FC Bayern München und die neue Kaderbreite: Aufblühen und heranführen

FC Bayern München, VfL Wolfsburg
© imago images

Trainer Julian Nagelsmann vertraute beim 2:0-Sieg des FC Bayern München gegen den VfL Wolfsburg auch im dritten Pflichtspiel der Saison auf die gleiche Startelf. Enttäuschungen des Vorjahres blühen auf, Neuzugänge werden behutsam herangeführt - und irgendwann könnte es knifflig werden.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Anfang der zweiten Halbzeit brandete Applaus in der Münchner Arena auf, aber das lag diesmal ausnahmsweise an keinem Tor und auch nicht an der nächsten herausragenden Einzelaktion von Jamal Musiala. Nein, das lag an einer Gruppe von Spielern in weißen Trainingsleibchen, die langsam Richtung Nordkurve zum Aufwärmen trabte.

Es handelte sich um Spieler, die die Fans offenbar unbedingt sehen wollten - darunter waren schließlich vier der fünf teilweise sündhaft teuren Neuzugänge: Während Sadio Mané auch im dritten Pflichtspiel der Saison in der Startelf stand, saß das übrige zusammen 105,5 Millionen Euro teure Quartett bestehend aus Matthijs de Ligt, Ryan Gravenberch, Noussair Mazraoui und Mathys Tel auch bei der Heimspiel-Premiere zunächst erneut nur auf der Bank. Wie schon beim 5:3 im Supercup gegen RB Leipzig, wie schon beim 6:1 zum Bundesliga-Auftakt gegen Eintracht Frankfurt.

In der zweiten Halbzeit liefen sie dann hinter dem Tor von Keeper Manuel Neuer auf und ab und ab und auf, dehnten sich, liefen weiter und irgendwann schauten sie sich vorrangig das Treiben auf dem Platz an. Dort spielte mittlerweile Leroy Sané mit, den Trainer Julian Nagelsmann in der Halbzeit für den unter Adduktoren-Problemen leidenden Serge Gnabry gebracht hatte.

Obwohl das Spiel mit einem Zwischenstand von 2:0 und der Münchner Dominanz früh entschieden schien, wartete Nagelsmann mit seinem ersten freiwilligen Wechsel durchaus überraschend bis zur 80. Minute. Erst dann kam Tel für Mané ins Spiel, wenig später auch Gravenberch für Musiala. Auf die beiden übrigen Wechsel-Optionen verzichtete Nagelsmann.

FC Bayern: Der Nebeneffekt der Transferoffensive

Vielleicht auch aufgrund der negativen Erfahrungen mit den damaligen Verpflichtungen Dayot Upamecano und Marcel Sabitzer in der vergangenen Saison hat sich der Trainer offenbar vorgenommen, seine Neuzugänge behutsam einzubauen. Ganz, ganz behutsam. Schon bei der Pressekonferenz vor dem Spiel hatte er verraten, dass er "keinen Anlass" für Startelf-Änderungen sieht: "Es gibt keinen Spieler, der sich besser aufgedrängt hat als die, die gespielt haben."

De Ligt sagte unterdessen in einem Interview mit dem Telegraaf: "Das passt in den Plan, den wir uns vorgenommen haben. Die Trainer haben mir gesagt, dass sie mich erst einmal im Training haben wollen. Damit ich das mitbringe, was von einem Verteidiger beim FC Bayern erwartet wird."

Nagelsmann ist es zunächst offensichtlich ziemlich egal, dass de Ligt als designierter Abwehrchef gilt, dass Mazraoui der einzige echte Rechtsverteidiger im Kader und Gravenberch der vermeintliche Vorbereitungs-Gewinner ist. Stattdessen spielten und überzeugten gegen Wolfsburg einmal mehr ausgerechnet die Spieler, die die Neuzugänge eigentlich verdrängen sollten: der einst so fehleranfällige Upamecano in der Innenverteidigung, der eigentlich ins Zentrum strebende Benjamin Pavard rechts hinten und der auf einmal präsente Sabitzer auf der Sechs.

Damit scheint ein Plan des FC Bayern aufzugehen: Nach der Transferoffensive hatte sich Sportvorstand Hasan Salihamidzic bekanntlich nicht nur begeistert über die neu gewonnenen Qualitäten geäußert. Stets hat er auch betont, dass dadurch bestenfalls gleichzeitig die bereits unter Vertrag stehenden Spieler "aus ihrem Dornröschenschlaf" geweckt werden sollten. Der Nebeneffekt ist eingetreten, sie haben den Wecker tatsächlich vernommen und sind pflichtbewusst aufgestanden.

Salihamidzic und Kahn äußern sich zum Konkurrenzkampf

Aktuell befindet sich Nagelsmann somit in einer hochgradig komfortablen Situation: Die Neuzugänge kann er behutsam heranführen, während die Enttäuschungen der vergangenen Saison aufblühen. Irgendwann könnte es für den Trainer aber knifflig werden. Was, wenn die Blütezeit anhält und die Heranführung abgeschlossen ist?

"Gute Frage", sagte Hasan Salihamidzic in den Katakomben der Arena und hatte dabei das Lächeln eines Sportvorstandes auf den Lippen, der weiß: Über zu wenige Optionen kann sich sein Trainer bei ihm anders als vielleicht in den vergangenen Jahren diesmal wahrlich nicht beschweren. "Wir müssen schauen, wie wir alle zufriedenstellen. Aber wir werden alle brauchen, das ist klar." Diesbezüglich verwies Salihamidzic auf den kräftezehrenden Herbst: Ab Ende August reiht sich eine englische Woche an die nächste, ehe Mitte November die Weltmeisterschaft in Katar beginnt.

Immer einkalkuliert werden muss selbstverständlich auch die im Fußball stets präsente Verletzungsgefahr. "Man sieht bei Leon, wie schnell das gehen kann", erklärte der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn mit Bezug auf Leon Goretzka, der aktuell wegen einer Knie-Operation passen muss. "Dann hat man wieder andere Verletzte, da braucht man einfach so einen Kader."

Uli Hoeneß vermutet: "Das wird die Hauptaufgabe von Julian"

Sobald Goretzka demnächst zurückkommt, wird sich die tatsächliche Härte des Konkurrenzkampfes im verbreiterten Kader des FC Bayern zeigen: Dann duelliert sich der Platzhirsch nämlich mit dem aufblühenden Sabitzer und dem in der Vorbereitung so überzeugenden Gravenberch um den einen Posten neben dem unumstrittenen Joshua Kimmich.

Schon für das anstehende Auswärtsspiel beim VfL Bochum wird übrigens der bisher gesperrte Kingsley Coman in den Kader zurückkehren. Wohin mit ihm?

Mit der Erfahrung von der einen oder anderen Fußball-Saison prophezeite Ehrenpräsident Uli Hoeneß neulich bei Sky: "Das wird die Hauptaufgabe von Julian sein, dass er diesen riesigen, tollen Kader bei Laune hält, dass es ihm gelingt, die Stimmung hochzuhalten, was nicht immer einfach sein wird."

Artikel und Videos zum Thema