Alternative Liste der Champions League - 5. Spieltag: Hater hassen diesen Trick!

Von David Kreisl
Sieht man nicht so häufig: Lucien Favre auf 80.
© getty

Lucien Favre sucht nach der Wahrheit, in Gladbach liegt die Hoffnung auf vorweihnachtlichen Nüssen und in Istanbul braucht's ein Sauerstoffzelt. Dazu: Wir gewähren einen intimen Blick hinter die Kulissen der Traumfabrik Fußballjournalismus und verlosen einen tollen Preis. Immer am Rand des Abgrunds: Die Alternative Liste des 5. Spieltags.

Cookie-Einstellungen

1. Auskatern in Kiew: Viel frische Luft, kalt duschen, ein bisschen Bewegung - alles Sachen, die bei einem selbstinduzierten Brummschädel helfen sollen. Auch Real Madrid reiste nach der Ligapleite gegen Alaves mit einem ordentlichen Kater zum Auswärtskick gegen Nemesis Schachtjor Donezk und bekam im romantischen Schneeregen von Kiew eigentlich das volle Entkaterungsprogramm - mit überschaubarem Erfolg. Man kann Real zwar auch rückblickend nicht vorwerfen, das Zentrum nicht gut dichtgemacht zu haben, trotzdem schossen Manor Solomon und Dentinho (Philipp Paternina: "Klingt wie ein brasilianischer Zahnarzt") die wenig Königlichen vor dem letzten Spieltag gefährlich nahe an den Rand des Abgrunds, aus dem in diesem Fall schon leise die grausigen Anfangstöne der Europa-League-Hymne zu vernehmen sind. Übrigens: Der Zahnarzt machte in seiner ganzen Karriere nur ein weiteres Champions-League-Tor. Vor fünf Jahren. Gegen Real. Crazy! Damals in Westeros hätte man Kingslayer gesagt. Und Real-Coach Zinedine Zidane? Der muss vielleicht bald eine unangenehme Frage stellen ...

2. Liste-Leser wissen mehr: Wir sind ja für unsere investigative Arbeit bekannt und wollen hiermit auch einmal die Geschichten hinter den Menschen beleuchten, die jede Woche eine Qualitätsoffensive nach der anderen für euch starten. Wie ist das so, wenn der Fußball zum Beruf wird? Wir haben mal bei einem Kollegen aus der Liveticker-Abteilung nachgefragt. Das komplette Interview, nur hier.

18.55 Uhr, Krasnodar gegen Rennes, am Ende ein auch in der Höhe verdientes 1:0. Wie ist es, von so einer Partie zu berichten?

Livescouter: Das ist doch pure Provokation jetzt.

Keineswegs! Was sagst Du zur Partie?

Livescouter: Ein unfassbarer Scheiß.

Champions League schauen und darüber berichten - für viele klingt das nach einem Traumjob.

Livescouter: Das ist ein Ticker nach dem Motto: Wer das liest, ist doof. Und muss mental angeschlagen sein.

Vielen Dank für Deine Zeit!

Livescouter: Wehe, mein Name taucht da in deiner komischen Liste auf!

3. Nüsse raus: Wer nachtragend ist, hat viel zu schleppen. Das ist so ein fetziger Spruch, den der deepe Pinterest-User gerne mal über ein Bild mit Meer drauf legt, zumindest hat das eine Google-Bildersuche von SPOX und Goal ergeben. In Mönchengladbach ist man trotz dieser tiefgründigen Warnung gerne nachtragend, und zwar so fest, dass man in der Nacht vor dem Spiel gegen Inter um 4 Uhr morgens Pyrotechnik und Feuerwerk in beachtlichen Mengen vor das Mannschaftshotel der Mailänder schleppt und dann alles ordnungsgemäß niederbrennt. "Ricordati Inter, things go better with Coke", auf nur eine Sprache runtergebrochen "Erinnert Euch Inter, mit Cola laufen die Dinge besser" stand in Anlehnung an den legendären Dosenwurf von 1971 auf einem ebenso zum Tatort geschleppten Transparent. 1971! Inter erinnerte sich und die Gladbacher ein paar Stunden später lieber daran, dass sie einen ganz soliden Stürmer namens Romelu Lukaku haben (für den es im Sky-Studio von Benni Höwedes den Ritterschlag gab: einer wie Asamoah!), weshalb es trotz teils "übergeiler Fußbehandlung" (Erik Meijer über Lars Stindl) eine Niederlage setzte. Gruppe B bleibt also bis zum Ende erstaunlich geisteskrank. Aber: Gladbach reicht am letzten Spieltag ein Punkt gegen Real fürs Achtelfinale. Der Plan diesbezüglich, Christoph Kramer? "Jetzt holen wir nochmal unsere Nüsse raus und fahren nach Madrid."

4. Kontakt suchen: Dass die Nüsse überhaupt nochmal rausmüssen, liegt auch an Referee Danny Makkelie und dessen Bande, die erst vor Inters Zwoeins lässig ein Foul wegignorierten und dann den Gladbachern kurz vor Schluss noch das 3:3 wegpfiffen. Klar reguläres Tor, befand Kramer nach Ansicht der TV-Bilder. Und: "Wenn das Ding auf der anderen Seite fällt, bin ich der erste, der reklamiert". Okay, Dr. Jekyll, dann wäre das ja auch geklärt. Auch Marco Roses Zwiegespräch mit dem Referee nach Schlusspfiff änderte logischerweise nix mehr an der Niederlage, bescherte uns aber immerhin diese Post-Match-Interview-Perle:

"Sie haben nach dem Spiel nochmal den Kontakt zum Schiedsrichter gesucht, was haben Sie ihm gesagt?"

"Ich hab' frohe Weihnachten gewünscht."

"So sah's aber nicht aus."

"Ich habe noch in den Emotionen des Spiels frohe Weihnachten gewünscht."

5. Gewinnspiel: Was war Euer schönster Alternative-Liste-Champions-League-Moment des 5. Spieltags™? Neymars Klötenkitzler gegen Scott McTominay und dessen Revanche per Ankle-Breaker? Die Vorstellung, wie Toni Kroos nach Antoine Griezmanns Jubeltanz wutentbrannt einen Dackel durch die Bude schmeißt? Oder jedes Mal, wenn Joao Felix am Ball war, dessen Namen wie Jögi Löw auszusprechen [scho au *schlürf* feeeligsch]?

Schickt uns euren Moment des Spieltags per Fax oder verratet ihn uns in den Kommentaren und gewinnt diesen fast intakten Fußball mit den Unterschriften des gesamten AL-Teams!

gewinnspiel-alternative-liste
© spox

6. Seriösen Schatten werfen: Für mehr Drama als eine mexikanische Telenovela sorgte der FC Porto, wenngleich erst nach dem eigentlich harmlosen 0:0 gegen Manchester City, das beiden Teams zum Weiterkommen reichte und sein einziges Highlight in Ruben Dias' Fehlschuss des Jahres hatte. Doch im Nachgang wurde es persönlich - in einem Newsletter des Vereins an seine Fans. "Portos Erfolg im schwierigsten Fußballwettbewerb der Welt ist bei Weitem nichts Neues, kann aber nicht kleingeredet oder trivialisiert werden", heißt es da mit einem durchaus nordkoreanischen Unterton, ehe der Gegner aus England verbal so richtig filetiert wurde. Coach Sergio Conceicao richtete beispielsweise in Richtung Pep Guardiola aus: "Ich wäre auch verärgert, wenn ich mit diesem Team und diesem Budget, das er hat, nicht gewinnen könnte." Oookay. Die Citizens sollten lieber froh sein, schon wieder mit dem Schiri Glück gehabt zu haben. Rot hätte es zum Beispiel für Fernandinho geben müssen, "der trotz seiner 35 Jahre ein klares Beispiel dafür ist, dass im Fußball Geld viel zählt, aber keine Klasse oder Ahnung kaufen kann". Auch der "international für seine Verurteilung wegen Rassismus bekannte" Bernardo Silva und die mit "Verachtung" über Porto berichtende Hauptstadtpresse aus Lissabon wurden noch abgewatscht. Jesus Christus. Ruhe bewahren.

7. Sauerstoffzelt: Mehr als genug hotte Themen servierte uns am Mittwoch Gruppe H (wie hot). Leipzigs Nailbiter in Istanbul beispielsweise, inklusive 4:3-Siegtreffer in der Nachspielzeit. Oder Uniteds dämliche Pleite gegen Paris, inklusive der vorhersehbarsten Gelb-Roten Karte seit dem Pleistozän. Oder Julian Nagelsmann, der mit seinem rustikalen, braunen Mantel und einem hellbeigen Rollkragenpullover darunter wieder auf einem ordentlichen Weg ist. Zum MVP des Gruppenspieltags schwang sich aber ohne Diskussion Basaksehirs Stadionsprecher auf, von dem man nur hoffen kann, dass er das von Wolf Fuss herbeigesehnte Sauerstoffzelt nach der Partie auch wirklich bekommen hat. Dessen ekstatischen Torschreie, unterlegt mit feinstem Techno aus der Dorfdisse, werden uns in der K.o.-Runde definitiv fehlen. Immerhin steht dem guten Mann jetzt unter der Woche einer Zweitkarriere als Feuerwehrsirene im ländlichen Raum nichts im Weg.

8. L'OL: Kein Punkt, kein einziges Tor, vom eigenen Coach als "scheiße" beschimpft - Olympique Marseilles bisherige Saison in der Königsklasse ist eher was für hartgesottene Masochisten. Oder bessergesagt: war! Denn am Dienstagabend kam Olympiakos Piräus, es kam die 55. Minute und es kam: Dimitri Payet. Der schoss den Ball. Ins Tor! Des Gegners! Und weil sich dieses Mirakulum zwanzig Minuten später sogar wiederholte, gab's für OM neben den ersten Toren tatsächlich auch die ersten Punkte oben drauf. Dass beide Tore Elfmeter waren, die erstmal vom Video-Referee ausgebuddelt werden mussten - vollkommen wurscht! Oder, um es mit diesem wortgewaltigen Beitrag von Michael Cuisance zu sagen:

9. Belastungssteuerung mit Favre: Nicht nur Gladbach, auch der BVB wurde ordentlich beschissen. Gut, vielleicht war's generell ein bisschen zu frech von Lucien Favre, Manuel Akanji die Freistöße schießen zu lassen und Nico Schulz einzuwechseln. Sowas provoziert einen Gegner dann doch irgendwo. Trotzdem: Der Elferpfiff vor dem 1:1 war etwas sehr weit an der Realität vorbei, Sergej Milinkovic-Savics Flugbahn erinnerte Favre eher an "Theater" und "Schwimmbad" (Trainer hassen diesen Trick!) und der BVB-Coach kam zu der philosophisch angehauchten Schlussfolgerung: "Es ist nicht die Wahrheit." Im Vorfeld verletzte sich auch noch Erling Haaland in Folge einer durchaus interessanten Belastungssteuerung. Wir erinnern uns: Vergangene Woche sagte Favre: "Ich möchte ihm so spät wie möglich eine Pause gönnen." Als im Vorfeld des Rom-Spiels der Muskelfaserriss des Norwegers bekannt wurde, diagnostizierte Dr. Lucy: "Er hat vielleicht zu viel gespielt."

10. Regelkunde mit Sky: Immerhin konnte der Schweizer den Kollegen von Sky nach Abpfiff noch etwas Nachhilfe in Sachen Regelkunde geben. Der BVB, der zwar nicht das Kontingent seiner fünf Auswechselspieler, dafür das der drei erlaubten Wechselunterbrechungen ausgeschöpft hatte, musste nach Mats Hummels' Blessur die letzten Minuten in Unterzahl weiterspielen. Das nahm schon Kai Dittmann zum Anlass, laut darüber nachzugrübeln, wen man noch so einwechseln könne und warum da eigentlich nichts mehr in diese Richtung passiert. Patrick Wasserzieher sprach Favre im Post-Match-Infight dann direkt darauf an - und bekam die Antwort, dass der BVB ja bereits dreimal "interveniert" hatte. Sichtlich perplex brauchte der Reporter eine Weile, um noch eine weiter Frage aus dem Ärmel zu schütteln. Bei der ging's leider auch um Köln, was der BVB-Coach wiederum zum Anlass nahm, nach einer sehr kurzen Antwort einmal in die Hände zu klatschen und aus dem Interview zu stürmen. Favre auf 80, sieht man auch nicht so oft.

11. Noch in den Emotionen des Spieltags: FROHE WEIHNACHTEN.

Artikel und Videos zum Thema