Marko Marin von Roter Stern Belgrad im Interview: "Ich wollte mir nicht eingestehen, dass ich nicht fit war"

Marko Marin spielt seit Sommer 2018 für Roter Stern Belgrad.
© getty

Am Dienstagabend spielt der FC Bayern München in der Champions League bei Roter Stern Belgrad (21 Uhr im LIVETICKER). Die Serben werden vom ehemaligen deutschen Nationalspieler Marko Marin aufs Feld geführt, der seit Sommer 2018 für Roter Stern spielt und die Kapitänsbinde trägt.

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Im Interview mit SPOX und Goal spricht Marin über eine Rückkehr in die Bundesliga, die Bezeichnung "German Messi", sein verkorkstes Jahr in Florenz und Anderlecht, den fragwürdigen Olympiakos-Präsidenten und seine Zukunftspläne.

Herr Marin, vor dem Hinspiel beim FC Bayern haben Sie gesagt, dass Sie am liebsten bei Ihrem Lieblingsklub Eintracht Frankfurt spielen würden, sollte es für Sie eines Tages eine Rückkehr in die Bundesliga geben. Hat sich zwischenzeitlich schon jemand von der Eintracht gemeldet?

Marko Marin: Nein, das Zitat wurde auch aus dem Kontext gerissen. Nur für den Fall, dass ich zurückkehren sollte, wäre die Eintracht meine Option. Dort bin ich aufgewachsen, war Balljunge und habe auch schon für den Verein gespielt. Die Eintracht spielt seit zwei, drei Jahren guten Fußball und wäre eine gute Adresse. Im Moment ist eine Rückkehr in die Bundesliga aber kein Thema für mich.

Wie nah standen Sie denn in den vergangenen Jahren vor einer Rückkehr nach Deutschland?

Marin: Es gab immer mal Anfragen an meinen Berater, aber ich persönlich habe mit keinem Verantwortlichen aus der Bundesliga gesprochen. Eine Rückkehr war also nie wirklich nah.

Sie sagten einmal, dass teils auch das Vertrauen in Ihren Körper nicht so ausgeprägt war, um einen möglichen Schritt in die Bundesliga auch wirklich durchzuziehen. Wie meinten Sie das damals?

Marin: Das ist jetzt drei oder vier Jahre her. Damals hatte ich konstant Probleme mit Verletzungen und fast ein komplettes Jahr verpasst. Ich bestritt in Florenz und Anderlecht kaum mehr als zehn Spiele in dieser Zeit. Damals gab es konkretere Anfragen aus der Bundesliga, aber das Vertrauen in meinen Körper war eben nicht da. Deshalb habe ich mich dann für den Schritt in die Türkei entscheiden, um Spielpraxis zu sammeln. Im Endeffekt war das super für mich. Von da an ging es nur noch aufwärts.

Ihr letztes Bundesligaspiel liegt über siebeneinhalb Jahre zurück, mit Werder Bremen verloren Sie 1:4 beim VfB Stuttgart. Seitdem wurde in Deutschland beinahe mehr über Ihre Verletzungen und Vereinswechsel berichtet als über Ihre absolvierten Spiele.

Marin: Das sehe ich nicht so. In den letzten zwei, drei Jahren gab es fast ausschließlich positive Berichterstattung über mich. Die Erfolge mit Olympiakos, dass wir letzte Saison den späteren Champions-League-Sieger Liverpool geschlagen haben: Das kam in Deutschland schon an. Auch in der Zeit davor war es ja nicht so verkehrt. Ich habe zweimal die Europa League gewonnen und dabei auch regelmäßig gespielt. Ich habe mich damals für den Schritt weg aus der Bundesliga entschieden und bin damit auch zufrieden.

Liest man Artikel über Sie, fehlt in keinem die Bezeichnung "German Messi", die Sie von der englischen Presse nach Ihrem Wechsel zum FC Chelsea im Jahr 2012 erhielten. Auch wenn es einst ein großes Lob war - geht Ihnen das nicht auf die Nerven?

Marin: Man kann das ja nicht ändern. Was soll ich machen? Ich kann es niemandem verbieten und ehrlich gesagt habe ich damit auch kein Problem. Ich sehe mich überhaupt nicht so, das geht ja gar nicht. So einen Vergleich kann niemand ernst meinen. Messi ist mit vielleicht drei oder vier Spielern zusammen der beste Spieler aller Zeiten. Aktuell gibt es gar keinen Spieler, der sich mit ihm vergleichen kann.

Chelsea verlieh Sie zunächst zum FC Sevilla. Nach einer Saison in Andalusien folgte die nächste Leihe zum AC Florenz, die jedoch nach der Hinrunde abgebrochen wurde. So liefen Sie in derselben Saison noch für den RSC Anderlecht auf - und kamen auch verletzungsbedingt nur auf zwölf Pflichtspiele in dieser Spielzeit. Wie schwer war dieses Jahr für Sie?

Marin: Das war psychisch wirklich sehr belastend. Man geht mit Ambitionen in die Saison, will Titel holen und Tore schießen - und dann wird man daran gehindert, überhaupt zu spielen. Ich hatte davor schon zwei Jahre lang Probleme mit Verletzungen. Die kamen von meinen Rückenbeschwerden, wie sich herausstellen sollte. Da habe ich mir dann schon Gedanken gemacht. Noch schlimmer war es für meine Frau, denn dass meine Stimmung natürlich nicht so positiv war, als ich von einer Therapie zur nächsten gerannt bin, ist ja klar. Mit ihrem Rückhalt und ihrer Liebe haben wir das aber hinbekommen.

Welche Befürchtungen hatten Sie damals, was Ihre weitere Karriere angeht?

Marin: Das war tagesabhängig. Mal war ich positiv, am nächsten Tag spürt man aber wieder etwas und ist geknickt. Ich bin zwar nicht depressiv geworden, das auf keinen Fall, aber dachte schon ab und zu: Wird das nochmal was mit dem Fußball? Auch wenn Fußball nicht alles ist, liebe ich diesen Sport. Deshalb kommt man schon ins Grübeln, wenn du nicht weißt, ob du noch einmal auf dein altes Niveau kommst. Ich habe ab und zu schon gesagt: 'Jetzt hab' ich keinen Bock mehr.' Wirklich ernst gemeint war das aber nie, dazu war die Liebe zum Fußball immer zu stark.

Wie wichtig für Ihren weiteren Karriereverlauf war der damalige Anderlecht-Trainer Besnik Hasi?

Marin: Sehr wichtig. Er war auch der Grund für den Wechsel zu Anderlecht. In Florenz hatte ich nur vier Spiele in der Europa League gemacht. Ich wollte zwar unbedingt mehr spielen, aber mir nicht eingestehen, dass ich nicht fit war. Mir fehlte die Geduld. Besnik Hasi hat mich dann nach Anderlecht geholt. Ich hatte von Anfang an ein super Verhältnis zu ihm.

Er soll Ihnen einen wichtigen Rat gegeben haben.

Marin: Genau. Ich habe mich damals im Pokalfinale verletzt. Danach standen noch die Playoffs um die Meisterschaft an. Er meinte: 'Wenn du zurückkommst, spielst du bei mir sofort. Ich glaube aber, es wäre besser, wenn du in den letzten Spielen kein Risiko mehr eingehst. Danach kommt die Sommerpause und du kannst schmerzfrei in die Vorbereitung gehen. Das ist wichtiger für dich.' Damit hat er mir sehr geholfen. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich wieder zu früh angefangen und einen erneuten Rückschlag erleidet hätte ...

Sie sprachen das Thema Geduld an. Inwiefern hat Ihnen die denn als junger Spieler gefehlt? Mussten Sie das erst lernen?

Marin: Irgendwie schon. Man hört das gerade von älteren Spielern immer wieder und denkt sich in jungen Jahren nichts dabei. Aber jetzt, nach drei Vierteln der eigenen Karriere, sieht das anders aus. Die erfahrenen Spieler damals hatten Recht: Geduld ist wichtig. Manchmal wäre es besser gewesen, ich wäre geduldiger gewesen - gerade nach meinen Verletzungen.

Seit der abermaligen Leihe zu Trabzonspor im Sommer 2015 sind Sie wieder zurück in der Spur und vor allem weitestgehend verletzungsfrei. Sie waren damals in 29 Pflichtspielen an sieben Toren beteiligt und spielten regelmäßig. Doch Trabzon geriet in eine Krise und suspendierte Sie wegen angeblich schlechter Leistungen. Mussten damals einfach Sündenböcke gefunden werden?

Marin: Jeder wusste von Anfang an, dass das nicht stimmt. Doch es ist leider so passiert. Ich wurde am Ende super verabschiedet, auch heute lieben mich die Menschen aus Trabzon noch sehr. Ich wusste vor meinem Wechsel ehrlich gesagt nicht viel über diesen Klub. Wie extrem jedoch die Menschen aus Trabzon ihren Klub lieben, das ist der absolute Wahnsinn und wirklich kaum zu glauben.

Letztlich brachte diese Saison die Wende für Sie. 2016 schlossen Sie sich Olympiakos Piräus an - nicht per Leihe, sondern Chelsea hatte Sie verkauft. Die Saison 2016/17 beendeten Sie mit vier Toren in 14 Einsätzen und gewannen die griechische Meisterschaft. Im April 2018 kam es dann zum Eklat: Klubchef Evangelos Marinakis beurlaubte die gesamte Mannschaft aus Wut über schwache Leistungen. War das die typische Geschichte, die passieren muss, wenn man in Griechenland Profifußball spielt?

Marin: Der Präsident war eine durchaus fragwürdige Person. Es gab einige schwer zu verstehende Geschichten, die nicht nur mich, sondern auch andere Spieler betrafen. Das hatte mit Fußball nicht viel zu tun. Mehr möchte ich dazu jetzt nicht mehr sagen. Am Ende hat es sich so ergeben, dass ich die Chance zum Wechsel nach Belgrad hatte. Das kam zum perfekten Zeitpunkt.

Mit Roter Stern wurden Sie im Vorjahr Meister und zum besten Spieler der Liga gewählt. Sie sind dort Kapitän, Ihr Vertrag läuft bis 2021. Hätten Sie sich damals in Anderlecht träumen lassen, dass Sie noch einmal so wichtig für eine Mannschaft werden?

Marin: Erträumt: ja. Dass das damals aber nicht hochgradig realistisch war, ist mir auch klar. Ich hatte schon an Selbstvertrauen verloren. Nach und nach, besonders ab der Zeit in Trabzon, erkannte ich im Training aber Fortschritte bei mir. So wuchs der Glaube daran, dass ich es schaffen kann, noch einmal zurückzukommen und einer Mannschaft wirklich zu helfen.

Wie sehr steckt in Ihnen die Hoffnung, nun einen Klub gefunden zu haben, bei dem Sie mehrere Jahre am Stück spielen werden?

Marin: Ich bin ja noch jung. (lacht) Ein paar Jahre auf einem guten Niveau sind schon noch drin. Ich fühle mich hier gut aufgehoben. Die beiden letzten Jahre waren für Roter Stern auch die erfolgreichsten seit dem Triumph im Landesmeisterpokal 1991. Für den Klub ist es wichtig, auch weiterhin international zu spielen. Daher wollen wir uns zumindest als Dritter in der Gruppenphase noch für die Europa League qualifizieren.

Marko Marin: Seine Leistungsdaten in Pflichtspielen

Verein

Pflichtspiele

Tore

Assists

Borussia Mönchengladbach (2007-2009)

72

12

28

Werder Bremen (2009-2012)

116

13

35

FC Chelsea (2012-2016)

16

1

1

FC Sevilla (Leihe, 2013-2014)

30

2

7

AC Florenz (Leihe, 2014-2015)

4

2

0

RSC Anderlecht (Leihe, 2015)

8

0

0

Trabzonspor (Leihe, 2015-2016)

29

2

5

Olympiakos Piräus (2016-2018)

59

12

10

Roter Stern Belgrad (seit 2018)

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