"Auswärtsspiel" - die SPOX-Kolumne: Wir müssen dankbar sein, Neymar zu haben

Von Fatih Demireli
Neymar trifft mit PSG auf den FC Bayern.
© imago images

Partys, divenhafte Auftritte, unzählige Schwalben und Theatralik. Wenn man an Neymar Jr. denkt, spricht man kaum noch über den Fußballer. Dabei hat es einen Grund, warum der Brasilianer von Paris Saint-Germain, der am Dienstagabend mit PSG auf den FC Bayern trifft (21 Uhr im LIVETICKER), immer noch der teuerste Kicker des Planeten ist.

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Nein, einen Kontoauszug hat Neymar auf Social Media noch nicht veröffentlicht. Man würde es ihm aber zutrauen, dass er bald die letzten Transaktionen auf seinem Girokonto zeigt. Lässt der Brasilianer doch relativ häufig und relativ nachhaltig die Menschen an seinem Privatleben teilhaben. Neymar Jr. nimmt man es ab, dass seine Social-Media-Aktivitäten nicht zu 100 Prozent von Content-Profis produziert werden, ist da doch zu häufig ein privates Fettnäpfchen dabei.

Da passt es ins Bild, als am Wochenende während des 4:1 der Pariser im Spiel der Ligue 1 gegen Racing Straßburg in der Insta-Story von neymarjr neben dem Livestream der Partie das Profilbild einer Nina auftauchte. Nina ist 28 und bevorzugt als Profilfoto in ihren sozialen Kanälen ihr Gesäß und nicht ihr Gesicht. Und Nina wohnt einen Kilometer entfernt von neymarjr. Das weiß man, weil neymarjr das Straßburg-Spiel über einen illegalen Stream verfolgte.

Neymarjr, so nennt sich Neymar Jr. bei Instagram. Ob der Screenshot wirklich von Neymars Account stammt, ist nicht ganz gesichert. Dass man dem Kicker aber den kurzen Ausflug in die Piraterie zutraut, sagt eigentlich alles. Und da Neymar Jr, also der echte, immer noch keinen Kontoauszug geteilt hat, muss man den Informationen aus dem Internet eigentlich das Vertrauen schenken.

Dort wird geschrieben, dass der Brasilianer allein 2020 über 90 Millionen Euro durch Gehalt und Werbeeinnahmen verdiente. Knapp 93 Millionen sollen es laut Forbes 2019 gewesen sein. 76 im Jahr 2018. Zumindest so viel, dass sich Neymar eigentlich ein Abo für Live-Fußball leisten könnte. Doch das ist Neymar. Man lacht kurz darüber, aber dann wundert es einen auch nicht weiter, dass es ausgerechnet der Superstar von Paris Saint-Germain ist, der sich offenbar zu gemütlich ist, ein Abo abzuschließen und stattdessen im Internet nach einem illegalen Livestream sucht.

Böse Zungen würden dann auch sagen, dass er sich im Betrügen ja schon ganz gut auskennt. Nicht nur bei Steuererklärungen, wenn es um seine Werbeeinnahmen geht, sondern auch auf dem Platz.

Neymar: Fallsucht als roter Faden

So beliebt wie sich Neymar durch seine tollen Tore und Tricks gemacht hat, so unbeliebt ist er inzwischen für seinen Hang, mit einer Brise Theatralik große Schmerzen zu simulieren, die er nach Allerweltsfouls vermeintlich verspürt. Sucht man im Internet nach Neymar und Diver, dem internationalen Fachausdruck für Schwalbenkönige, findet man eine sehr schicke Uhr aus Fernost, aber auch eben viele Videos, wie sich Neymar fallen lässt, als wäre er nicht von einem Blitz, sondern von einem Tornado getroffen worden.

Gerade in Mitteleuropa hat sich Neymar damit nicht nur Freunde gemacht. Für manch einen TV-Kommentator ist es geradezu der rote Faden der gesamten Übertragung, sich über Neymar aufzuregen. Das ist genauso übertrieben wie die Versuche aus Neymars Heimat, dessen notorische Fallsucht damit zu begründen, dass sich der Filigrantechniker vor Verletzungen schützen will.

Und dennoch darf die Frage gestattet sein, ob man gerade in Deutschland nicht zu plakativ mit Neymar umgeht und den Brasilianer auf seine zugegeben nervigen Fallübungen reduziert? Wird es ihm gerecht, ihn nur aus einer Perspektive, nämlich vom hohen Ross des edlen Saubermanns, zu betrachten? Der 29 Jahre alte Neymar hat inzwischen 258 Tore und 160 Torvorlagen in 426 Profi-Spielen produziert. Er wurde in drei verschiedenen Wettwerben Torschützenkönig und seine Titelsammlung kann sich durchaus sehen lassen. Dass er mit 222 Millionen Euro der teuerste Transfer der Geschichte ist, sollte man inzwischen auch schon mitbekommen haben.

Auch wenn sicherlich die Sinnhaftigkeit einer solchen Summe und die Authentizität der Geldgeber in Frage gestellt werden dürfen, steht die Tatsache, dass es eben Neymar ist, der diese Dimensionen erreicht hat. Glaubt man seinem Umfeld, war Real Madrid bereit, sogar noch mehr auszugeben, um ihn nach Spanien zurückzuholen.

Dass der FC Barcelona seit zwei Jahren die Taschenrechner zum Glühen bringt, um einen Weg zu finden, Neymar zurückzuholen, ist verbrieft. Doch warum? Weil er so schön fallen kann? Weil er so schön weint? Warum ist das den größten Klubs dieser Welt egal, dass Neymar so ein Image hat? Die Antwort findet man auf dem Platz. Neymar ist viel zu gut, um ihn auf seine Fallsucht zu reduzieren. Und die Stärken liegen nicht nur darin, tolle Übersteiger zu machen und mit tollen Schlenzern wunderschöne Tore zu schießen.

Neymar, PSG
© getty

Neymar: Jahre unter Tuchel und Pochettino tun ihm gut

Angefangen hat es schon in Barcelona, doch Neymar hat in Paris zur taktischen Reife gefunden. Die Jahre unter Thomas Tuchel und nun auch unter Mauricio Pochettino tun ihm gut. Es ist nicht zufällig, dass ihn der Argentinier zuletzt immer wieder für seine Defensivarbeit gelobt hat. Dass PSG das Hinspiel beim FC Bayern mit 3:2 gewonnen hat, war auch sicherlich mit Glück verbunden, weil die Münchener zu viele Chancen liegen gelassen haben, aber auch eben mit Neymar und Kylian Mbappe.

Letzterer sagte nach dem Spiel im französischen TV: "Der Trainer wollte, dass ich mit Neymar die Passwege auf Kimmich schließe." Gesagt, getan. Gerade Neymar bewegte sich auffällig oft in Kimmichs Nähe, stellte zu, wenn der Bayern-Sechser schnell den Richtungswechsel einleiten wollte.

Als Nummer 10 im Pariser 4-2-3-1, das ohne Ballbesitz zum 4-4-1-1 mutierte, leistete Neymar viel uneigennützige Arbeit im Mittefeld.

Als in der zweiten Hälfte Paris die Linien komplett zurückzog, zog Neymar artig mit, um aber dann überfallartig Konter zu fahren, wenn die Chancen da waren. Dann blitze auch Neymars große Klasse in der Offensive auf und er glänzte als Vorbereiter für Mbappe. Während all das passierte, gab es im deutschen Live-Fernsehen vielmehr über Neymars Verhaltensweisen zu hören, als über seine taktische Disziplin.

Dass es so ist, hat sich Neymar sicherlich selbst zuzuschreiben. Er arbeitet seit jeher auf dieses Image hin und wahrscheinlich lässt sich das auch nie wieder reparieren. Und dennoch wäre es nur gerecht, zu erkennen, dass Neymar weitmehr ist als eine Diva auf dem Platz. So sieht es auch sein Trainer Pochettino: "Er ist kein Provokateur. Neymar liebt den Fußball."

Es hat eine große Aussagekraft, dass sich der Argentinier so äußert, gilt er als Trainer, der seinen Technikern zwar durchaus Räume lässt, aber auch als Disziplinfanatiker gilt. Wie auch vorher schon Tuchel, der mit Neymar irgendwann sogar so gut konnte, dass er auf einer seiner Partys mit einer roten Lederhose aufgetaucht sein soll. Das wäre doch auch mal ein schönes Profilfoto für Nina, 28.

Ligue 1: Die aktuelle Tabelle

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.OSC Lille3253:193469
2.Paris Saint-Germain3271:234866
3.AS Monaco3267:382965
4.Olympique Lyon3263:313264
5.RC Lens3251:44752
6.Olympique Marseille3243:39449
7.Stade Rennes3240:35548
8.HSC Montpellier3252:53-146
9.OGC Nizza3241:42-143
10.FC Metz3236:38-242
11.SCO Angers3234:47-1341
12.Stade Reims3238:38040
13.AS St. Étienne3236:47-1139
14.Racing Straßburg3241:50-936
15.Girondins Bordeaux3235:45-1036
16.Stade Brest3244:55-1136
17.FC Lorient3238:58-2032
18.Olympique Nîmes3231:59-2830
19.FC Nantes3232:49-1728
20.FCO Dijon3220:56-3615
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