BVB - Borussia Dortmund nach dem Kantersieg gegen Gladbach: Skepsis statt Freude

Der BVB hat sich gegen Gladbach mit 6:0 durchgesetzt.
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Erneut hat Borussia Dortmund auf ein heftiges Negativerlebnis gut reagiert. Da vieles am seidenen Faden hängt, sollte beim Blick auf den BVB dennoch weiterhin Skepsis vorherrschen. Das Europa-League Rückspiel bei den Rangers in Glasgow wird der ultimative Haltungstest.

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Wissen Sie, wer punktgleich mit RB Leipzig das beste Team der Bundesliga-Rückrunde ist? Borussia Dortmund natürlich. Fünf Siege in sechs Partien, dabei 22 Tore geschossen - das überbietet keiner. Allerdings bemerkt diese Bilanz auch kaum einer.

Das hat natürlich mit dem grotesken Zick-Zack-Kurs zu tun, mit dem sich der BVB durch die Saison quält. Die Stimmung versaut haben allein in diesem Jahr die Niederlagen gegen St. Pauli, Leverkusen und die Rangers, 2021 war bereits das Aus in der Champions League ein heftiger Dämpfer.

Und so sorgen klare Siege wie die bei Union Berlin am Sonntag vergangener Woche (3:0) oder nun gegen Gladbach zwar immerhin dafür, dass die Gemütslage nicht weiter in den Keller geht. Doch für einen Umschwung in Richtung Zuversicht oder gar Euphorie reichen zwei Zu-Null-Erfolge als Reaktion auf verheerende Leistungen mit fünf und anschließend vier Gegentoren bei weitem auch nicht aus.

Das war vor allem nach dem deutlichen 6:0 gegen die Fohlen spürbar. Die Dortmunder wollten sich nach Spielende an den Mikrofonen partout nicht für den am Ende zu hoch ausgefallenen Erfolg feiern lassen. Sie wissen ja schließlich selbst nur zu gut, dass angesichts ihrer holprigen Lern- und Leistungskurve weiterhin Skepsis statt Freude angebracht ist.

BVB und die Haltung am seidenen Faden

Man müsse "die ganze Geschichte hier" auch in den nächsten Tagen wieder "sachlich und nüchtern und klar einschätzen", sagte Trainer Marco Rose. Denn: "Mit dem Spiel ist die Enttäuschung in allen Cup-Wettbewerben nicht weg und hallt natürlich nach." Wie bescheiden die Stimmung im Umfeld ist, "das merken wir ja alle", verdeutlichte Rose.

Sachlich, nüchtern und klar betrachtet hat der BVB gegen Gladbach eine gute Partie abgeliefert. Gerade hinsichtlich Einsatzbereitschaft, Konzentration und Spielvortrag stimmte es von Beginn an. Die Mannschaft sendete wie von Rose oft gefordert die "Signale" aus, um eine Partie in die gewünschte Richtung zu lenken: dass man verteidigen und angreifen will, dass man Widerstände umbiegen, dass man schlicht siegen möchte. Die viel zitierte Haltung, die das Dortmunder Unwort "Mentalität" in dieser Saison ersetzt hat, sie war durchgehend vorhanden.

Doch wie man vom BVB weiß, ist sie das nicht konstant. Es wäre wieder spannend zu beobachten gewesen, wenn eben nicht die Dortmunder, sondern die Gladbacher am Sonntagabend die effektivere Mannschaft gestellt hätten. Keeper Gregor Kobel musste gerade in Halbzeit eins mehrfach bravourös ran und verhinderte weitere Rückschläge. Hier hätte sich das Momentum für das gesamte Spiel schnell ins komplette Gegenteil verkehren und für wieder neue Verunsicherung bei den Schwarzgelben sorgen können. Vieles hängt am seidenen Faden.

Verbesserung der BVB-Stabilität sollte man nicht erwarten

Dortmunds Defensive ließ sieben von acht Gladbacher Schüssen im eigenen Strafraum zu, wo die Gäste mit 26 sogar mehr Ballaktionen verzeichneten als der BVB (18). Das defensive Gebilde bleibt auch nach zwei Bundesligaspielen ohne Gegentor wacklig. Eine gehörige Verbesserung der Stabilität sollte man in dieser Saison wohl lieber nicht mehr erwarten. Zumal es angesichts andauernder Verletzungen - diesmal erwischte es Dan-Axel Zagadou - unmöglich geworden ist, dass sich eine Stamm-Abwehrkette über einen längeren Zeitraum einspielt.

Was man aber in den noch drei Monaten bis Mai, wenn das Spieljahr vorbei sein wird, definitiv erwarten kann, sind Verbesserungen hinsichtlich der Leidenschaft und Einstellung jedes einzelnen Spielers. Die Reaktionen auf Negativerlebnisse bekommt der BVB bereits gut hin. Sobald das Wasser bis zum Halse steht, scheint sich die Truppe zusammenreißen und ihr Potential auf den Platz bringen zu können - siehe auch der erfolgreiche Endspurt in der Vorsaison.

Was fehlt, sind zwei, drei, vier oder gar mehr Spiele am Stück, in denen die Profis eine solche Herangehensweise an den Tag legen. Daraus müssen nicht einmal zwingend Siege resultieren, auch wenn sie angesichts der hohen Dortmunder Qualität dann deutlich wahrscheinlicher werden. Für den Moment würde es genügen, dass es der BVB überhaupt einmal regelmäßig über alle Mannschaftsteile und 90 Minuten hinweg schafft, Leistungsbereitschaft und Gier auszustrahlen.

BVB-Spiel in Glasgow als der ultimative Haltungstest

"Es geht jetzt auch um Entwicklung, um den nächsten Schritt, um die Reaktion auf die Reaktion. Das ist das, was jetzt wichtig ist", sagte Rose, der solche Sätze mittlerweile fast schon gebetsmühlenartig betont und zudem immer wieder durchblicken lässt, dass die mangelnde Konstanz auf dem Platz auch ein Spiegelbild der individuellen Leistungen der Trainingswochen ist. "Es geht darum, dass man für den Verein, die Fans, den Erfolg von Borussia Dortmund Woche für Woche und unter der Woche alles investiert, was notwendig ist, um Ziele zu erreichen."

Was all diese vom Inhalt her wiederkehrenden Worte wert sind, wird sich besonders in der nächsten Begegnung zeigen. Am Donnerstag bei den Rangers (21 Uhr im LIVETICKER) steht für Dortmund nicht nur das mögliche Weiterkommen oder Ausscheiden in der Europa League, sondern gewissermaßen das Fazit der gesamten Saison auf dem Spiel.

Angesichts des ernüchternden 2:4 aus dem Hinspiel ist ein Aus wahrscheinlich und würde das Zeugnis für das Jahr erheblich ins Negative abgleiten lassen - nach einem weiteren "lahmarschigen" (Sportdirektor Michael Zorc) Auftritt ganz gewiss sogar. Doch der BVB kann in Schottland aufgrund der widrigen Ausgangslage auch viel gewinnen. Es wird ein weiterer, aber bis dato der ultimative Haltungstest für dieses so wankelmütige Team.