Ein Ex-Kanonier schießt scharf gegen Tottenham: Die glorreiche London-Rückkehr des Serge Gnabry

Von Dennis Melzer
Serge Gnabry traf vier Mal gegen Tottenham Hotspur.
© getty

Serge Gnabry erzielt gegen Tottenham vier Tore in einer Halbzeit. Ausgerechnet in der ehemaligen Heimat, ausgerechnet gegen den Erzrivalen der alten Liebe.

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Normalerweise gestaltet sich die Szenerie nach einem Spiel des FC Bayern München wie folgt: Die üblichen Verdächtigen namens Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Niklas Süle oder Thomas Müller stellen sich mal mehr, mal weniger bereitwillig den Fragen der Journalisten in der Mixed Zone, im Anschluss kommt Sportdirektor Hasan Salihamidzic vorbei und gibt seine Einschätzung zu allen möglichen Themen ab. Zum Spiel beispielsweise, aber auch zu etlichen Nebenkriegsschauplätzen, die es beim deutschen Rekordmeister traditionell gibt.

Serge Gnabry sitzt zu diesem Zeitpunkt üblicherweise bereits im Mannschaftsbus. Zuvor hat er den Reportern freundlich zu verstehen gegeben, dass er lieber seinen Kollegen das Sprechen überlässt. An diesem Dienstagabend im verregneten Norden Londons kam aber selbst der sonst so schweigsame Nationalspieler nicht um ein Statement herum.

Gnabrys furioses Tor-Debüt in der Champions League

Vier Tore hatte er gegen Vorjahresfinalist Tottenham Hotspur in einer Halbzeit erzielt, seine ersten Treffer in der Champions League überhaupt - nur einen Steinwurf entfernt von seiner ehemaligen Heimat. Am Ende stand es 7:2 aus Sicht der Gäste.

"Wir haben eine super Performance abgeliefert. Das war ein super Abend für uns", fasste er das schier Unglaubliche zunächst nüchtern im Gespräch mit DAZN zusammen. Dass es zu diesem super Abend überhaupt kam, hatte der FCB aber hauptsächlich ihm zu verdanken. Dementsprechend wurden die Fragen schnell von der ansprechenden Mannschaftsleistung auf die Darbietung des Protagonisten und dessen Verbundenheit zum FC Arsenal, dem Erzrivalen der Spurs, gelenkt.

"Vielleicht habe ich in der F-Jugend mal vier Tore geschossen", sagte Gnabry und schob nach: "Es ist auf jeden Fall ewig her." Knapp anderthalb Jahre habe er auf seine ersten Treffer in der Königsklasse gewartet. "Aber, dass ich heute gleich vier schieße, das habe ich mir vorher nicht erträumt." Als Andenken durfte der Offensivmann den Spielball behalten. Kein leichtes Unterfangen, wie er später berichtete. "Den Ball habe ich mir gesichert. Er wurde zwischendurch zu den Fans geschossen, aber ich habe ihn wiederbekommen. Dafür vielen Dank."

Serge Gnabry: "Nord-London ist rot"

Dankbar zeigten sich auch zahlreiche Arsenal-Fans, hatte doch einer ihrer Ehemaligen den verhassten Lillywhites beispiellos eingeschenkt. Als Gnabry dann auch noch via Twitter und Instagram ein Jubel-Bild postete und mit der Unterschrift "Nord-London ist rot" versah, überschlugen sich die Gunners-Anhänger vor Liebesbekundungen. North London is RED!!!

"Once a Gunner, forever a Gunner", zu Deutsch "einmal ein Gunner, für immer ein Gunner", war zu lesen. Ebenjene pathetische Weisheit hatte der gebürtige Stuttgarter, der mit 16 Jahren in die englische Metropole gewechselt war, im Vorfeld noch selbst bemüht.

Dass er bei den Arsenal-Profis nie wirklich Fuß fassen konnte - geschenkt. "Die Historie spielt natürlich im Kopf eine gewisse Rolle", gestand er in der Mixed Zone mit Blick auf seine Zeit an der Themse. Er wolle das Ganze aber nicht zu hochhängen: "Man sollte es aber nicht größer machen als es ist. Das Wichtigste heute war, für den FC Bayern München zu spielen und mit einem Sieg nach Hause zu fahren."

Gnabry und die Bayern in der ersten halben Stunde mit Problemen

Dabei hatte lange nichts darauf hingedeutet, dass sich die Partie zu einer der denkwürdigsten in der jüngeren Geschichte der Königsklasse entwickeln sollte. Die Spurs stellten die Bayern in der ersten halben Stunde vor enorme Probleme, kamen immer wieder zu guten Abschlussmöglichkeiten. Die 2:1-Führung zur Pause, die nach Treffern von Joshua Kimmich und Robert Lewandowski zustandegekommen war, mutete mindestens schmeichelhaft an.

Auch Gnabry kam im ersten Durchgang nicht in Tritt, verlor einige Bälle in der Vorwärtsbewegung und holte sich nach einem taktischen Foul an Harry Winks schon in der 25. Minute eine Gelbe Karte ab. Was dann, kurz nach dem Seitenwechsel passierte, rief kollektives Staunen hervor.

Gnabry wurde von Benjamin Pavard freigespielt, sprintete über den halben Platz, vernaschte Toby Alderweireld und schob zielsicher ins rechte untere Eck. Nur wenige Sekunden später steuerte er die nächste Bude mit seinem schwächeren Linken bei, um in der 83. Minute einen bilderbuchartigen Thiago-Pass zu veredeln und weitere fünf Minuten später auch noch den Schlusspunkt zu setzen.

Wie scharf der einstige Kanonier in seiner früheren Wahlheimat schoss, spiegelte sich auch in den Zahlen wider. Fünf Torabschlüsse hatte Gnabry, vier davon landeten hinter dem bemitleidenswerten Hugo Lloris im Netz. Klar, dass sich nach der Partie die Frage stellte, ob es sich bei dem grandiosen Auftritt um das beste Spiel in der Karriere des 24-Jährigen gehandelt habe.

"Das weiß ich nicht. Es war natürlich grandios, ich habe schon einige gute Spiele gemacht. Ich würde sagen, mit vier Toren, war es eines meiner besten." Und das ausgerechnet gegen den ungeliebten Ex-Nachbarn.

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