Sebastian Kehl vom BVB im Interview: "Einige Spieler sind untergetaucht"

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© getty

Borussia Dortmund hat nach einer schwachen Halbzeit gegen die Tottenham Hotspur wohl die Chancen auf den Einzug ins Viertelfinale der Champions League verspielt. Der BVB unterlag im Wembley-Stadion mit 0:3 (0:0). Nach der Partie stand BVB-Lizenzspielleiter Sebastian Kehl den anwesenden Medienvertretern in der Mixed Zone Rede und Antwort.

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Im Interview spricht Kehl über fehlende Stabilisatoren beim BVB und den damit einhergehenden Substanzverlust für die Mannschaft. Er kritisiert die Leistungen von Achraf Hakimi und Christian Pulisic und spricht über die Chancen für das Rückspiel in Dortmund.

Frage: Herr Kehl, der BVB hat 0:3 bei Tottenham verloren. Wie fällt Ihr Fazit der Partie aus?

Sebastian Kehl: Das war nicht das, was wir uns vorgenommen haben. In der ersten Halbzeit sah es ganz gut aus. Wir standen kompakt und haben wenig zugelassen. Nach dem 0:1 haben wir dann einige unnötige Fehler gemacht, die uns die Ausgangssituation fürs Rückspiel deutlich erschwert haben. Deswegen ist die Enttäuschung heute schon sehr groß.

Frage: Gerade im zweiten Abschnitt war ein Größenunterschied in Sachen Physis zu den Spurs zu beobachten. Besonders, wenn man an das Zweikampfverhalten von Mario Götze vor dem 0:2 oder das Gegentor zum 0:3 denkt.

Kehl: Wenn man das dritte Gegentor sieht, dann stellen wir uns da nicht berauschend an, das ist richtig. Ob es aber an der Physis lag, weiß ich nicht. Mario hat eben eine gewisse Körpergröße, das ist nun einmal so. Das war aber nicht das grundsätzliche Problem.

Frage: Gegentor Nummer eins fiel nach einem Fehler von Achraf Hakimi, der den Ball einfach hätte wegschlagen müssen. Muss man künftig weniger Risiko im Aufbauspiel gehen oder die Spielweise etwas anpassen?

Kehl: Im Nachgang kann man das vielleicht so formulieren und sagen, man schießt den Ball einfach weg. Das ist aber hypothetisch. Wir sind eine fußballerisch starke Mannschaft und können jetzt nicht beginnen, Kick and Rush zu spielen.

Frage: Wie bewerten Sie die Leistung von Hakimi?

Kehl: Er hat sicherlich nicht seinen besten Tag erwischt. Es war aber nicht sein alleiniges Verschulden, das wir hier 0:3 verlieren. Wir haben individuelle Fehler gemacht und uns beim Verteidigen teilweise nicht clever und abgebrüht genug angestellt.

Frage: Wie muss man nun mit der Mannschaft umgehen?

Kehl: Wir müssen es erst einmal sacken lassen und dann analysieren. Es ist das dritte Spiel in Folge, in dem wir drei Gegentore kassieren. Wir müssen einfach diese Fehler abstellen, weil sie auf diesem Niveau rigoros bestraft werden. Wir haben jetzt ein paar Tage Zeit bis zum nächsten Bundesligaspiel am Montag in Nürnberg. Dort versuchen wir, wieder in die Spur zurück zu finden, die uns die ganzen letzten Wochen und Monate ausgezeichnet hat. Heute ist aber erst einmal Enttäuschung in der Mannschaft zu spüren, was ganz normal ist. Trotzdem lassen wir uns nicht von unserem Weg abbringen.

Frage: Beim BVB haben eine Vielzahl an Spielern wegen Verletzungen gefehlt. Wie schwer wiegt vor allem der Ausfall von Marco Reus?

Kehl: Ich weiß jetzt nicht, ob er alleine das 0:3 verhindert hätte. Natürlich hätten wir ihn gerne dabei gehabt und natürlich ist er wichtig. Wir mussten leider den einen oder anderen positionsbezogenen Wechsel vornehmen. Dan-Axel Zagadou war dann auch irgendwann müde, was nach einer solch langen Verletzungszeit verständlich ist - und dann mussten wir wieder wechseln. Es fehlen aktuell auf einigen Positionen die Stabilisatoren und Abläufe. Reus, Lukasz Piszczek, Manuel Akanji - das sind alles Spieler, die uns fehlen. Das soll keine Ausrede sein, weil wir besser spielen können als das, was wir heute in der zweiten Halbzeit gezeigt haben. Es ist aber auch irgendwann ein Substanzverlust.

Frage: Aber erklärt das, dass man das Fußballspielen so gut wie eingestellt hat in Halbzeit zwei?

Kehl: Nicht unbedingt. Das ist sicherlich ein Vorwurf, den wir uns gefallen lassen müssen. In der zweiten Halbzeit haben wir es nicht mehr gut gemacht. Einige Spieler sind auch untergetaucht. Wir haben kaum noch fußballerische Elemente gehabt und wenige Torchancen herausgespielt. Wir haben uns so ein bisschen ergeben. Man muss hier nicht 0:3 verlieren.

Frage: Wie kann es sein, dass das Gegentor zum 0:1 die Mannschaft dermaßen aus der Bahn geworfen hat?

Kehl: Tja, ich kann das auch nicht so ganz erklären. Nach dem 0:1 muss man den Kopf oben behalten, weil das ein Ergebnis ist, bei dem man es im Rückspiel noch besser machen kann. Uns sind aber Fehler unterlaufen, die auf diesem Level einfach nicht passieren dürfen.

Frage: Christian Pulisic hat mal wieder von Beginn an gespielt, präsentiert sich aber seit Wochen formschwach. Wie sehen Sie seine aktuelle Situation?

Kehl: Die letzten Wochen sind nicht so leicht an ihm vorübergegangen. Er muss sich da rausarbeiten, das ist eine Herausforderung für ihn. Er ist ein sehr junger Spieler und lernt gerade, mit diesen Dingen umzugehen. Er bekommt von uns zwar jegliche Unterstützung, aber auf dem Platz muss er für sich selbst dann Wege finden - und dort ist er gerade nicht an seinem Leistungslimit.

Frage: Denken Sie, dass nach den jüngsten Ergebnissen, der BVB ist seit vier Pflichtspielen ohne Sieg, der Faden doch etwas nachhaltiger gerissen ist?

Kehl: Daran glaube ich nicht. Natürlich haben wir nun mit Rückschlägen zu kämpfen und die tun erst einmal weh. Das ist heute ein Abend, an dem wir ein bisschen knabbern werden. Wir werden uns aber wieder berappeln, weil wir in dieser Saison schon so viel Positives erlebt haben. Ich bin voller Hoffnung, dass wir wieder zurück in die Spur finden.

Frage: Welche Hoffnungen haben Sie dagegen noch für das Rückspiel am 5. März in Dortmund?

Kehl: In Dortmund kann das eine oder andere Wunder passieren, das haben wir schon häufiger erlebt. Wir sind zu Hause auch in der Lage, eine Vielzahl an Toren zu schießen. Hoffnung habe ich immer, weil ich weiß, was in unserer Mannschaft steckt. Ich glaube auf jeden Fall daran, dass wir das eine oder andere Tor erzielen können. Wir müssen aber aufpassen, dass wir nicht in unnötige Konter laufen oder solche Gegentore kassieren, wie wir es heute getan haben. Tottenham wird sicherlich stark auf Konter spielen und auf ihre Robustheit bei Standardsituationen setzen. Das macht sie extrem gefährlich. Wir müssen uns ziemlich strecken. Es wird auf jeden Fall eine herausfordernde Aufgabe.

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