BVB - Disput zwischen Didi Hamann und Marco Rose über die bisherigen Leistungen von Borussia Dortmund: Wer hat recht?

Marco Rose und Didi Hamann gerieten nach Dortmunds 3:0 gegen Freuther Fürth aneinander.
© getty/imago

Nach dem mageren 3:0-Sieg von Borussia Dortmund über Greuther Fürth und dem anschließenden Wortduell zwischen Marco Rose und TV-Experte Dietmar Hamann steht die Frage im Raum: Sind die Leistungen des BVB unter dem neuen Trainer gut oder nicht? Der Versuch einer Einordnung.

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Im Grunde hat die Diskussion die gesamte bisherige Saison über geschwelt, mal etwas mehr, mal weniger. Nun ist sie durch den bissigen Schlagabtausch zwischen Marco Rose und Dietmar Hamann an die Oberfläche getreten und wird dort wohl auch erst einmal bleiben. Im Kern dreht es sich um die Frage: Sind die Leistungen, die Borussia Dortmund unter dem neuen Trainer zeigt, gut oder sind sie es nicht?

Sky-Experte Hamann trat nach der nicht guten Leistung des BVB gegen Greuther Fürth nicht zum ersten Mal als Kritiker der Borussia auf. Schwere Kost, die nichts mit Fußball zu tun habe, sei Dortmunds Auftritt gegen das Tabellenschlusslicht gewesen. Die Westfalen würden keinen "Fußball spielen", sondern "Fußball arbeiten".

Diese Vorwürfe des ehemaligen Nationalspielers stimmen zweifelsohne. Dortmund war gegen die Franken schwach und kam in dieser Spielzeit häufiger schon zu mühsamen Arbeitssiegen, bei denen nur wenig Glanz versprüht wurde. Generell gesprochen kann das, ganz im Sinne Hamanns, nicht der Zustand sein, im dem sich der BVB präsentieren darf.

Die Ansprüche an den zweitbesten Verein mit dem zweitbesten Kader der Liga und den zweithöchsten Finanzressourcen in Deutschland sind selbstverständlich hoch. Nicht nur außerhalb, auch innerhalb des Klubs. Das leugnet dort niemand, wie auch niemand das enorm enttäuschende Aus in der Champions-League-Gruppenphase schönredete. Es fand sich in den vergangenen Monaten auch kein Dortmunder Verantwortlicher, der Glauben machen wollte, beim BVB laufe es fußballerisch wie aus einem Guss.

BVB-Trainer Marco Rose und die Dauer-Improvisation

Dass es das wahrhaftig nicht tut und man die Borussia dafür freilich kritisieren kann, hat Gründe. Teile dieser Gründe hat Rose in seiner Verteidigungsrede am Sky-Mikrofon erwähnt. Seit er den BVB übernommen hat, ist Rose angesichts andauernder Personalprobleme zur Improvisation gezwungen. Er muss ständig Baustellen zuschütten und sobald er sie vermeintlich geschlossen hat, reißt wieder eine neue auf.

Es gibt keinen Dortmunder Spieler, der nicht entweder mit einer Verletzung in die Saison startete oder sich im weiteren Verlauf verletzt hat. Manche erwischte es gleich mehrfach. Verletzungen sind beim BVB zwar seit längerer Zeit ein steter Begleiter, die atemlose Abfolge während der bisherigen Spielzeit ist jedoch fast einzigartig.

Unter diesen Umständen ist es für einen Trainer, noch dazu an einem neuen Standort, schlicht schwierig - ganz unabhängig von der Spielerqualität, die ihm zur Verfügung steht. Rose ist meilenweit davon entfernt, so etwas wie eine Stammelf zu entwickeln oder einen gesunden Konkurrenzkampf zu moderieren. Stattdessen muss er zahlreiche Spieler ohne Rhythmus, ohne vollständige Fitness und damit ohne echte Wettkampfhärte in die Partien werfen. Und dies beinahe im Wochentakt.

Muss der BVB unter diesen Bedingungen glänzen?

Von diesen Widrigkeiten hat Rose schon oft erzählt, er tut es im Grunde in jeder Pressekonferenz vor den Spielen. Dass ihm irgendwann einmal öffentlich der Kragen platzt, war unabhängig vom Auslöser beinahe absehbar. Denn Rose hat seit seinem Amtsantritt nie mit diesen Problemen gehadert oder nach Ausreden gesucht, obwohl er das natürlich hätte machen können, weil es menschlich wäre.

So läuft es auf die Krux heraus: Muss man von diesem individuell stark besetzten Kader des BVB auch unter diesen Bedingungen erwarten können, dass er fußballerisch glänzt? Oder ist das trotz der hohen Qualität der Einzelspieler gar nicht in dem zu erwartenden Maße möglich, wenn der Großteil des Kaders nach Verletzungen nicht vernünftig an den laufenden Spielbetrieb herangeführt werden kann?

Es lohnt auch ein kritischer Blick auf die Kaderzusammenstellung. Die anhaltende Personalmisere hat schließlich deutlich gemacht, dass viele Spieler aus der zweiten Reihe nicht das nötige Niveau und die Konstanz mitbringen, um Dortmunds angestrebtes Level auch in einer solch angespannten Situation halten zu können.

Rose und der BVB stehen in der Bringschuld

Die eine Wahrheit gibt es wohl nicht, sie steht vielmehr auf beiden Seiten der Medaille. Rose und Hamann haben jeweils recht, man kann sich eigentlich leicht für beide Sichtweisen erwärmen. Hamann rechnete sieben Niederlagen in 22 Pflichtspielen vor, in Wirklichkeit sind es acht Pleiten in 25 Partien bei 16 Siegen. Rund ein Drittel der Spiele hat Dortmund unter Rose also verloren. Zusammen mit dem CL-Aus - das schwerer wiegt als die Tatsache, dass der FC Bayern in der Liga wohl wieder enteilt ist - ist das wahrlich keine Zwischenbilanz, die den Ansprüchen des Vereins genügt.

In der Bundesliga gewann der BVB elf seiner 16 Begegnungen und steht bei 34 Punkten. In den vergangenen fünf Spielzeiten waren es zu diesem Zeitpunkt nur einmal mehr. Mit sechs Zählern Vorsprung auf Rang drei und dem Einzug ins Achtelfinale des DFB-Pokals ist man bei zwei Saisonzielen somit voll auf Kurs.

Gewiss, es war spielerisch bisher viel magere Kost dabei. Die Debatte darüber ist daher vollkommen angebracht und sie geht auch nicht einzig auf Hamann zurück. Unabhängig der bislang erzielten Ergebnisse ist klar und da werden auch die Dortmunder Verantwortlichen mitgehen: Fußballerisch stehen Rose und sein Team im neuen Jahr in der Bringschuld und werden sich deutlich strecken müssen, wenn sie der Diskussion über kurz oder lang den Wind aus den Segeln nehmen wollen. Sie darf nur nicht zu einseitig oder gar polemisch geführt werden.