Der FC Bayern verpasst die Titelentscheidung und betritt Neuland

Der FC Bayern hat in Leipzig 0:0 gespielt.
© Getty

Der FC Bayern München hat am 33. Spieltag bei RB Leipzig zwar die Titelentscheidung verpasst, doch alle Beteiligten äußerten sich über das letztlich torlose Spiel hochzufrieden. Nun betritt diese Mannschaft, von der man dachte, dass sie schon alles gesehen hat, Neuland.

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Am Ende kam Präsident Uli Hoeneß sogar noch einmal extra aus dem Mannschaftsbus des FC Bayern heraus und fuchtelte ein bisschen mit seinem Beweismittel Handy herum.

Knapp zwei Minuten lang hatte er zuvor (noch beweismittellos) die VAR-Entscheidung kritisiert, die seinem FC Bayern die vorzeitige Entscheidung des Titelduells mit Borussia Dortmund verwehrt hatte. Robert Lewandowski war im Vorfeld des vermeintlichen 1:0 von Leon Goretzka im Abseits gestanden. Knapp, aber eben doch.

"Witz des Jahres", hatte Hoeneß die Entscheidung genannt, die übrigens korrekt war. Bei VAR-Eingriffen bei Abseitsentscheidungen gibt es - anders als von Hoeneß fälschlicherweise angeführt - keine groben oder weniger groben Fehlentscheidungen wie etwa bei Handspielen oder Fouls. Dank der exakten Technik gibt es da nur: Abseits oder kein Abseits. So bitter und knapp es auch sein mag. Das erkannten letztlich auch alle anderen Verantwortlichen des FC Bayern so an.

Hoeneß also kam mit seinem Handy nochmal aus dem Mannschaftsbus heraus, ging zu den wartenden Journalisten und zeigte ihnen stolz einen Screenshot der Szene, mit der er sein vermeintliches Keine-klare-Fehlentscheidung-Recht beweisen wollte.

FC Bayern: Die Zufriedenheit war größer als der Ärger

Und das war nicht die einzige zumindest etwas überraschende Ansicht von Vertretern des FC Bayern an diesem Nachmittag. Es schien nämlich durchaus erstaunlicherweise so, als ob die Zufriedenheit über die eigene Leistung größer war als als der Ärger über die verpasste Titelentscheidung. Alle Beteiligten äußerten sich fast schon euphorisch über den Auftritt.

"Die Mannschaft hat ein großartiges Spiel abgeliefert", sagte etwa der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge. Keeper Sven Ulreich nannte es "hervorragend" und hob besonders das "super Tempo" hervor. David Alaba war gar "sehr zufrieden". Trainer Niko Kovac sprach von "totaler Dominanz" und wollte seiner Mannschaft einfach nur "ein Kompliment" aussprechen. Es klang nicht so, als hätte der FC Bayern gerade den ersten Matchball auf den Meistertitel verspielt.

Der FC Bayern hatte Chancen, aber wenige hundertprozentige

Defensiv stand der FC Bayern tatsächlich souverän. Das lag einerseits an der über weite Strecken abwartenden Spielweise von Leipzig sowie deren schluderhaft ausgespielten Kontern und andererseits an durchaus fleißigen Bayern. "Diese Zweikampfführung sieht man beim FC Bayern nicht an jedem Spieltag", lobte Thomas Müller.

Offensiv tat sich der FC Bayern zunächst schwer, wurde Mitte der ersten Halbzeit aber dominanter. Serge Gnabry scheiterte in der 28. und der 39. Minute mit seinen Abschlüssen jeweils an Leipzig-Keeper Peter Gulacsi. Dann gab es in der 50. das vermeintliche Goretzka-Tor und den VAR-Entscheid. In der 83. scheiterte der eingewechselte Franck Ribery mit einem Hackentrick.

Es gab Chancen, schon, aber letztlich wenige hundertprozentige. Die meisten waren nicht über viele Stationen herauskombiniert, sondern resultierten aus guten Einzelaktionen oder simplen Hereingaben. Das vermeintliche 1:0 ermöglichte noch dazu Leipzigs Ibrahima Konate mit einem misslungenen Kopfballklärungsmanöver. Und dann gab es noch eine Standardsituation: Robert Lewandowski setzte seinen Freistoß in der 89. Minute aber knapp rechts vorbei. "Der war ja fast schon drinnen", klagte Ulreich.

Die spannendste Titelentscheidung seit der Saison 2008/09

Weil er es aber nicht war und Dortmund sein Parallelspiel gegen Fortuna Düsseldorf mit 3:2 gewann, entscheidet sich das Titelduell am letzten Spieltag. Am Samstag ist Dortmund dann bei Borussia Mönchengladbach zu Gast und der FC Bayern empfängt Eintracht Frankfurt. Dank der um 17 Treffer besseren Tordifferenz reicht dem FC Bayern wohl ein Remis zum Titel.

"Wir haben ein Endspiel und das haben die Münchner seit Jahren, sogar Jahrzehnten nicht mehr gehabt", sagte Kovac. Es wird in der Bundesliga auf jeden Fall die spannendste Titelentscheidung seit der Saison 2008/09, als Tabellenführer VfL Wolfsburg vor dem letzten Spieltag ebenfalls nur zwei Punkte Vorsprung hatte - und ins Ziel brachte. Vor dem FC Bayern.

Thomas Müller: "So eine Situation hatten wir noch nie"

Von den aktuellen Spielern war damals lediglich Ribery mit dabei, alle anderen haben so eine knappe Titelentscheidung noch nie miterlebt. Auch nicht der eigentlich sehr erfahrene Thomas Müller, von dem man dachte, dass er bereits alles erlebt hätte. Er wurde schließlich schon sieben Mal Meister, je einmal Weltmeister sowie aus der Nationalmannschaft ausgebootet und imitierte einmal sogar ein Pferd. Müller also sagte: "So eine Situation hatten wir noch nie."

Bevor im Sommer ein großer Zyklus des FC Bayern zu Ende geht und die aktuelle Mannschaft umgebrochen und somit auseinandergebrochen wird, darf sie sich noch an einer neuen, letzten Aufgabe versuchen: einen Meistertitel an einem letzten Spieltag fixieren.

Hoeneß jedenfalls bereitet dieser Umstand weniger Sorgen als die VAR-Entscheidung, die ihn erst ermöglichte. "Ich werde die sechs oder sieben Tage bis dahin wunderbar schlafen", sagte er, "weil wenn die so kämpfen, so fighten und sich so reinhauen wie heute, dann sind wir am Samstag deutscher Meister." Zufrieden setzte er sich daraufhin mit seinem Handy in den Mannschaftsbus und öffnete sich ein Bier. Dann fuhr er los und bog ab in den Leipziger Dauerregen.

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