BVB - Borussia Dortmund und die magere Torausbeute der Offensivreihe: Die 96-Millionen-Euro-Flaute

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Borussia Dortmund hat zuletzt viel Geld für Spieler ausgegeben, die für das Toreschießen zuständig sind. Diese sind aus unterschiedlichen Gründen jedoch weit weg von einer überzeugenden Trefferquote beim BVB.

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Es ist sicherlich unstrittig, dass Hans-Joachim Watzke Recht hatte. Nach einer recht ernüchternden ersten Hälfte der Saison sagte der Geschäftsführer von Borussia Dortmund im November, man müsse "natürlich auch der Mannschaft mal ein bisschen Zeit geben". Ein großer Kaderumbruch, der Verlust von Torjäger Erling Haaland, die Krebs-Erkrankung seines auserkorenen Nachfolgers Sébastien Haller - da kann es nicht sofort wie gewünscht flutschen, meinte Watzke.

Er warb damals zugleich um Geduld mit der neuen sportlichen Leitung um Trainer Edin Terzic und Sportdirektor Sebastian Kehl. "Wir müssen ihr auch Vertrauen geben. Du kannst nicht im August sagen: 'Ihr habt unser Vertrauen.' Und dann im November nach ein paar Rückschlägen sagen: 'Richtig toll ist das auch nicht.' Wir müssen uns entwickeln und dem Edin die Zeit geben", sagte Watzke.

Die Dortmunder Bilanz im Jahr 2023, wo zwar das Aus in der Champions League zu Buche schlägt, aber dank acht Siegen und einem ärgerlichen Remis auf Schalke die zuvor außer Reichweite geratene Zielsetzung Champions-League-Qualifikation wieder sehr machbar erscheint, bestätigt Watzkes Worte vom Spätherbst. Der BVB hat sich gefangen und stabilisiert. Es ist eine positive Entwicklung eingetreten, die sportlichen Erfolg mit sich brachte, zugleich aber noch ein zartes Pflänzchen ist.

Das betrifft gewiss alle Mannschaftsteile. Gegenüber der Vorsaison und auch der Hinserie hat sich die Defensive der Borussia stark verbessert, gleichwohl ist sie weiterhin für vermeidbare Gegentreffer wie die beiden im Revierderby zu haben. Und die Offensive, mit aktuell 49 Treffern zusammen mit Leipzig die zweitbeste der Liga, ist besonders in der Umschaltbewegung stark und jederzeit für ein Tor gut.

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BVB und die Crux im Angriff

Die Crux im Angriff ist jedoch, dass die Spieler, die der BVB zuletzt für das Toreschießen einkaufte, allesamt aus unterschiedlichen Gründen weit weg von einer überzeugenden Trefferquote sind. Knapp über 96 Millionen Euro hat Dortmund seit Sommer 2021 in Donyell Malen (30 Mio.), Haller (31 Mio.), Karim Adeyemi (30 Mio.) und Anthony Modeste (5,1 Mio.) investiert - die meisten Buden in dieser Saison machten bislang mit Jude Bellingham (10) und Julian Brandt (9) aber zwei waschechte Mittelfeldspieler.

Danach folgt mit Youssoufa Moukoko der erste Stürmer, wie Kapitän Marco Reus kommt er auf sechs Pflichtspieltreffer - die hat auch, immerhin, Neuzugang Adeyemi. Modeste und Malen trafen zweimal, der lange außer Gefecht gesetzte Haller hat bisher ein Tor erzielt.

"In der Tabellenregion, in der wir uns gerade befinden, befindet man sich eigentlich nur, wenn man einen Stürmer hat, der schon 15 oder 20 Tore auf dem Konto hat", sagte Terzic. "Das haben wir halt nicht. Das beschäftigt uns auch, weil wir ganz genau wissen: Wenn wir unsere Ziele erreichen wollen, brauchen wir Tore. Das ist das, was uns auch in London gefehlt hat."

BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl: "Das braucht ein Stürmer"

Bei Haller stellt sich ohnehin die Frage: Darf man bereits jetzt an einem Spieler Kritik üben, der aufgrund seiner Hodenkrebs-Diagnose zwei Operationen, eine Chemotherapie und dutzende Behandlungen hinter sich hat? Dessen mit Abstand größte Leistung eigentlich darin besteht, dass er sich überhaupt in die Lage brachte, in dieser Saison so schnell wieder zur Verfügung zu stehen?

"Den Prozess mit Sébastien haben wir alle in den letzten Wochen und Monaten gesehen und beschrieben", sagte Kehl über den Ivorer. "Trotzdem werden wir ihn weiter nutzen wollen - und dafür braucht er sicherlich an der einen oder anderen Stelle mal eine präzisere Flanke. Wir müssen noch an ein paar Abläufen arbeiten. Ich hoffe auch, dass ihm bald mal wieder ein Tor gelingt. Das braucht ein Stürmer."

Damit liegt Kehl zweifelsfrei richtig und es wäre auch korrekt, Haller zu attestieren, noch ein gutes Stück von der Kraft und Energie entfernt zu sein, die es für 90 Minuten braucht. Allerdings ist augenscheinlich, dass Haller dem Spiel des BVB auch trotz der momentan noch mageren Torausbeute sehr viel gibt.

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BVB profitiert von Sébastien Haller als Ziel- und Wandspieler

Der 28-Jährige beweist regelmäßig seine großen Stärken als stets anspielbarer Ziel- und Wandspieler. Dank seiner guten Laufwege, die Räume öffnen - wie kürzlich vor dem Führungstor gegen Leipzig -, weil sie Gegenspieler binden, hilft er Dortmunds spielerischen Problemen. Ähnliches war auf Schalke zu sehen, als Hallers Lauf vor Jamie Bynoe-Gittens' Großchance die Abwehr auseinanderzog und sich dadurch erst das Passfenster zum Engländer öffnete.

Es wäre daher gut, wenn nicht nur Haller dem Team, sondern auch das Team Haller helfen würde. Wie schon zuvor bei Modeste fehlt es dem Stürmer an brauchbaren Hereingaben, die Flanken des BVB in den Strafraum sind enorm ausbaufähig. Dortmund muss lernen, Haller besser einzubinden und ihn vor allem häufiger in Abschlusspositionen zu bringen.

"Wir hoffen nicht, dass es besser wird", sagte Terzic zu Haller, "sondern wir arbeiten hart daran. Wir versuchen, die Jungs mehr ins Spiel einzubinden und ihnen im Training und auch in Extra-Schichten danach die Möglichkeit zu geben, noch mehr Rhythmus, noch mehr Torabschlüsse zu bekommen." Haller könne laut des Trainers nur dann seiner Top-Form nahekommen, "indem er auf dem Platz steht".

Donyell Malen beim BVB: Allenfalls ausreichend

Ein größerer Problemfall als Haller ist ohnehin Malen. Der zeigte im Derby in Halbzeit eins zwar eine seiner besten Leistungen im BVB-Trikot, doch verglichen dazu tauchte der Niederländer nicht zum ersten Mal in den zweiten 45 Minuten ab. Das Bemühen kann man Malen nie absprechen. Auch gegen Schalke führte er die meisten Dortmunder Zweikämpfe (17), gewann gute 64 Prozent davon, verlor allerdings 14-mal den Ballbesitz.

Sein Tempo und die Wendigkeit bereiteten S04 erhebliche Schwierigkeiten, zwei Torschüsse und drei Torschussvorlagen sind durchaus ordentlich. Doch, wie so oft: Malen ist im Abschluss viel zu ungefährlich. 20 Torbeteiligungen in jetzt 62 Pflichtspielen sind allenfalls ausreichend für einen Spieler, der eine solch hohe Ablösesumme gekostet hat.

Aushilfsstürmer Modeste, der die Borussia nach der Saison wieder verlassen wird, ist dagegen längst in der Hierarchie abgerutscht. Der Ex-Kölner kam 2023 in der Hälfte der zwölf Partien gar nicht zum Zug - auch dann nicht, als beim Rückspiel gegen Chelsea unbedingt ein Tor benötigt wurde. Neben der problematischen Einbindung seiner Stärken im Sechzehner wurde deutlich: Für das Dortmunder Niveau fehlt es Modeste an Klasse.

BVB, Karim Adeyemi
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BVB: Knüpft Karim Adeyemi an seine starke Form an?

Adeyemis Lauf wiederum - vier seiner sechs Treffer erzielte er zwischen dem 29. Januar und 19. Februar - wurde von einer Verletzung gestoppt. Ob er lediglich unterbrochen wurde, steht in den Sternen. Es ist jedenfalls kein Automatismus, dass Adeyemi nach seiner Rückkehr die starke Form des neuen Jahres auf Anhieb bestätigt.

Richtig toll, um es mit Watzkes Worten des Vorjahres zu sagen, ist die Flaute dieses Teils der Dortmunder Angriffsreihe somit nicht. Sie ist ein negativer Aspekt des bislang so positiv verlaufenen Jahres. Besonders bei Haller sind weiter Zeit und Geduld gefragt, doch es geht bei ihm Stück für Stück voran. Adeyemi hat seinen Wert nachgewiesen, seitdem er den linken statt den rechten Flügel beackert. Nur bei Malen könnte die Nachsicht bald aufgebraucht sein.

BVB: Das Restprogramm von Borussia Dortmund in der Bundesliga

SpieltagBVB
251. FC Köln (H)
26Bayern München (A)
27Union Berlin (H)
28VfB Stuttgart (A)
29Eintracht Frankfurt (H)
30VfL Bochum (A)
31VfL Wolfsburg (H)
32Borussia M'Gladbach (H)
33FC Augsburg (A)
34Mainz 05 (H)
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