FC Liverpool nach dem Aus in der Champions League: Jetzt könnte es ganz komisch werden

Nach einem 0:1 im Hinspiel scheiterte der FC Liverpool im Rückspiel mit 2:3 n.V. an Atletico Madrid.
© getty

Nach dem Aus im FA Cup ist der FC Liverpool auch in der Champions League gescheitert. Es bleibt der Premier-League-Titel, doch bei der offiziellen Erfüllung und entsprechenden Zelebrierung der größten Sehnsucht des Klubs könnte der Mannschaft von Jürgen Klopp das Coronavirus dazwischenkommen. Vom komischen Ausklang einer überragenden Saison.

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Irgendwann war diese Niederlage wohl einfach nötig, um die Dimensionen von Liverpools europäischem Siegeszug unter Jürgen Klopp erst richtig zu begreifen. Seit Klopp im Oktober 2015 das Traineramt übernommen hat, spielte seine Mannschaft bei jeder einzelnen Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb bis zum Abpfiff des letzten Spiels mit. Bei jeder.

2016 scheiterte sie im Europa-League-Endspiel 1:3 am FC Sevilla, 2018 setzte es nach einjähriger Pause wegen Nichtqualifikation ein 1:3 im Champions-League-Endspiel gegen Real Madrid, ehe im vergangenen Jahr mit dem 2:0-Sieg gegen Tottenham Hotspur die Krönung erfolgte. Begünstigt wurde der Siegeszug vom einen oder anderen Wunder: Dortmund 2016, Barcelona 2019. Die Macht von Anfield, wo Liverpool bis zum 2:3 n.V. gegen Atletico Madrid am Mittwochabend 42-mal in Folge ohne Niederlage geblieben war.

Um die Chance auf die vierte Finalteilnahme bei der vierten Teilnahme aufrechtzuerhalten, wäre im Rückspiel gegen Atletico trotz der 0:1-Niederlage aus dem Hinspiel nicht einmal ein Wunder nötig gewesen. Es hätte nur eine normale Chancenverwertung sowie einen eigenen Keeper (oder wahlweise auch einen gegnerischen Keeper) in Normalform gebraucht.

Liverpool stellte vereinsinternen Torschuss-Rekord auf

"Zweieinhalb Jahre lang folgte eine Party auf die nächste Party auf die nächste Party und heute war auch eine Party", sagte Klopp danach. "Die Stimmung war außergewöhnlich und alles hat super funktioniert. Wir haben hart gekämpft, gut gespielt und wunderschöne Tore erzielt." Georginio Wijnaldum und Roberto Firmino brachten Liverpool zwischenzeitlich 2:0 in Führung.

Liverpool hatte 71 Prozent Ballbesitz, verzeichnete die besseren Zweikampf- und Passquoten als Atletico. Liverpool schnürte Atletico teilweise in deren Strafraum ein, erspielte sich Chance um Chance, scheiterte auf der Jagd nach einer frühzeitigen Entscheidung aber wahlweise an der eigenen Ungenauigkeit oder dem überragenden Atletico-Keeper Jan Oblak. 34-mal schloss die Mannschaft ab und damit öfter als in jedem anderen Champions-League-Spiel seit Beginn der detaillierten Datenerfassung (2003/04).

Für Atletico waren es im Umkehrschluss die meisten zugelassenen Torschüsse in diesem Zeitraum. Lange machte die Mannschaft von Trainer Diego Simeone nichts anderes, als wahlweise tief oder sehr tief zu stehen und wahlweise mit zwei engmaschigen Viererketten von links nach rechts oder von rechts nach links zu verschieben. Zwischendurch hoffte sie ein bisschen, dass das irgendwie reicht, was es letztlich auch tat. "Wir wollten sie so viel wie möglich frustrieren", erklärte Atleticos englischer Verteidiger Kieran Trippier Simeones Plan, der tadellos funktioniert.

Erst als Firmino in der 94. Minute das 2:0 geschossen hatte, musste Atletico seine Ausrichtung zwangsläufig ändern - und glich wie auf Ansage durch den eingewechselten Marcos Llorente innerhalb von neun Minuten aus. Damit schoss der 25-Jährige in diesem Zeitraum nur unweigerlich weniger Tore (2) als in seiner Profikarriere bis dahin zusammengerechnet (3). Behilflich war ihm dabei der patzende Liverpool-Keeper Adrian, der den an der Hüfte verletzten Alisson Becker ersetzte.

Jürgen Klopp: "Es fühlt sich nicht richtig an"

"Ich verstehe nicht, dass sie mit ihrer Qualität so Fußball spielen. Sie könnten richtigen Fußball spielen, doch sie stellen sich nur hinten rein und kontern", klagte ein maximal frustrierter Klopp. "Ich bin ein unterdurchschnittlicher Verlierer. Aber wenn ich alles aussprechen würde, was mir durch den Kopf geht, würde ich aussehen wie der schlechteste Verlierer der Welt. Es fühlt sich heute Abend nicht richtig an."

Und dieser Abend könnte erst der Anfang eines lange anhaltenden nicht richtigen Gefühls zum Ausklang einer eigentlich überragenden Saison sein. Nach dem League-Cup-Aus mit einer Nachwuchstruppe gegen Aston Villa im Herbst scheiterte Liverpool vergangene Woche im FA Cup am FC Chelsea und nun auch im dritten Pokalwettbewerb.

Liverpools Sorgen wegen des Coronavirus'

Es bleibt die Premier League, ohnehin die größte Sehnsucht des Klubs. Seit 30 Jahren hat Liverpool diesen Wettbewerb nicht mehr gewonnen und dass sich das ändert, ist bei 25 Punkten Vorsprung und neun ausstehenden Spielen theoretisch nur eine Frage der Zeit. Sollte "Verfolger" Manchester City (mit einem Spiel in der Hinterhand) am Samstag gegen den FC Burnley verlieren und Liverpool das Derby am Montag gegen den FC Everton gewinnen, wäre der Titel sicher - sofern die Spiele denn stattfinden.

Denn auch in England kommt das Coronavirus mit zunehmender Wucht an und könnte wie andernorts in Europa für flächendeckende Spiel- oder Wettbewerbsabsagen genauso sorgen wie für Geisterspiele oder Veranstaltungsbeschränkungen. Im schlimmsten Fall droht Liverpool vor Fixierung des Titels wie in anderen europäischen Ländern geschehen eine Aussetzung oder Absage der Meisterschaft. Doch auch sofern alles regulär stattfindet, könnten Spieler und Fans wohl kaum so feiern, wie sie es ob der Erfüllung dieser riesigen Sehnsucht gerne machen würden. Ein komisches Gefühl ist unweigerlich vorprogrammiert.

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