"Das Stadion hat gebrannt"

5. Dezember 2000 in Highbury: Hasan Salihamidzic im Duell mit Ashley Cole
© getty

Der erste Auftritt des FC Bayern beim FC Arsenal hätte in einem Debakel enden können. Aber das Team von Trainer Ottmar Hitzfeld überstand die Hölle Highbury mit einem 2:2. Hasan Salihamidzic erinnert sich im Interview an die Atmosphäre, die Champions-League-Saison 2001 und die Truppe von damals. Außerdem blickt er auf das anstehende Duell voraus.

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SPOX: Herr Salihamidzic, Sie standen beim ersten Duell des FC Bayern gegen den FC Arsenal am 5. Dezember 2000 90 Minuten auf dem Platz. Das Spiel endete 2:2. Wie sind Ihre Erinnerungen?

Salihamidzic: Es war ein extrem schweres Spiel, Arsenal hat anfangs brutal Druck gemacht und bei uns in der Defensive hat es lichterloh gebrannt. Wir lagen durch ein Tor von Henry schnell 0:1 hinten, nach der Pause hat Kanu das 0:2 geschossen. Das Stadion hat gebrannt.

SPOX: Warum hat die Mannschaft damals so schwer ins Spiel gefunden? Hat Sie das Tempo und die Intensität von Arsenal überrascht?

Salihamidzic: Überrascht nicht, das Tempo kannten wir schon. Wir haben zu der Zeit ja öfter gegen Engländer gespielt, vor allem gegen Manchester United. Wir wussten also was da abgehen wird. Aber Highbury war ein besonderer Ort, ein super Stadion, die Zuschauer saßen 1,30 Meter von der Außenlinie entfernt und da war richtig Feuer drin. Wenn man auswärts in England spielt, herrscht eine hitzige Atmosphäre, da muss man in den ersten Minuten dem Druck standhalten. Das ist uns nicht gelungen. Trotzdem hat es sehr viel Spaß gemacht, dort zu spielen.

SPOX: Highbury war also auch für die erfahrene Bayern-Mannschaft ein Erlebnis?

Salihamidzic: Auf jeden Fall. Es war eine besondere Stimmung. Ich habe später auch noch im neuen Emirates gespielt, das ist auch ein schönes Stadion, das sehr viel Geld gekostet hat, aber einfach anders. Es ist ein modernes Stadion, so wie neue Stadien heutzutage gebaut werden. Das ähnelt sich alles irgendwie. Highbury war ein altes Stadion, das auch bei den Engländern einen außergewöhnlichen Ruf hatte. Mir und den Jungs ist das in Erinnerung geblieben. Highbury gehört für mich zu den Top-5-Stadien, in denen ich gespielt habe.

SPOX: Hat es die Mannschaft auch gestört, dass das Spiel wegen einer Bombendrohung 25 Minuten später angepfiffen wurde?

Salihamidzic: Ich wusste, dass wir so eine Situation mal erlebt haben, aber dass das vor diesem Spiel war, hatte ich nicht mehr im Kopf. Aber jetzt, wo Sie es sagen, erinnere ich mich wieder. Das war ein bisschen schwierig, aber hat uns nicht weiter gestört.

SPOX: Es gibt dieses berühmte Zitat von Mehmet Scholl: "Einmal gegen Arsenal, da hat der Jens Jeremies deren Franzosen Vieira umgetreten - aber übel! -, und als der wieder aufstand, hat der Jerry zu ihm gesagt: 'Siehst du die Mittellinie? Kommst du drüber, macht es aua! Hier drüben aua, da drüben gut!" Erinnern Sie sich an die Szene?

Salihamidzic: (lacht) Jerry ist ein sehr guter Freund von mir, wir waren zufälligerweise gerade zusammen Mittagessen. Er hat schon ein paar lustige Sachen gemacht. Auf dem Platz habe ich das damals aber nicht bekommen.

SPOX: War die Aktion vielleicht trotzdem das Zeichen an die Mannschaft: Jungs, aufwachen! Hier muss es anders zur Sache gehen?

Salihamidzic: Wir hatten damals eine besondere Truppe, da waren richtig gute Typen dabei. Jeder hat auf seine Art und Weise alles für die Mannschaft gegeben, aber sich dabei immer im Bereich des Fairen bewegt. Geschadet hat uns diese Aktion sicher nicht.

SPOX: Es hat ja auch noch für den Ausgleich gereicht.

Salihamidzic: Ja, Tanne hat gleich nach dem 0:2 den Anschluss gemacht und Scholli einen Freistoß versenkt.

SPOX: Wie war die Stimmung nach dem Spiel in der Kabine?

Salihamidzic: Arsenal hatte auch eine super Truppe mit einigen Topstars in seinen Reihen. Wir waren sehr zufrieden mit dem Ergebnis, weil wir uns eine gute Ausgangsposition in der Gruppe verschafft hatten.

SPOX: Die wurde ein paar Wochen später beim 0:3 in Lyon wieder verspielt. Die Rede von Franz Beckenbauer hinterher hat Kultstatus.

Salihamidzic: Das war sicher nicht erfreulich, aber das Erlebnis hat uns zusammengeschweißt und hat uns die Augen geöffnet. Die Mannschaft hatte einen starken Charakter und aus dieser Niederlage auch Kraft gezogen. Für unsere Konzentration und Fokussierung war das Spiel in Lyon hilfreich. Dass es am Ende zum Champions-League-Sieg reichen würde, konnte man im Spiel gegen Lyon natürlich nicht mal erahnen.

SPOX: War der Triumph in Mailand der schönste Moment ihrer Karriere?

Salihamidzic: Klar, das war ein super Abend und insgesamt ein super Jahr. Wir hatten ja ein nicht so schönes Erlebnis zwei Jahre zuvor...

SPOX: ...die Niederlage im Champions-League-Finale 1999 in Barcelona gegen Manchester United.

Salihamidzic: Gleich danach haben wir uns geschworen, dass wir in den nächsten Jahren alles dafür tun werden, um noch einmal ins Finale zu kommen. Wenn wir den Titel 2001 wieder nicht gewonnen hätten, möchte ich nicht wissen, was aus uns geworden wäre. Aber Gott sei Dank haben wir das Ding geholt und das kann uns keiner mehr nehmen.

SPOX: Jetzt kommt es wieder zum Duell Bayern gegen Arsenal. Was erwarten Sie für Achtelfinalspiele?

Salihamidzic: Wenn man Bayern aktuell spielen sieht, kann man sich nicht vorstellen, dass sie jemand schlagen kann. Aber die Champions League ist gefährlich, die Mannschaften haben eine hohe Qualität. Arsenal hat eine gute Truppe und spielt in England um die Meisterschaft. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass Bayern ausscheidet.

SPOX: Kann Bayern in dieser Saison als erste Mannschaft den Champions-League-Titel verteidigen?

Salihamidzic: Auf jeden Fall. Die Mannschaft ist in Top-Form, in der Bundesliga ist zurzeit nur die Frage, ob das Spiel mit vier, fünf oder sechs Toren Unterschied endet. So wie sich die Mannschaft präsentiert, werden die Erfolge schon fast erwartet. Die Leistungen der letzten Saison sind eigentlich keine Normalität, ich weiß, wie schwer es ist, das Double oder das Triple zu gewinnen. Es ist unglaublich, wie hoch die Erwartungen sind. Das kann natürlich auch gefährlich sein, aber die Jungs gehen mit der Erwartungshaltung sehr gut um. Sie schaffen es, sich in jedem Spiel voll zu konzentrieren und motivieren.

SPOX: Was passiert, wenn die Motivation etwas nachlässt, hat Ihr ehemaliger Mitspieler in Wolfsburg Mario Mandzukic erfahren müssen. Er war zum Rückrundenauftakt gegen Gladbach nicht im Kader, weil er das Training schleifen ließ. Hat Sie das überrascht?

Salihamidzic: So kenne ich Mario Mandzukic gar nicht, das hat mich gewundert. Aber wenn ein Spieler anschließend solche Leistungen abliefert, wenn er einmal nicht im Kader war, dann hat der Trainer die richtige Entscheidung getroffen. Mario ist für mich grundsätzlich ein Topstürmer, der immer alles für die Mannschaft gibt, ich mag die Art und Weise wie er spielt und kämpft. Ich kann eigentlich nur Positives über ihn sagen.

Die Bilanz des FC Bayern gegen den FC Arsenal