Auf dem Zahnfleisch Richtung Winterpause

Jupp Heynckes im Gespräch mit Arturo Vidal, während James Rodriguez behandelt wird
© Getty

Nach dem glücklichen Erfolg in der Champions League beim RSC Anderlecht stolpert der FC Bayern München in Mönchengladbach. Die Münchner zeigen dabei Muster aus der Ära Carlo Ancelotti, das größere Problem aber ist die dünne Personaldecke.

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Die zweite Mannschaft des FC Bayern München spielt am Mittwoch gegen den TSV Buchbach. Ein wichtiges Spiel, um vielleicht den Rückstand auf den TSV 1860 München, derzeit acht Punkte vor den sechstplatzierten Münchnern, nochmal zu verkürzen. Coach Tim Walter wird dabei aber nicht aus dem Vollen schöpfen können, denn seine wichtigsten Spieler werden momentan eine Ebene höher gebraucht.

Sechs Spieler hatte der FC Bayern in Gladbach nur auf der Bank, erlaubt ist in der Bundesliga ein 18-Mann-Kader. Drei der sechs Ersatzspieler waren Kwasi Wriedt, Niklas Dorsch und Marco Friedl, die zwar zum Teil Profiverträge haben, aber eigentlich zum Kader der Amateure gehören.

Außerdem saßen da noch Tom Starke, der vor der Saison seine Karriere schon beendet hatte, Kingsley Coman und Jerome Boateng.

Heynckes bemängelt schwache erste Halbzeit

Boateng war es, der nach dem glücklichen Sieg in der Champions League beim RSC Anderlecht warnende Worte an seine Kollegen gerichtet hatte und mangelnde Aggressivität und Konzentration ausgemacht hatte. Auch Heynckes hatte seine Mannschaft in Belgien nicht wiedererkannt.

In seiner Heimat Mönchengladbach fand er sie auch nur in Teilen der ersten 45 Minuten wieder. "Wir haben aufgrund der ersten Halbzeit verloren", sagte Heynckes. "Wir haben zu wenig investiert, zu langsam gespielt, die Drehzahl erhöht und keinen Rhythmus gefunden."

Ist der Kader des FC Bayern zu klein?

Der offensichtlichste Grund für die erste Leistungsdelle unter Heynckes sind die Verletzungsprobleme. Vor der Partie gegen die Borussia fehlten Manuel Neuer, Thomas Müller, Arjen Robben, Franck Ribery, David Alaba, Thiago Alcantara und Rafinha. In Gladbach kamen Juan Bernat (Ziehen im Oberschenkel) und James Rodriguez (Verdacht auf Gehirnerschütterung) hinzu.

Viel Arbeit für die neue medizinische Abteilung unter der Leitung von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Einige Kritiker sehen sich in dieser Extremsituation darin bestätigt, dass der Kader der Münchner zu klein sei. Ansichtssache.

Viel interessanter ist da schon die Suche nach der Entstehung der ganzen Verletzungen. Externe Einflüsse wie bei James sind nicht zu kontrollieren, die Häufung der Muskelverletzungen werfen aber Fragen auf.

Woher kommen die vielen Verletzungen?

Heynckes hat bisher nicht nur einmal betont, dass er ein sehr vorsichtiger Trainer sei, der bei nicht ganz fitten Spielern kein Risiko eingehe. Er hat aber mindestens ebenso oft betont, dass er die Intensität im Training deutlich nach oben gefahren habe.

Beim FC Bayern müssen sie sich jetzt also mit der Frage beschäftigen, ob die Spieler nach der Belastungserhöhung und den anstrengenden ersten Wochen unter Heynckes mit vielen wichtigen Spielen in ein kleines Loch fallen. Oder bzw. und ob den Spielern vielleicht auch aufgrund von Versäumnissen in der Vorbereitung gewisse Grundlagen fehlen.

Schon vor Ancelottis Entlassung wurde in München viel über die Methoden seines rauchenden Fitnesstrainers Giovanni Mauri diskutiert. Allerdings hatten die Bayern über weite Strecken der Vorsaison unter dem Italiener kaum Verletzungssorgen.

Zu viele Flanken aus dem Halbfeld

Die Bayern brauchen vor allem ihre Offensivspieler, um sich gegen Bollwerke wie das der Gladbacher Chancen zu erspielen. Wie schon in der Ära Ancelotti griffen die Münchner zu oft auf das Mittel der ungezielten Flanke aus dem Halbfeld zurück.

Bereits bei der ersten Niederlage der Saison in Hoffenheim war das ineffiziente Flügelspiel ein Knackpunkt, in Gladbach standen 38 Flanken aus dem Spiel zu Buche.

Dennoch wäre auch gegen die Borussia aufgrund der Leistungssteigerung in Halbzeit zwei (Heynckes: "Wir haben nur noch auf ein Tor gespielt und auch läuferisch überzeugt.") ein Punktgewinn nicht unverdient gewesen. Auf der anderen Seite hatte sich der erste Punktverlust nach dem Auftritt und der langen Verletztenliste in Anderlecht auch abgezeichnet.

Eine Woche zum Wundenlecken

Personell kommen die Bayern gerade auf dem Zahnfleisch daher. Sie haben jetzt eine Woche Pause, um ihre Wunden zu lecken. Eine Rückkehr von Müller, Alaba, Rafinha und Bernat im Heimspiel gegen Hannover 96 ist wahrscheinlich, auch bei Robben und James besteht Hoffnung.

Bei der angespannten Situation muss Heynckes aber möglicherweise bis zum Ende der Vorrunde auch noch einmal über seinen Schatten springen und bei dem einen oder anderen Spieler mehr Risiko gehen. Bei Coman hat er das bei dessen Einsatz in Hamburg schon mal getan.

Der Trainer hat in den letzten Wochen immer wieder betont, dass er noch viel Arbeit vor sich habe. Durch die sechs ausstehenden Spiele bis zur Winterpause werden sich die Bayern durchkämpfen müssen, dann haben sie in der kurzen Winterpause etwas Zeit, um sich personell und spielerisch zumindest in Teilen neu aufzustellen.

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