer. Überschattet wurde der Sieg lediglich von der neuerlichen Verletzung von Kingsley Coman.

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Kapitän Manuel Neuer erwähnte sie, Sportdirektor Hasan Salihamidzic ebenfalls und auch Joshua Kimmich. Natürlich, es ging um die sogenannte "Art und Weise". Neuer: "Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis und der Art und Weise." Salihamidzic: "Ich bin zufrieden mit der Art und Weise, wie wir gespielt haben." Kimmich: "Die Art und Weise, wie wir spielen, spricht für den Trainer."

Nachdem Hansi Flick Anfang November den Trainerposten von Niko Kovac (unter dem weder die Ergebnisse noch die Art und Weise passten) übernommen hatte, passte zunächst beides. Vier Siege, 16:0 Tore und guter Fußball. Die Art und Weise, die passte auch weiterhin, - aber auf einmal die Ergebnisse nicht mehr. Zwei Niederlagen, 2:4 Tore.

Und dann kam eben dieses abschließende Champions-League-Gruppenspiel gegen Tottenham Hotspur. Eigentlich völlig unbedeutend, der FC Bayern stand schon davor als Gruppensieger fest. Aber andererseits auch sehr bedeutend, denn es galt die Frage zu beantworten, ob Flick den Ergebniskrisenanflug moderieren kann. Ob er die Art und Weise beibehalten und gleichzeitig ein zufriedenstellendes Ergebnis liefern kann.

Nun weiß man: Ja, er kann. Alle betonten, dass die Art und Weise passte, außerdem gewann der FC Bayern mit 3:1 und beendete somit als erster deutscher Verein der Geschichte eine Champions-League-Gruppenphase verlustpunktfrei.

Hansi Flick änderte seine Startelf auf fünf Positionen

Um das zu schaffen, wählte Flick eine überraschende Aufstellung. Im Vergleich zur 1:2-Niederlage bei Bundesliga-Tabellenführer Borussia Mönchengladbach änderte er seine Startelf auf fünf Positionen. Er vertraute in der Innenverteidigung auf das Oldie-Duo Javi Martinez und Jerome Boateng. Er vertraute im Mittelfeld auf das Zauberer-Duo Thiago und Philippe Coutinho und er vertraute im Sturm (nacheinander) auf das Nicht-Stürmer-Duo Ivan Perisic und Thomas Müller.

Keiner dieser Spieler machte ein absolut überragendes Spiel, keiner wurde danach als großer Taktik-Kniff von Flick gefeiert. Aber alle machten sie ein mindestens ordentliches Spiel in einem seit Flicks Amtsübernahme ganz unabhängig von den Ergebnissen funktionierenden System. Und genau das war die entscheidende Botschaft dieses Spiels.

Kimmich, der ohnehin zu guten Analysen neigt, analysierte diesen Umstand ganz hervorragend: "Wichtig ist, dass man das System nicht immer einzelnen Spielern anpassen muss, sondern dass es ein klares System gibt, in dem jeder Spieler seine Aufgaben zu erfüllen hat. Wenn jeder weiß, was zu tun ist, ist es auch möglich zu tauschen." Was er damit sagen wollte: Unter Flick ist das System größer als der Spieler und dieser Ansatz funktioniert.

Flick über das Tor von Coutinho: "Das freut mich total"

Und damit zu den Spielern im System. Das Oldie-Duo in der Innenverteidigung hatte zwar bei dem einen oder anderen schnellen Konter von Tottenham Geschwindigkeits-Defizite und Boateng patzte vor dem zwischenzeitlichen 1:1. Aber wirklich ins Wanken geriet es gegen ein ersatzgeschwächtes Tottenham ohne Harry Kane und Dele Alli nicht. Es schob mit der restlichen Mannschaft hoch auf und versuchte somit, den Gegner weit vom eigenen Tor wegzuhalten.

Die womöglich positivste Überraschung war das Zauberer-Duo im Mittelfeld. Thiago, dem zuletzt Abwanderungsgedanken nachgesagt wurden, zauberte nicht nur, sondern kämpfte auch. Gleich 67 Prozent seiner Zweikämpfe gewann er. Und Coutinho zauberte endlich mal und mit zunehmender Spieldauer immer mehr. Ein Tänzchen hier, ein Tänzchen dort. Kurz vor der Halbzeit jagte er einen Freistoß an die Latte, in der zweiten Hälfte gab er sechs weitere Schüsse ab - wovon einer zum 3:1 im Tor landete. "Das freut mich total", sagte Flick und Salihamidzic lobte: "Wie wir besonders im Mittelfeld kreativen Fußball gespielt haben, war richtig gut."

Ivan Perisic und Thomas Müller: Die Nicht-Stürmer im Sturm

Und dann war da noch das Nicht-Stürmer-Duo im Sturm, dass sich in Abwesenheit des geschonten einzigen wirklichen Stürmers Robert Lewandowski probieren durfte. Es begann Ivan Perisic, der meist dann am gefährlichsten wurde, wenn er auf den Flügel auswich. Wie in der 12. Minute, als er mit einer Flanke eine (letztlich doppelt vergebene) Doppelchance von Benjamin Pavard und Thiago vorbereitete. Perisics Amtszeit in der Spitze beendete Flick, als sich der Torschütze zum 1:0 Kingsley Coman Mitte der ersten Halbzeit am linken Knie verletzte und ausgewechselt werden musste.

Für Coman kam Müller, der als Nicht-Stürmer in den Sturm rückte und Perisic auf dessen angestammte linke Seite verdrängte. Kurz vor der Pause machte Müller dann das 2:1, indem er einen Pfostenschuss von Alphonso Davies gedankenschnell aus kurzer Distanz ins Tor beförderte. Es waren diese Situationen, in denen der Ball bei den vergangenen beiden Spielen trotz spielerisch stimmiger Art und Weise reihenweise daneben gingen. Als die Chancenverwertung das große Problem war.

"Wir haben uns in diesen zwei Spielen sicher 20 Großchancen herausgespielt und nicht verwertet. Deswegen war es gut, dass wir heute drei Tore gemacht haben", sagte Salihamidzic. Es waren auch Tore für Flick, mit dem die Spieler gerne zusammenarbeiten und das auch gerne weiterhin tun wollen.

Thiago über Flick: "Hansi ist super"

"Ich denke, dass wir in allen Spielen unter Hansi Flick gut gespielt haben", lobte Neuer, völlig unabhängig von den Ergebnissen. "Seine Kommunikation ist super, seine Philosophie passt zu uns. Deshalb sind wir alle positiv, was die Trainerposition betrifft." Thiago ergänzte: "Hansi ist super, ein super Typ, sehr nett und auch ein unglaublicher Trainer. Alle Spieler sind glücklich mit ihm."

Aktuell hat Flick eine Jobgarantie bis zur Winterpause. Bei den drei abschließenden Bundesligaspielen gegen Werder Bremen, beim SC Freiburg und gegen den VfL Wolfsburg gilt es, den Sieben-Punkte-Rückstand auf Gladbach zu verkürzen. Danach wird eine Entscheidung für die Rückrunde getroffen.

"Ich schließe nicht aus, dass wir bis zum Sommer mit ihm weitermachen", sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge bereits vor dem Spiel gegen Tottenham. Denn: "Die Spielqualität ist absolut zufriedenstellend." Diesmal aber nicht nur - sondern auch das Ergebnis.

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