Der Fußballgott testet jede Art des Champions-League-Scheiterns an Pep Guardiola

Pep Guardiola scheiterte zum achten Mal in Folge vorzeitig in der Champions League.
© getty

Zum siebten Mal hintereinander flog Trainer Pep Guardiola vorzeitig aus der Champions League - diesmal im Viertelfinale mit Manchester City gegen Tottenham Hotspur. Das Zustandekommen des Scheiterns ist stets unterschiedlich, die Gründe dafür dagegen ähnlich. Guardiolas Jagd nach seinem dritten CL-Titel wird immer verzweifelter.

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Erst raste und sprang und jubelte Pep Guardiola durch seine Coaching Zone, wie er vielleicht noch nie durch eine Coaching Zone raste und sprang und jubelte. Und hey: Guardiola raste und sprang und jubelte schon durch verdammt viele Coaching Zonen! Raheem Sterling hatte in der dritten Minute der Nachspielzeit das 5:3 geschossen, das Manchester City zum Weiterkommen gereicht hätte.

Dann aber das: VAR! Offside! No Goal! Guardiola sank auf die Knie und schlug seine Hände über dem Kopf zusammen. Innerhalb weniger Sekunden war er ausgeschieden, ins Champions-League-Halbfinale eingezogen und dann doch wieder ausgeschieden.

Man sah da also einen gebrochenen Menschen hocken und als dieser gebrochene Mensch wenig später auf dem Podium des Pressekonferenzraums Platz nahm, warf er seine Stirn in Falten, wie nur er eine Stirn in Falten werfen kann. Und sagte: "Ja, es ist brutal, es ist grausam." Schon wieder musste Guardiola ein vorzeitiges Scheitern in der Champions League erklären.

Guardiola und die Arten des Champions-League-Scheiterns

"Der Fußballgott hat sich heute gegen uns entschieden", sagte City-Kapitän Vincent Kompany, was natürlich eine glatte Lüge war. Er hat sich bereits vor sieben Jahren, im Frühling 2012, dem Jahr nach Guardiolas zweitem Champions-League-Sieg mit dem FC Barcelona, gegen den Trainer und seine jeweiligen Mannschaften entschieden. Warum auch immer, aber seitdem erprobt dieser Fußballgott mit einer beeindruckend beharrlichen Bösartigkeit alle bisher erfundenen Arten des Champions-League-Scheiterns an Guardiola.

Gleich zu Beginn, noch mit dem FC Barcelona gegen den FC Chelsea, war es das Scheitern trotz totaler Dominanz. Dann legte Guardiola sein Sabbatical ein und hoffte, dass ihn der Fußballgott in dieser Zeit aus den Augen verlieren würde. Tat er nicht! Mit seinem neuen Verein, dem FC Bayern München, gab es zunächst zweimal ein krachend-deutliches Scheitern, erst gegen Real Madrid, dann gegen den FC Barcelona. Es folgte ein von nervenzerberstendem Zeitspiel geprägt knappes Scheitern gegen Atletico Madrid.

Guardiola entschloss sich, nach England zu Manchester City weiterzuziehen. Vielleicht findet ihn der Fußballgott auf dieser Insel im Norden Europas ja nicht? Doch er fand ihn. Zunächst setzte es ein traditionelles Sensations-Scheitern gegen den absoluten Außenseiter AS Monaco. Dann wurde Guardiola gegen den FC Liverpool an die Gefühle nach einem krachend-deutlichen Scheitern erinnert. Ehe er in dieser Saison, der ersten mit VAR-Einsatz, gegen Tottenham auch das allermodernste Champions-League-Scheitern erlebte: das VAR-Scheitern.

City gegen Tottenham: Historische Anfangsphase und VAR

Und das kam so: Das 0:1 aus dem Hinspiel hatte City durch einen Treffer von Sterling bereits nach vier Minuten egalisiert. Dann aber erzielte Heung-Min Son einen Doppelpack für Tottenham, ehe Bernardo Silva und abermals Sterling die Partie erneut drehten. In den ersten nur 21 Minuten war all das passiert, nie zuvor fielen so früh in einem Champions-League-Spiel fünf Treffer.

Dieser Umstand war die erste Niederlage für Guardiola, der die Kontrolle und Vorhersehbarkeit auf dem Platz bekanntlich so innig liebt. Kontrolliert und vorhersehbar war an diesem Abend im Etihad Stadium aber rein nichts, schon gar nicht von Guardiola. Nach der Pause machte Sergio Agüero das 4:2, erstmals lag City im Gesamtergebnis dieses Duells in Führung. City kombinierte gut und schön und hatte auch Chancen auf weitere Tore. Das Torschussverhältnis betrug am Ende 20:11 für City. Doch dazwischen: VAR!

Der eingewechselte Tottenham-Stürmer Fernando Llorente beförderte eine Ecke von Kieran Trippier mit ein bisschen Arm aber viel mehr Hüfte ins Tor. Er jubelte, er bangte als Schiedsrichter Cüneyt Cakir den VAR konsultierte und er jubelte erneut, als der Treffer bestätigt wurde. Cakir traf wohl die richtige Entscheidung, genau wie 20 Minuten später auch. Sterling jubelte ebenfalls, bangte ebenfalls, erfuhr dann aber: kein Tor. Vorlagengeber Agüero war knapp im Abseits gestanden. Was er von den beiden VAR-Entscheidungen hielt, wurde Kompany gefragt, doch er schaute nur leer und sagte: "Ich weiß es nicht."

Guardiola und die wiederkehrenden Defensivprobleme

Dass der bereits 33-jährige Kompany (zuvor erst 115 Champions-League-Minuten in dieser Saison) überhaupt spielen durfte, war durchaus überraschend und letztlich wohl nicht die beste Entscheidung Guardiolas.

Während die Innenverteidiger-Rivalen John Stones und Nicolas Otamendi nur auf der Bank saßen, machten Kompany und sein Nebenmann Aymeric Laporte die entscheidenden Fehler. Vor dem 1:1 passte Laporte den Ball perfekt zu seinem Gegenspieler Son, vor dem 1:2 verlor er den Ball im Aufbauspiel und vor dem 3:4 segelte Kompany unter der Trippier-Ecke auf Llorente hindurch.

So unterschiedlich das Zustandekommen des siebenmaligen Scheiterns Guardiolas jeweils war, so wiederkehrend sind die Defensivprobleme. 30 Gegentreffer kassierten Guardiolas Mannschaften in ihren 14 entscheidenden K.o.-Spielen in der Champions League seit 2012. Mehr als zwei pro Spiel.

Guardiolas verzweifelte Jagd

Mit jedem weiteren Scheitern Guardiolas schwenkt die öffentliche Meinung mehr von Pech Richtung Unvermögen um und mittlerweile tut das sogar schon die interne Meinung. Seine Spieler, die Guardiola überall und stets fast schon sektenartig vergötterten, beginnen zu hinterfragen. "Wir versuchen, das Besondere zu machen, dabei ist weniger manchmal mehr", sagte Ilkay Gündogan bereits nach dem Hinspiel. Soll heißen: Guardiola verkompliziere die Dinge. "Ich stimme ihm nicht zu, absolut nicht", antwortete der Angeklagte.

"Was fehlt uns?", fragte Benjamin Mendy nach dem Aus gegen Tottenham und antwortete sich sicherheitshalber selbst: "Das Erfolgsrezept! Wir haben es noch nicht gefunden." Für Guardiola, den eigentlichen Experten für Erfolgsrezepte jeglicher Geschmacksrichtung, muss das wie Majestätsbeleidigung geklungen haben. Doch auch er weiß: sein Ruf als Übertrainer bröckelt.

Während er mit seinen stets so dominanten Mannschaften einen nationalen Titel nach dem anderen gewinnt (zehn seit 2011), wird seine Jagd nach dem dritten Champions-League-Gewinn von Jahr zu Jahr verzweifelter. "Ich muss gewinnen", hatte Guardiola vor dem Spiel erklärt. "Der Vorstandschef hat gesagt, ich müsse dreimal hintereinander die Champions League gewinnen."

Warum das wieder nicht klappte, weiß nur der beharrlich bösartige Fußballgott - Guardiolas Mannschaft hätte das Weiterkommen schließlich verdient gehabt.

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