Die Fußball-Kolumne - Rentner Rummenigge: Vom Killer-Kalle zum westfälischen Friedensengel

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Als Bayern-Boss wurde Karl-Heinz Rummenigge einst als "Technokrat mit Eiswürfelaugen" bezeichnet. Seit seinem Abschied will er dagegen "der gute Mann im Hintergrund sein", hat aber weiterhin wichtige Aufgaben auf höchster Ebene. Die Fußball-Kolumne.

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Es war einer seiner ersten öffentlichen Auftritte seit dem Ausscheiden als Bayern-Boss zum 1. Juli. Am Mittwochabend nahm ein spürbar gut gelaunter Karl-Heinz Rummenigge stellvertretend für den deutschen Rekordmeister den Ehrenpreis des "Vereins Deutscher Fußball Botschafter" in Berlin entgegen.

Weit weniger entspannt war Rummenigge bei seinem letzten Besuch in der deutschen Hauptstadt in offizieller Funktion gewesen. Anfang Februar versuchte der FCB vergeblich noch in der Nacht nach dem Bundesligaspiel bei Hertha BSC (1:0) vom Flughafen BER nach Katar zur Klub-WM aufzubrechen.

Weil die Deutsche Flugsicherung wenige Minuten nach Mitternacht wegen des Nachtflugverbots die Starterlaubnis verweigerte, mussten die Münchner Millionäre bis zum frühen Morgen auf der Landebahn warten. Weshalb Rummenigge damals der Kragen platzte.

"Wir fühlen uns von den zuständigen Stellen bei der brandenburgischen Politik total verarscht. Die Verantwortlichen wissen gar nicht, was sie unserer Mannschaft damit angetan haben", schimpfte der seinerzeitige Vorstandsvorsitzende und verstieg sich gar zu einer Art Verschwörungstheorie.

Rummenigge: Beckenbauer bezeichnete ihn einst als "Bratwurst"

"Man hatte immer den Eindruck, in Brandenburg ist irgendeiner, der den FC Bayern nicht mag oder irgendein Problem mit dem FC Bayern hat und dementsprechend uns Hürden in den Weg gestellt hat", so Rummenigge, der dabei auch nationale Interessen beeinträchtigt sah. Schließlich trete der FCB "als deutscher Verein für unser Land" an und ein Titelgewinn würde "der Bundesliga und damit auch unserem Land nicht schlecht zu Gesicht stehen".

Die Aussagen sorgten für einiges Aufsehen und so manchen süffisanten Kommentar. "Rummenigge hat die mitunter anmaßende 'Mia-san-mia-Überzeugung' mindestens genauso eindrucksvoll verkörpert wie Uli Hoeneß, war dabei aber bei weitem nicht so charmant und volksnah wie sein langjähriger Mitstreiter", schrieb etwa die Berliner Zeitung und meinte mit Blick auf den bevorstehenden Abschied ironisch: "Killer-Kalle, der es vom fußballspielenden Banklehrling zum einflussreichsten deutschen Fußballfunktionär geschafft hat, wird uns fehlen."

Den Spitznamen "Killer-Kalle" hatte ihm der Spiegel bereits in den 1990er Jahren gegeben, als er seine Laufbahn im Bayern-Vorstand begonnen hatte. Eine Mischung aus Angst und Respekt schwang dabei mit, die in krassem Widerspruch zu Rummenigges Anfängen bei den Bayern stand. So hatte Franz Beckenbauer den jungen Stürmer nach seinem Wechsel Mitte der 70er Jahre als "Bratwurst" bezeichnet, andere nannten ihn abschätzig "Rotbäckchen" oder "Rummelfliege".

Rummenigge und Hoeneß gerieten einige Male aneinander

Daher gefiel ihm die Titulierung als "Killer-Kalle" durchaus, wie der Tagesspiegel vor einigen Jahren berichtete, "weil es seinem Wunsch entspricht, als tougher Manager zu gelten, der Gefühle, so er sie hat, hintanstellt hinters große Ganze".

Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete ihn einst im Gegensatz zum damaligen Manager Uli Hoeneß als "Technokraten mit Eiswürfelaugen, dessen Angriffe auf die Konkurrenten so auswendig gelernt rüberkommen wie die von Guido Westerwelle im Bundestag".

Er sei früher "ein Stück weit aggressiv" gewesen, gestand Rummenigge und meinte zu seinem Verhältnis zu Hoeneß: "Er war der emotionale Part in diesem Job und ich war eher der etwas ruhigere Ostwestfale, der die Dinge etwas rationaler gesehen hat. Da ist auch ab und zu die ein oder andere Tür geknallt worden."

Nach allem, was man weiß, soll es dieses Türenknallen häufiger gegeben haben. Angeblich gab es sogar bis zuletzt eine recht klare Aufteilung des Vereins in ein Hoeneß- und ein Rummenigge-Lager. "Ich habe kurioserweise jetzt, seit ich aufgehört habe, ein echt gutes Verhältnis zu Uli", gab Rummenigge nun in Berlin indirekt zu, dass es lange Jahre etwas anders war. Eine Bipolarität, die durch Reibung zu manchem Erfolg führte, aber auch immer wieder öffentliche und noch mehr nicht-öffentliche Auseinandersetzungen zur Folge hatte.

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Rummenigge hält sich seit seinem Abschied "wirklich raus"

Für Rummenigge ist das aber kein Thema mehr, seit er sich im Sommer zum vorzeitigen Ausstieg aus seinem noch bis Ende des Jahres laufenden Vertrags als CEO der FC Bayern Fußball AG entschlossen hatte. "Ich habe ganz zielbewusst den Staffelstab an Oliver Kahn übergeben, weil ich glaube, er muss die Verantwortung für die ganze Saison haben und nicht nur für die halbe", erklärte der einstige Nationalmannschaftskapitän am Mittwoch.

Er sei daher zusammen mit seiner Frau nach dem Abschied Ende Juni "erstmal für lange Zeit nach Sylt gegangen, um zu entschleunigen und mich ein bisschen gedanklich aus dem Tagesgeschäft zu lösen", berichtete er über "den ersten Sommerurlaub ohne Transfer-Telefonate" im eigenen Haus auf der Nordseeinsel.

In seinem Ex-Verein hat er seitdem offiziell nur noch das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden der gemeinnützigen "FC Bayern Hilfe e.V.", inoffiziell scheint er sich aber in seiner Rolle als Elder Statesman und Versöhner wohlzufühlen. "Kalle hält sich wirklich raus. Er ist froh, dass es vorbei ist nach 30 Jahren", sagt ein langjähriger Mitarbeiter und Insider: "Er will der gute Mann im Hintergrund sein."

Rummenigge beim FC Bayern als Versöhner

So berichtete Rummenigge auf der Bühne in Berlin nicht ohne Stolz, dass es ihm gelungen sei, die "ewigen" Streithähne Uli Hoeneß und Paul Breitner zu versöhnen und man nun einen gemeinsamen Besuch bei Beckenbauer in dessen Wohnort Salzburg anstrebe. Auch sonst sei ihm nicht langweilig, erzählte der Ruheständler: "Und wenn mir langweilig ist, habe ich ja noch sechs Enkel, da hat man schon viel Freude, mit denen zu spielen."

Bei allem Understatement darf man aber nicht vergessen, dass Rummenigge seit dem Frühjahr wieder eine wichtige Rolle im internationalen Fußball spielt. Damals war er quasi über Nacht in die UEFA-Exekutive berufen worden, nachdem der Platz von Juventus-Boss Andrea Agnelli wegen dessen letztlich gescheiterten Superleague-Plänen vakant geworden war. "Da war die Unruhe sehr groß und da brauchte man irgendein beruhigendes Organ, das ich vielleicht dargestellt habe", meinte Rummenigge.

Somit ist der Ehrenvorsitzende der Vereinigung der europäischen Topklubs (ECA) der zweite Deutsche in der UEFA-Regierung neben DFB-Interimspräsident Rainer Koch. Alle zwei Monate trifft sich das Gremium, bis 2024 ist Rummenigge ernannt und plant auch keinen vorzeitigen Rückzug, wenn Oliver Kahn in Kürze in den Vorstand der ECA aufrücken sollte.

DFB-Präsident will Rummenigge nicht werden

Entsprechenden Einfluss kann Rummenigge, der ein sehr gutes Verhältnis zu Präsident Alexander Ceferin hat, für den FC Bayern und deutschen Fußball nehmen. Am Mittwoch sprach er sich klar gegen eine Weltmeisterschaft alle zwei Jahre und für eindeutige wirtschaftliche Vorgaben auf Vereinsebene aus: "Die wichtigste Aufgabe, die jetzt im Klubfußball zu bewältigen ist, ist das Financial Fairplay. Da muss man in den nächsten Monaten eine gute Lösung finden, um eine gewisse Wettbewerbsgleichheit international zu gewährleisten."

Weitere Jobs als Funktionär, etwa eine Bewerbung für die offene Position des künftigen DFB-Präsidenten, hat Rummenigge schon mehrfach kategorisch ausgeschlossen. Stattdessen will er "das Leben mit der Familie genießen", wie sein Bruder Michael kürzlich erzählte. Dies sei ihm sogar schon relativ gut gelungen: "Kalle ist viel lockerer geworden."

Immerhin ist er Ende September 66 geworden und da fängt bekanntlich frei nach Udo Jürgens das Leben erst richtig an.

FC Bayern: Der Spielplan nach der Länderspielpause

DatumWettbewerbBegegnung
17. Oktober, 15.30 UhrBundesligaBayer Leverkusen - FC Bayern München
20. Oktober, 21 UhrChampions LeagueBenfica Lissabon - FC Bayern München
23. Oktober, 15.30 UhrBundesligaFC Bayern München - 1899 Hoffenheim
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