FC Bayern München nach dem Patzer gegen Hoffenheim: Tuchel bemüht schon die Extreme

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Mit dem 1:1 gegen die TSG Hoffenheim hat der FC Bayern München einen weiteren Tiefpunkt erreicht. Die Spieler sind ratlos, ein Fehler der sportlichen Führung wird immer offensichtlicher und der neue Trainer experimentiert mit den Extremen der Kommunikations-Klaviatur.

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Obwohl das Spiel zwischen dem FC Bayern München und der TSG Hoffenheim 1:1-Remis ausgegangen ist, gab es einen klaren Sieger und einen klaren Verlierer. Ganz wunderbar zeigte sich das anschließend in der Mixed Zone. Kurz nachdem ein Hoffenheimer Betreuer freudig grinsend eine Kiste Tegernseer-Bier Richtung Gäste-Kabine getragen hatte, schlichen von der anderen Seite betroffene Bayern-Spieler in den Münchner Abend.

Hatte die Mannschaft bei der 0:3-Pleite im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Manchester City am Dienstag immerhin phasenweise gut gespielt, präsentierte sie sich gegen Hoffenheim lethargisch und ideenlos. Offensiv ungefährlich, defensiv anfällig. Ein Auftritt, so grau und regnerisch wie der Himmel über München.

Von Seiten des FC Bayern wollten sich in der Mixed Zone anschließend nur die üblichen Verdächtigen äußern, aber selbst die waren kurz angebunden - ihre Ratlosigkeit über den bedenklichen Auftritt war offensichtlich. Nach der etwas übertriebenen Schönrederei von Manchester wurde diesmal kritisch analysiert.

Im selben Wortlaut sagten Aushilfs-Kapitän Thomas Müller und sein Stellvertreter Joshua Kimmich, dass das Geschehene "schwer zu erklären" sei. Müller zeigte sich "geschockt von unserer eigenen Performance", Kimmich sprach von einer "absolut schlechten Leistung". Abwehrchef Matthijs de Ligt sah immerhin einen positiven Aspekt: "Dass es nicht schlechter sein kann als heute."

Der FC Bayern manövrierte sich in eine verheerende Situation

Nach etlichen Tiefpunkten abseits des Platzes - die Causa Manuel Neuer mit allen Nebengeschichten, Julian Nagelsmanns Pack-Ausraster, die Maulwurf-Affäre, Sadio Manés tätlicher Angriff auf Mitspieler Leroy Sané und so weiter - war dieses 1:1 gegen Hoffenheim ein sportlicher Tiefpunkt der Saison, vielleicht sogar der jüngeren Vergangenheit.

Innerhalb von nur vier Wochen hat sich der FC Bayern in eine absolut verheerende Situation manövriert. Obwohl die Mannschaft unter dem vermeintlichen Langzeitprojekt-Trainer Julian Nagelsmann nicht durchgängig gut und erfolgreich spielte, hatte sie Ende März noch Chancen auf alle drei Titel.

Das reichte der sportlichen Führung um den Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic aber offensichtlich nicht. Also entließen sie Nagelsmann direkt vor der entscheidenden Saisonphase und ersetzten ihn durch Thomas Tuchel. Eine äußerst kostspielige Maßnahme, die sich zumindest kurzfristig keineswegs lohnte. Tuchel gewann bisher nur zwei von fünf Pflichtspielen, einen sogenannten Trainer-Effekt gab es nicht, fußballerische Weiterentwicklung ist - wenig verwunderlich - noch keine zu erkennen.

Im DFB-Pokal ist der FC Bayern gegen den Außenseiter SC Freiburg ausgeschieden, in der Champions League macht spätestens nach den Eindrücken von der Hoffenheim-Partie für das Rückspiel gegen City am Mittwoch nichts Hoffnung und in der Bundesliga blieb der Vorsprung auf Borussia Dortmund nur wegen der Unfähigkeit des Verfolgers bestehen. In Überzahl verspielte der BVB gegen den abstiegsbedrohten VfB Stuttgart ein 2:0 und ein 3:2.

FC Bayern München, TSG Hoffenheim
© Getty

FC Bayern: Benjamin Pavards Treffer war doppelt bezeichnend

Als Stadionsprecher Stephan Lehmann kurz nach Abpfiff in München das Endergebnis aus Stuttgart in der Allianz Arena durchgab, brandete der womöglich lauteste Jubel des Nachmittags auf. Bezeichnend, dass sich der FC Bayern in der aktuellen Situation auf die Unfähigkeit der Konkurrenz verlassen muss.

Gleich in doppelter Hinsicht bezeichnend war auch der einzige andere Grund zum Jubel: Benjamin Pavards Treffer zum zwischenzeitlichen 1:0 (17.). Bezeichnend für die Ideenlosigkeit im Spiel des FC Bayern, weil er aus einem verunglückten Schuss von Kingsley Coman resultierte. Bezeichnend für die Sturm-Probleme, weil mit Pavard wieder ein Abwehrspieler treffen musste. Die vergangenen drei Tore des FC Bayern erzielten allesamt Verteidiger.

Bei Andrej Kramarics direkt verwandelten Freistoß zum 1:1 sah dann Winter-Neuzugang Yann Sommer im Tor einmal mehr nicht gut aus (73.). Obwohl sich der FC Bayern anschließend etwas aufbäumte, blieben klare Chancen Mangelware. Die wenigen vergab der seit Wochen formlose und erneut als Mittelstürmer eingesetzte Flügelspieler Serge Gnabry teils kläglich.

FC Bayern: Salihamidzic und Kahn schweigen - Tuchel kritisiert

In Abwesenheit des verletzten Eric Maxim Choupo-Moting wird die krasse Fehlentscheidung der sportlichen Führung, keinen nominellen Nachfolger für den abgewanderten Torjäger Robert Lewandowski verpflichtet zu haben, immer offensichtlicher. Stattdessen holten sie mit Sadio Mané einen Flügelstürmer, der mittlerweile dermaßen frustriert ist, dass er seinen Mitspieler Leroy Sané geschlagen hat und dafür für die Hoffenheim-Partie suspendiert worden war.

Salihamidizic und Kahn waren nach dem Spiel für keine Stellungnahmen zu haben. Ihr neuer Trainer äußerte sich unterdessen ähnlich konsterniert wie seine Führungsspieler. "Das war schlecht", klagte Tuchel. "Das war zu langsam, zu emotionslos, nicht verbissen. Uns fehlt der Sinn dafür, dass es brennt. Wir brauchen schnell einen anderen Spirit." Mit dieser harten Kritik hat Tuchel innerhalb kürzester Zeit bereits auf beide Extreme der Kommunikations-Klaviatur zurückgegriffen.

Nach der spielerisch ordentlichen, aber dennoch klar verlorenen Partie gegen City hatte er seine Mannschaft noch mit übertrieben positiven Worten aufzubauen versucht. "Hochzufrieden" sei er gewesen und deshalb sogar "schockverliebt" in seine neue Mannschaft. Folge dieser Liebeserklärung war ein in Relation der Gegnerstärke ähnlich schlechtes Ergebnis, gepaart mit einer viel schlechteren Leistung. Nach diesem 1:1 gegen Hoffenheim dürfte Tuchel nicht mehr schockverliebt sein - sondern vor allem schockiert.

Bundesliga: Tabelle nach den Samstagsspielen

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Bayern München2878:304859
2.Borussia Dortmund2862:392357
3.RB Leipzig2853:351851
4.Union Berlin2742:301251
5.Freiburg2739:36347
6.Bayer Leverkusen2751:411043
7.Eintracht Frankfurt2849:41842
8.Mainz 052846:39742
9.Wolfsburg2746:361039
10.Borussia M'gladbach2843:45-236
11.Köln2837:46-932
12.Werder Bremen2742:52-1032
13.Hoffenheim2838:47-929
14.Augsburg2837:53-1629
15.Bochum2730:60-3026
16.Stuttgart2835:50-1524
17.Schalke 042826:52-2624
18.Hertha BSC2833:55-2222
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