FC Bayern München unterliegt Eintracht Frankfurt: Fünf Thesen zum Bundesliga-Topspiel

Armin Younes ist ins Blickfeld von Bundestrainer Jogi Löw gerückt.
© getty

Bei der 1:2-Niederlage des FC Bayern in Frankfurt zeigt sich wieder einmal, dass der Rekordmeister ein Rechtsverteidiger-Problem hat. Außerdem scheitert ein Offensiv-Experiment von Trainer Hansi Flick. Dafür macht Leroy Sane ein wenig Hoffnung - und aufseiten der Hessen allen voran Amin Younes Lust auf mehr. Fünf Thesen zum Bundesliga-Topspiel.

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1. Flick braucht Kimmich als Rechtsverteidiger gegen Lazio

31 Gegentore nach 22 Spielen - eine schlechtere Bilanz wies der FC Bayern in seiner Bundesliga-Historie nur in der Katastrophen-Saison 1991/92 auf. Damals waren es sogar 33 Gegentore nach 22 Spielen, die Mannschaft landete am Ende nur auf Platz zehn.

Gewiss: So weit wird es dieses Jahr nicht kommen. Dafür ist die Offensive (62 Treffer) um Weltfußballer Robert Lewandowski viel zu gut. Doch die Anfälligkeit der Abwehr nervt alle Beteiligten - in erster Linie Torhüter Manuel Neuer. "Nicht gelernt" hätten seine Vorderleute nach dem 3:3 zu Wochenbeginn gegen Arminia Bielefeld, ärgerte sich der Schlussmann nach der Partie im Waldstadion. Der Appell des Routiniers: "Wir müssen von Anfang an Aggressivität zeigen."

Diese Aggressivität fehlte auch in Frankfurt insbesondere auf der rechten Abwehrseite. Diesmal verteidigte dort in Abwesenheit des Corona-positiven Benjamin Pavard nicht der gegen Bielefeld unterirdische Bouna Sarr, sondern Niklas Süle. Der nominelle Innenverteidiger war mit dieser Aufgabe jedoch nicht minder überfordert, bekam die Frankfurter um Filip Kostic zu keiner Phase des Spiels in den Griff. Die logische Konsequenz: Beide Eintracht-Treffer fielen über die Seite von Süle (Note 4,5). Gerade Tor Nummer zwei durch Amin Younes sorgte bei den Bayern für Verärgerung. "Davor hätte sich Niklas nicht so leicht ausspielen lassen dürfen", hielt etwa Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge im ZDF-Sportstudio fest. "Das muss man besser verteidigen."

Angesichts der dünnen Personaldecke wäre Trainer Hansi Flick gut beraten, wieder über Joshua Kimmich als provisorischen Rechtsverteidiger nachzudenken, ehe Pavards Quarantäne endet. Dafür könnte dann David Alaba auf die Doppelsechs neben den genesenen Leon Goretzka rücken und einen Platz für den zweikampfstarken Lucas Hernandez in der Innenverteidigung neben Jerome Boateng oder ebenjenem Süle freiräumen. Eine gute, weil stabile Variante - gerade für das wichtige Champions-League-Achtelfinale gegen Lazio Rom am Dienstag, das der Flick-Elf wieder eine Menge an zäher Laufarbeit abverlangen dürfte.

Kimmich, egal wie gut er die Rolle im Mittelfeld ausfüllen mag, ist derzeit nun einmal der beste Rechtsverteidiger im Kader. Gegen Bielefeld reichten ihm nach seiner Einwechslung für Sarr nur wenige Minuten, um das unter Beweis zu stellen.

2. Choupo-Moting funktioniert nicht als Müller-Ersatz

Über eine Veränderung sollte Flick auch im offensiven Mittelfeld nachdenken. Das Experiment mit Eric Maxim Choupo-Moting als Thomas-Müller-Ersatz ging in Frankfurt zumindest zum zweiten Mal in Folge gründlich in die Hose.

Der Oktober-Neuzugang (Note 5) war wie gegen Bielefeld zwar merklich darum bemüht, in Müller-Manier verbale Präsenz an den Tag zu legen, hatte aber keinerlei Einfluss auf das Bayern-Spiel. Wenn er in Ballbesitz war, sprang nahezu nichts Zählbares dabei heraus. Ein blasser Auftritt, der die Frage aufwirft: Warum bekommt Youngster Jamal Musiala, im Gegensatz zu Choupo-Moting auf der Zehn beheimatet, momentan so wenige Chancen?

Der 17-Jährige durfte nur in den letzten zehn Minuten ran und hatte dadurch kaum die Möglichkeit, sich in Szene zu setzen. Flick begründete das Vertrauen in Choupo-Moting hinterher mit dem Wort "Erfahrung" und erinnerte daran, dass der 31-Jährige auch die körperlichen Voraussetzungen mitbringe, um in derart kampfbetonten Partien von Anfang an dabei zu sein. Es scheint, als wolle Flick den schmächtigen Musiala noch schützen. In Rom ist deshalb erneut mit Choupo-Moting zu rechnen - es sei denn, Flick schiebt Goretzka eine Position nach vorne.

3. Sanes Reaktion macht dem FC Bayern Hoffnung

Erste Halbzeit pfui, zweite Halbzeit hui: Leroy Sanes Auftritt in der Mainmetropole stand sinnbildlich für den der gesamten Bayern-Elf. Auch Flick sah eine Leistungssteigerung, nachdem der Außenstürmer in Durchgang eins mit etlichen Fehlpässen und Unaufmerksamkeiten (wie etwa beim ersten Gegentor) negativ in Erscheinung getreten war. "In der ersten Halbzeit war Leroy wie die anderen nicht auf dem Platz. Danach hat er sich enorm gesteigert", sagte Flick.

Besonders stark: Sanes Vorlage zum Anschlusstreffer durch Lewandowski, die das ganze Potenzial des 25-Jährigen im Eins-gegen-Eins zur Schau stellte. Darüber hinaus ließ er Evan Ndicka, immerhin einen der schnellsten Verteidiger der Liga, oft stehen und arbeitete konsequenter zurück als noch in der Anfangsphase.

Nur Alphonso Davies bestritt mehr Zweikämpfe (38) als Sane (27). Eine Leistung, die Hoffnung macht - weil der Linksfuß Moral bewies anstatt sich nach seiner schwachen ersten Halbzeit seinem Schicksal zu ergeben.

FC Bayern: Leroy Sanes Leistungsdaten gegen Eintracht Frankfurt (Quelle: Opta)

Ballkontakte71
Ballverluste17
Kreierte Torchancen (inkl. Assists)5
Passquote69,8 %
Zweikampfquote51,9 %
Laufstrecke9,84 km
Sprints27
Höchstgeschwindigkeit33,56 km/h

4. Diese Eintracht ist Champions-League-reif

Von der launischen Diva zur konstanten Erfolgsmaschine: Für die Eintracht war der Sieg gegen die Bayern bereits das elfte ungeschlagene Pflichtspiel in Serie. Platz vier, punktgleich mit dem VfL Wolfsburg, ist "kein Zufall", wie Leistungsträger Filip Kostic nach dem Abpfiff zu Recht anmerkte. Sondern vielmehr das Resultat einer bemerkenswerten spielerischen Weiterentwicklung unter Trainer Adi Hütter. Weg von Alleinunterhaltern, hin zu einer starken Einheit.

So fällt beispielsweise der Weggang von Abwehrchef und "Capitano" David Abraham aus sportlicher Sicht überhaupt nicht ins Gewicht, während das Team auch gegen größere Kaliber ohne den vermeintlich unverzichtbaren Torjäger Andre Silva (am Samstag mit Rückenproblemen außen vor) auskommen kann. Einen großen Anteil daran hat die aus Daichi Kamada und Amin Younes bestehende "Doppelzehn", die mit ihrem Spielwitz jeden um sich herum besser aussehen lässt.

Kostic, von dem 2019/20 gefühlt noch das Wohl und Wehe der SGE abhing, profitiert davon ungemein, weil die Gegner der Frankfurter ihr Augenmerk jetzt nicht mehr einzig und allein auf den linken Flügel legen müssen. In dieser Form sind die Hessen Champions-League-reif - auch wenn sich die Verantwortlichen um Fredi Bobic noch in Zurückhaltung üben. "Die Tabellensituation ist verlockend, jeder spricht von der Champions League", sagte Bobic nach dem Bayern-Spiel: "Es ist aber noch ein langer Weg."

36 Punkte sind bis zum Saisonende zu vergeben. Ein Vorteil der SGE gegenüber Konkurrenten wie Borussia Dortmund oder Bayer Leverkusen: Sie kann sich ohne Doppel- oder Dreifachbelastung voll und ganz auf den Liga-Alltag fokussieren.

5. Younes verdient eine Einladung von Löw

Younes war der alles überragende Mann im Topspiel - nicht nur wegen seines schönen Tores und seiner noch schöneren Geste danach.

"Ich kann mich nicht erinnern, einen Spieler mit dieser Qualität jemals trainiert zu haben", schwärmte Frankfurt-Coach Hütter nach der Partie und versah den Auftritt des seit Wochen glänzenden Spielmachers mit dem Prädikat "Weltklasse".

Younes zeichnete sich in Durchgang eins für die Hälfte der zehn Frankfurter Torschüsse verantwortlich und bestritt mit 31 Zweikämpfen die meisten aller Offensivspieler seiner Mannschaft. Erst nach der Pause, als sich die SGE mehr dem Verteidigen verschrieb, schaltete er ein paar Gänge zurück, ehe Hütter ihn eine Viertelstunde vor Schluss unter tosendem Applaus seiner Mitspieler herunternahm.

"Ich muss die ganze Mannschaft loben, wie sie gearbeitet und Fußball gespielt hat - aber ihn extra, weil er der auffälligste Spieler der ersten Halbzeit war. Amin war ein stetiger Unruheherd, giftig und aggressiv", sagte Hütter.

Ob das auch Joachim Löw zur Kenntnis nahm? Der Bundestrainer befand sich auf der Tribüne, um mit Blick auf die kommenden Länderspiele Ende März gegen Island, Rumänien und Nordmazedonien Eindrücke zu gewinnen. Eine Nominierung des zuletzt 2017 berufenen Younes wäre in dieser Phase mehr als verdient - wenngleich er selbst nach seiner Gala gegen die Bayern meinte: "Ich will jetzt nicht in den Himmel gelobt werden."

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