Drei Erkenntnisse zum 2:1-Sieg des FC Bayern München über den 1. FC Köln

Von Stefan Petri
Hansi Flick rotierte gegen Köln kräftig - aber auf Jo Kimmich konnte er nicht verzichten.
© imago images / Poolfoto

Der FC Bayern München hat mit einem mühsamen 2:1-Auswärtserfolg beim 1. FC Köln die Tabellenführung in der Bundesliga erobert (die Highlights im Video).. Die Rotation von Trainer Hansi Flick wirkt sich dabei vor allem auf die Offensivleistung aus, auf zwei Säulen kann sich der Rekordmeister aber verlassen. Drei Erkenntnisse zum Spiel.

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1. Flick rotiert seine Bayern so aggressiv wie selten zuvor

Die Partie beim Effzeh war für die Bayern die sechste Partie seit dem Nachholspiel in der ersten Pokalrunde gegen den 1. FC Düren. Anders gesagt: sechs Spiele seit dem 15. Oktober, oder auch: sechs Spiele in 17 Tagen. Ein echtes Mammutprogramm, das sich mit den Auswärtsspielen bei RB Salzburg am Dienstag und bei Borussia Dortmund fortsetzt. Ob seine Stars in der darauffolgenden Länderspielpause durchschnaufen können, ist mehr als fraglich - und danach stehen bis zur Winterpause erneut nur englische Wochen an.

Also griff Flick so konsequent durch wie selten zuvor. Dass er die Startelf im Vergleich zum Moskau-Spiel auf sechs Positionen umbaute, war dabei erst einmal nicht sonderlich überraschend. Dass Torjäger Robert Lewandowski gar nicht erst nach Köln reiste, dafür umso mehr. Schließlich spielt der Pole eigentlich immer - und als er gegen die TSG Hoffenheim einmal nicht in der Startformation stand, verloren die Bayern prompt mit 1:4.

Diesmal konnte Flick seine Torgarantie nicht einmal einwechseln, und dabei war es nicht ausgeschlossen, dass sich die Bayern offensiv schwertun könnten: Ohne den angeschlagenen Leon Goretzka fehlte Power im Mittelfeld, Bouna Sarr musste sich als Linksverteidiger versuchen, und auf den Flügeln hatten Serge Gnabry eine Corona- und Leroy Sane eine Verletzungspause hinter sich. Ganz zu schweigen davon, dass Eric Maxim Choupo-Moting eben kein Lewandowski ist, nicht mal einer für Arme.

Flicks Plan gegen Köln geht auf

Doch das war Flick egal - gegen die noch sieglosen Kölner musste es irgendwie gehen. "Wir reden immer von Belastungssteuerung und deswegen müssen wir nicht nur reden, sondern es in die Tat umsetzen." Das sei eine Verpflichtung für den Verein und für ihn als Trainer. Wobei er keine Ausreden gelten lassen wollte: "Man kann auch mit müden Beinen gut Fußball spielen."

Das Resultat war eine Bayern-Elf, die im Schnitt 28 Jahre und 265 Tage alt war, so alt wie seit März 2019 nicht mehr. Die aber für ihre Verhältnisse viele Kilometer abspulte: 115,01 um genau zu sein, und damit ziemlich genau drei Kilometer weniger als die Hausherren. Dass er den Kölnern die Tür für eine Überraschung einen Spaltbreit geöffnet hatte, wussten sämtliche Beteiligten: "Die Bayern waren heute zu knacken", betonte Torschütze Dominick Drexler.

Flicks Fazit zum "Arbeitssieg" fiel dementsprechend knapp aus: "Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden, mit dem Spiel nicht." Und: "Wenn man 2:1 gewinnt, ist alles aufgegangen."

Spielplan: Die kommenden Gegner des FC Bayern

DatumUhrzeitWettbewerbGegnerHeim/Auswärts
03.11.202021 UhrChampions LeagueFC SalzburgA
07.11.202018.30 UhrBundesligaBorussia DortmundA
21.11.202015.30 UhrBundesligaWerder BremenH
25.11.202021 UhrChampions LeagueRB SalzburgH
28.11.202015.30 UhrBundesligaVfB StuttgartA

2. Bayerns Offensivspiel kann gegen Köln nicht überzeugen

"Einstellung, Mentalität und Siegeswillen" hätten gepasst, analysierte Flick. Von Kombinationen, Kreativität und herausgespielten Torchancen sprach er nicht, denn viel zu erzählen gab es nicht. Seine "1B-Elf" stellte nämlich einen Bundesliga-Negativrekord in der Flick-Ära auf: Ganze sechs Torschüsse gab der FC Bayern laut opta in Richtung Timo Horn ab, davon genau einen nach dem Seitenwechsel. So selten hatten die Bayern unter Flick noch nie auf das gegnerische Tor geschossen. Köln registrierte übrigens zehn Abschlüsse.

Jetzt muss man sich angesichts von 24 Toren in den ersten sechs Ligaspielen - Bundesligarekord! - sicherlich keine Sorgen um das bayerische Offensivspiel machen. Der letzte torlose Auftritt ist 32 Spiele her (0:0 gegen RB Leipzig). Dennoch sollte Flick sein Trainerteam vor kommenden Rotations-Auftritten noch einmal ans Reißbrett bitten.

Ein dicht gestaffelter, in der eigenen Hälfte diszipliniert verteidigender Effzeh reichte, um das Offensivspiel der Bayern nahezu komplett auszubremsen. Da sich Javi Martinez neben Kimmich auf Defensivaufgaben beschränkte und die Kölner die Außen konsequent zustellten, blieb die Spieleröffnung an Joshua Kimmich, aber fast noch öfter an den Innenverteidigern hängen - und die langen Bälle von Niklas Süle und vor allem Jerome Boateng kamen diesmal fast nie an.

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FC Bayern: Sane in dieser Form nur Konterstürmer nach Führung

Da half es nicht, dass sich Choupo-Moting im Gegensatz zu Lewandowski fast nie zurückfallen ließ, um eine zusätzliche Anspielstation zu schaffen, und die Außen kaum Akzente setzen konnten. Leroy Sane hatte fast gar keine gelungene Aktion und braucht offensichtlich noch Zeit. In dieser Form taugt er eigentlich nur als Konterstürmer, der bei einer Führung eingewechselt wird. Gnabry erzielte ein schönes Tor, hatte zuvor aber auch viel zu wenig vom Spiel - und litt darunter, dass sich Sarr hinter ihm anfangs kaum etwas traute.

Und so brauchte es viel Glück - und in den Augen wütender Kölner eine klare Fehlentscheidung -, um mit dem ersten wirklichen Angriff in Führung zu gehen. Gnabry vollendete den ersten Konter des Spiels zum 2:0 - und sonst? Horn faustete Sane einen haltbaren Kopfball Choupo-Motings vor die Füße, der wurde zudem einmal in letzter Sekunde abgegrätscht. Wirklich zwingend waren die Bayern eigentlich nur direkt nach dem Seitenwechsel, doch nach der Kopfballchance Gnabrys passierte nicht mehr viel.

"Wir haben sicherlich oft leichtfertig die Bälle verloren, vielleicht auch einen Tick zu lässig im Spiel nach vorne agiert", analysierte Thomas Müller, aber wenn die Ideen fehlen, folgen eben zumeist die Fehlpässe. 63 Prozent Ballbesitz in derart wenige Chancen umzumünzen, spricht zwar auch für einen gewissen Schlendrian, aber nicht nur. Die Tatsache etwa, dass der Champions-League-Sieger gerade mal eine Ecke verzeichnete (Köln: 5), illustriert wunderbar, wie selten der Weg an die gegnerische Grundlinie gefunden wurde.

3. Kimmich und Müller sind bei Bayern nicht zu ersetzen

Dass sich Kimmich und Müller trotz der angeworfenen Rotationsmaschine in der Startelf wiederfanden, hat ganz profane Gründe: Da Goretzka und der rotgesperrte Corentin Tolisso ausfielen, blieben eigentlich nur noch Kimmich und Martinez für die Doppelsechs, und für Müllers Position gibt es ohnehin keinen wirklichen Ersatz. "Er hatte auch in der Länderspielpause wirklich eine Pause", begründete Flick vor dem Spiel, und Müller und Lewandowski gleichzeitig schonen, "das wäre dann doch zu viel."

Klar ist aber auch: Die Achse "Kimmich-Müller" ist unverzichtbar, und wenn wie gegen Köln rotiert wird, ist sie es gleich doppelt. Kimmich ist Allzweckwaffe und Dirigent, Müller der Raumdeuter, Lückenstopfer und lautstarke Antreiber.

An ihnen richten sich die übrigen Mitspieler aus: "Wir haben Thomas Müller in unseren Reihen, der ununterbrochen coacht und quatscht", erklärte Gnabry in der Sportschau. Die Heatmap des Raumdeuters zeigte, wo der 31-Jährige unterwegs war: so ziemlich überall. Kimmich ist derweil auf dem besten Wege, sich eine Aura zuzulegen, wie sie früher vielleicht nur ein Stefan Effenberg hatte: Unglaublich, welche Autorität der 25-Jährige ausstrahlt.

Die Entstehung des 2:0 zeigt exemplarisch, wie die beiden das Bayernspiel prägen: Kimmich, der mal wieder die meisten Kilometer für die Bayern abspulte (12,15 km), eroberte den Ball vor dem eigenen Strafraum mit einer rustikalen Grätsche, bekam das Spielgerät wenig später von Müller zurück und schickte Gnabry mit einem öffnenden Pass auf die Reise. In sieben seiner letzten acht Spiele war er jetzt an mindestens einem Tor beteiligt.

FC Bayern: Müller knackt Oliver Kahns Vereinsrekord

Müller wiederum, der so viele Läufe anzieht wie kein Zweiter im Team (486), sprintete hinter Gnabry her, obwohl der gute 20 Meter Vorsprung hatte. Das Ziel: Gnabry hinterlaufen. Genau das tat er dann auch, was Rafael Czichos zwang, ob des zweiten Gegenspielers gerade so viel Abstand zu halten, dass Gnabry nach innen ziehen und überlegt abschließen konnte.

Auf dem Spielberichtsbogen war Müllers Einsatz nicht zu sehen, er bleibt bei acht Scorerpunkten in sechs Spielen. Für eine andere Statistik war er dagegen entscheidend: Dank dem knappen Erfolg steht das FCB-Eigengewächs jetzt bei 260 Siegen in der Bundesliga (in 357 Spielen). Rekord von Vereinsikone Oliver Kahn eingestellt - mit 31 Lenzen. Mit 15 hätte er das nicht für möglich gehalten, sagte Müller nach Abpfiff.

Überflügeln könnte er seinen Vorstand am kommenden Wochenende gegen den BVB (Sa., 18.30 Uhr) - und den Rekord in unbekannte Sphären schrauben: Geht Bayerns und Müllers persönliche Erfolgsgeschichte so weiter, ist Kahns Ligarekord (310 Siege, 50 mit dem Karlsruher SC) durchaus in Reichweite.

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