BVB nach historischer Heim-Niederlage gegen Werder Bremen: Hans-Joachim Watzke hatte Recht

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Borussia Dortmund kassierte gegen den SV Werder Bremen eine historische Heim-Niederlage, in der trotz einer 2:0-Führung über die gesamte Spieldauer klar wurde: Es holpert beim BVB gewaltig - das zeigten selbst die beiden siegreichen Bundesligaspiele zuvor.

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Dass Borussia Dortmund mit drinhängt, wenn irgendetwas Historisches in der Bundesliga passiert, ist fast schon keine Neuigkeit mehr. Beispiele gefällig? Der BVB hat nicht nur die höchste Niederlage (0:12 gegen Gladbach 1978) und das schnellste Gegentor kassiert (nach neun Sekunden gegen Leverkusen 2014), am Samstag kam bei der 2:3-Heimpleite gegen Werder Bremen eine weitere "Bestmarke" hinzu: Die Westfalen sind nun die erste Mannschaft, die sich drei Gegentore ab der 89. Minute gefangen hat.

Bei ESPN hat man sich sogar die Mühe gemacht, die europäische Tragweite dieser Blamage zu verdeutlichen. Demnach ist Dortmund das erste Team in den vergangenen 13 Spielzeiten der Top-5-Ligen Europas, das nach einer Führung mit mehr als einem Tor nach der 89. Minute noch verlor. Die Bilanz der 8529 (!) Partien zuvor: 8511 Mal setzte es für die zurückliegende Mannschaft eine Pleite, 18 Mal spielte sie remis - und nie gewann sie.

"Das ist manchmal rational nicht zu erklären", sagte Coach Edin Terzic und attestierte seiner Elf "eine sehr schwache Leistung" sowie eine Niederlage, die "brutal ärgerlich und brutal dämlich" war. Nicht zum ersten Mal traf Terzic damit den richtigen Ton. Allerdings muss man gleichermaßen festhalten: Nicht zum ersten Mal lieferte der BVB keine überzeugende Vorstellung ab.

"Es könnte holprig werden", sagte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke vor Saisonbeginn angesichts der weniger als drei Wochen, die Terzic die gesamte Mannschaft in der Vorbereitung zur Verfügung stand. Nach drei gespielten Partien ist klar, dass Watzke Recht behielt: Es holpert gewaltig und bedenklich beim BVB. Die beiden Auftritte gegen Leverkusen und Freiburg bescherten den Westfalen zwar die optimale Punkteausbeute, doch sie ließen in spielerischer Hinsicht reichlich Wünsche übrig.

BVB: Warum Salih Özcan ein Nutznießer werden könnte

Es ist eine Vielzahl an Unzulänglichkeiten, die man bei den Borussen bislang beobachten konnte und die in den gesamten 95 Minuten gegen Bremen deutlich zum Vorschein kamen. Besonders im Zentrum des Spiels mangelt es der Truppe an Kontrolle und Zugriff. Das Pressing griff zu selten, in der Defensive fehlte bisweilen die nötige Konsequenz.

In der Hinsicht könnte ein Dortmunder trotz der Pleite zum Nutznießer werden: Salih Özcan saß nach seiner Fußverletzung ein zweites Mal auf der Bank, nach Mahmoud Dahouds Schulterblessur entschied sich Terzic dafür, Emre Can einzuwechseln. Der war allerdings alles andere als ein Stabilitätsfaktor, sondern vielmehr - nicht zum ersten Mal in seiner Dortmunder Zeit - ein Sicherheitsrisiko.

Auch Nebenmann Jude Bellingham sah in den beiden vergangenen Spielen ungewöhnlich alt aus. Allein kann er die Verantwortung im zentralen Mittelfeld noch nicht schultern, der neue dritte Kapitän lief zu oft der Musik hinterher und agierte teils ungewohnt fahrig. Gut möglich daher, dass der aggressive Özcan demnächst erstmals ins Team rutscht.

BVB-Stürmer Anthony Modeste bislang nur mit 35 Ballaktionen

Mit Blick auf das Ballbesitzspiel ist zu bemängeln, dass der BVB kaum Ruhe und Struktur in seine Bemühungen bekommt. In zwei der drei Bundesligapartien lag die Passgenauigkeit bei unter 80 Prozent. Das ist eines Spitzenteams nicht würdig und zugleich fatal, wenn man kurz vor Schluss mit einer 2:0-Führung im Rücken nicht in der Lage ist, den Gegner mittels sicherem Passspiel laufen zu lassen.

So wird es auch schwer, sich bis in die Zone zu kombinieren, von der aus man Anthony Modeste effektiv einsetzen kann. Der Stürmer kam in seinen beiden Begegnungen auf lediglich 35 Ballaktionen, Dortmund am Samstag nur auf sechs Torschüsse vor heimischem Publikum gegen einen Aufsteiger - so wenige wie seit 2008 nicht mehr. In allen drei Partien zeigten sich die Angriffsbemühungen harm- und ideenlos, oft haperte es schlicht an der Entschlossenheit.

Durch die zehnte Niederlage gegen einen Aufsteiger in vergangenen zehn Jahren hat der Neuanfang des BVB einen frühen, nicht unverdienten, aber aufgrund der Art und Weise mächtigen Rückschlag erlitten. Auch wenn noch vieles Stückwerk ist, mit einem dritten Sieg im dritten Spiel hätte man weiteres Selbstvertrauen getankt, um den Lauf zu erweitern und daraus eine gewisse Stärke zu ziehen.

BVB-Blamage zeigt längst bekannte Muster erneut auf

Vielleicht kommt die Ernüchterung aber auch zum richtigen Zeitpunkt - damit nichts kaschiert wird, was neun Punkte aus drei Spielen hätten kaschieren können. Denn gegen Bremen fühlte sich die Partie fast über die gesamte Spieldauer so an, als sei sie noch nicht zugunsten der Dortmunder entschieden. Der Unterschied zur Vorsaison ist höchstens, dass man dort nicht den zweiten Treffer erzielt, aber dennoch genauso verloren hätte.

So zeigte das Spiel am Samstagnachmittag längst bekannte Muster des Teams, die man schnellstmöglich vergessen lassen wollte, erneut auf - in erster Linie die Achtlosigkeit und fehlende Gier. Dass es unter den neuen Voraussetzungen - Trainerteam neu, zahlreiche Zugänge, frisches Blut im Team hinter dem Team - Zeit benötigt, bis die angestoßenen Prozesse Früchte tragen, sollte niemanden überraschen.

"Niemand darf hungriger sein als wir", sagte Terzic kürzlich und kennzeichnete damit das Credo, das die Mannschaft auf dem Platz langfristig ausstrahlen soll. Kurzfristig muss der "neue" BVB aber schleunigst zusehen, dass man ihn nicht zu oft mit dem "alten" BVB verwechselt.

BVB - Spielplan: Die nächsten Spiele

DatumGegnerAustragungsortWettbewerb
Samstag, 27. AugustHertha BSCOlympiastadion, BerlinBundesliga, 4. Spieltag
Freitag, 2. SeptemberTSG 1899 HoffenheimSignal Iduna Park, DortmundBundesliga, 5. Spieltag
Samstag, 10. SeptemberRB LeipzigRed Bull Arena, LeipzigBundesliga, 6. Spieltag
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