BVB nach Drei-Tore-Kollaps gegen TSG: Prüfstein für die Mentalität

Der BVB verspielte gegen Hoffenheim eine 3:0-Führung.
© Getty

Borussia Dortmund hat innerhalb von einer Woche viermal eine Führung verspielt - mit dem dramatischen Höhepunkt beim 3:3 nach Drei-Tore-Vorsprung gegen Hoffenheim. In Verbindung mit dem Aus im DFB-Pokal unter der Woche gegen Werder Bremen steht fest: Der BVB hat die erste Delle in einer bislang so glänzenden Saison abgekommen.

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"Die Niederlage heute", setzte Sebastian Kehl an und freute sich nicht, sich doch noch verbessern zu können: "Ach, die Niederlage ... das Unentschieden haben wir uns selbst anzukreiden. Es tut weh", sagte der Leiter der Lizenzspielerabteilung von Borussia Dortmund am Samstag in den Katakomben des Signal Iduna Parks mit wenig begeisterter Miene.

Kehl brachte damit die Stimmungslage auf den Punkt, die beim BVB nach dem dramatischen 3:3 gegen Hoffenheim herrscht. Eine sicher geglaubte Drei-Tore-Führung verschenkten die Dortmunder in den letzten 15 Minuten. In den 30 zuvor hatten sie schon viel Glück und einen starken Torhüter Roman Bürki, sonst wäre Kehls Satzanfang sogar korrekt gewesen.

"Bitter" war nach Spielschluss das am meisten benutzte Wort der Verantwortlichen in schwarzgelb. Der Tabellenführer ließ einer ersten Halbzeit, in der die Kraichgauer keinen Stich machten, einen in erster Linie defensivtaktisch eklatant schwachen zweiten Abschnitt folgen.

Pokal-Aus und 3:3 nach 3:0 - erste kleine Delle für den BVB

13 von 14 Hoffenheimer Schüssen ließ die Borussia dort zu, viele davon Hochkaräter. "Wir hatten Chancen für sechs oder sieben Tore", bilanzierte TSG-Coach Julian Nagelsmann und untertrieb damit kein bisschen.

So stand am Ende trotz bis zur 75. Minute eindeutiger Ausgangslage doch keine Dortmunder Reaktion auf das Ausscheiden im DFB-Pokal gegen Werder Bremen unter der Woche, das ähnlich unnötig war wie der doppelte Punktverlust gegen die TSG.

Es ist in einer bislang glänzend verlaufenden Saison damit der erste emotionale Niederschlag für den BVB. Der Ablauf besonders der vergangenen beiden Pflichtspiele hat eine kleine Delle hinterlassen. Viermal in sieben Tagen vergeigten die Borussen nun eine Führung (beim 1:1 gegen Frankfurt, zweimal gegen Bremen, jetzt gegen Hoffenheim), bisweilen aufgrund eigener Arglosigkeit.

Terzic: "Wir stehen der Mannschaft Fehler zu"

Das sah auch Co-Trainer Manfred Stefes so, der den grippegeschwächten Chefcoach Lucien Favre gemeinsam mit seinem Kollegen Edin Terzic an der Seitenlinie vertrat: "Wir haben naiv verteidigt bei den Toren und entscheidende Duelle verloren, die wir auch gewinnen können", sagte Stefes. Terzic wiederum warb für Verständnis für die junge Dortmunder Mannschaft. "Wir stehen ihr Fehler zu."

Diese waren beim BVB zuletzt vermehrt nach Standardsituationen und Hereingaben des Gegners zu beobachten. Alle drei Hoffenheimer Treffer fielen nach Flanken, am Dienstag schoss Bremen zwei von drei Toren nach Freistoß und Eckball. Vier Tage später konnte Dortmund vor allem gegen die hohe Physis der TSG nicht mithalten und kam in Halbzeit zwei teils überhaupt nicht mehr in die Zweikämpfe.

"Ganz leicht ist es nicht zu erklären. Wir haben angesprochen, dass Hoffenheim mit Wucht und Körpergröße kommen wird. Wir haben uns nicht mehr richtig gewehrt, nicht die Ruhe gehabt", erklärte Kehl.

BVB: Prüfstein für die Mentalität

Stellvertretend sind die beiden verlorenen Duelle von Achraf Hakimi zu nennen, der gegen Werder vor dem 3:3 keine Chance im Kopfballduell mit Martin Harnik hatte und am Samstag bei Pavel Kaderabeks 2:3 zu schlafmützig reagierte - von den beinahe identisch kassierten Standardgegentoren beim 0:1 für den SVW und dem 3:3 der TSG ganz zu schweigen. "Das ist eine Mentalitätssache", analysierte Terzic. "Wir sind in der Mitte leider nicht die Größten. Wir haben noch Ömer Toprak reingebracht. Heute hat es leider nicht funktioniert."

Und da war sie wieder, die in dieser Saison vielzitierte Mentalität des BVB, diesmal jedoch erstmals negativ angesprochen. Doch genau für sie werden die kommenden Partien ein Prüfstein sein.

Gerade ohne den zuletzt mit einer Muskelverletzung fehlenden Kapitän und Leistungsträger Marco Reus, der wohl auch den Auftritt in der Champions League bei Tottenham Hotspur am kommenden Mittwoch verpassen wird, müssen die Dortmunder nun eine Reaktion zeigen. Es geht darum zu beweisen, wie viel Mentalität auch während dieses kleinen Leistungslochs wirklich in der Mannschaft steckt.

"Wir sind im Erfolgsfall ruhig geblieben, und das werden wir auch jetzt so machen", sagte Kehl, der gegen die Spurs "ein ganz anderes Spiel" erwartet: "Es ist gut für uns, dass wir erst einmal auswärts ranmüssen."

Noch kein Grund zur Hektik in Dortmund

Damit dürfte Kehl nicht falsch liegen. Die Königsklasse ist ein anderer Wettbewerb mit einem veränderten Fokus, für den der BVB bislang meist gut den Schalter umlegen konnte.

In der Bundesliga geht es anschließend mit einer Auswärtspartie bei Schlusslicht Nürnberg weiter, die ebenso gewonnen werden muss wie der Auftritt beim FC Augsburg zwei Wochen später. Dazwischen liegt ein Heimspiel gegen die von Ex-Coach Peter Bosz trainierten Leverkusener.

Noch besteht für Hektik in Dortmund kein Grund, selbst wenn das Wochenende für den BVB kaum hätte ernüchternder verlaufen können. Fünf Punkte Vorsprung nach dem 21. Spieltag haben statisch gesehen noch jedem Tabellenführer zur Schale gelangt.

Die Borussia muss sich dennoch wieder strecken, damit bittere Punktverluste wie gegen Hoffenheim oder beim Last-Minute-2:2 gegen Hertha in der Hinrunde am Saisonende nicht in eine noch größere Enttäuschung münden.

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