FC Bayern München - Daniel Sikorski im Interview: "In einem Hotel nahe dem Himalaya schliefen wir auf Brettern"

Daniel Sikorski spielte von 2005 bis 2010 für die Reserve des FC Bayern München, verpasste aber den Sprung zu den Profis.
© IMAGO / photoarena/Eisenhuth

Daniel Sikorski (33) kam 2005 mit 17 Jahren zum FC Bayern München, spielte fünf Jahre in der Reserve und verpasste den Sprung zu den Profis. Im Interview mit SPOX und Goal blickt der österreichische Stürmer auf schöne und schwierige Momente in München zurück und erzählt seine besten Anekdoten.

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Sikorski berichtet von einer Fahrt mit einer Party-Straßenbahn, einer erst neulich eingelösten Wette mit Reserve-Trainer Hermann Gerland und einer Indien-Reise, bei der Thomas Müller wegen des scharfen Essens statt zum Training nur aufs Klo ging. Außerdem erinnert er sich an seinen Kreuzbandriss und den Moment, als er dem Profi-Debüt ganz nahe war.

Herr Sikorski, stimmt es, dass Sie im Alter von elf Jahren einen Bewerbungsbrief an den FC Bayern München geschickt haben?

Daniel Sikorski: Ja, ich habe geschrieben, dass ich für den SV Waidhofen an der Thaya ziemlich viele Tore schieße, unbedingt für Bayern spielen will und ob ich für ein Probetraining vorbeikommen dürfe. Ich habe sogar eine Antwort bekommen. Darin stand, dass ich noch zu jung sei, der Klub mich aber auf dem Radar behalte.

An wen war der Brief adressiert?

Sikorski: An keine bestimmte Person, ich habe ihn an die Adresse an der Säbener Straße geschickt. Damals habe ich viele Briefe geschrieben. Auch einen an Michael Schumacher mit der Bitte um eine Autogrammkarte, die ich dann tatsächlich bekommen und bis heute aufgehoben habe.

Mit 17 Jahren sind Sie doch noch beim FC Bayern gelandet. Wie ist der Wechsel zustande gekommen?

Sikorski: Ich war damals in der Akademie von St. Pölten und österreichischer Juniorennationalspieler. Als Erstes ist Inter Mailand auf mich aufmerksam geworden. Dort war ich bei einem dreitägigen Probetraining, ehe mich ein Vermittler von Bayern kontaktiert und gefragt hat, ob ich mir einen Wechsel vorstellen könnte. Bayern war schon immer mein Traumverein, also hat sich die Frage nicht gestellt.

Sie waren damals noch in der Schule. Wie lief das nach dem Wechsel?

Sikorski: Ich hatte noch ein Jahr vor mir und das wollte ich unbedingt durchziehen. Bayern hat mir eine Privatschule organisiert, bei der ich meinen Abschluss gemacht habe.

Was sind Ihre ersten Erinnerungen an München?

Sikorski: Ich weiß noch genau, als ich mein Trainingsshirt bekommen habe. Mein Platz in der Kabine war direkt neben einem Waschbecken und dort hing ein Spiegel. Nachdem ich das Shirt zum ersten Mal angezogen habe, bin ich an dem Spiegel vorbeigegangen und habe mich darin mit dem Bayern-Emblem auf meinem Herzen gesehen. So viel Stolz habe ich selten gefühlt.

Wo waren Sie in München untergebracht?

Sikorski: Der Klub hat mich vor die Wahl gestellt, im Internat oder in einer eigenen Wohnung zu leben. Ich habe mich für die Wohnung entschieden und eine in Giesing in der Nähe des Grünwalder Stadions bekommen. Als ich dort rausmusste, habe ich mir eine neue ein paar Straßen entfernt gesucht, weil es mir in der Gegend so gut gefallen hat.

Wer waren Ihre ersten Bezugspersonen in München?

Sikorski: Ganz am Anfang hat sich vor allem Stefan Maierhofer (hier geht es zum Interview mit ihm) um mich gekümmert. Er war wie ein großer Bruder für mich. Wir haben viel unternommen und sind auch öfter gemeinsam heim nach Österreich gefahren. Außerdem war ich eng mit Sandro Wagner befreundet. Bei den Heimfahrten nach Auswärtsspielen haben wir im Bus immer gepokert. Weil Sandro meistens die richtige letzte Karte bekommen hat, hat er sich River-Sandro genannt.

Nach seinem Wechsel zum FC Bayern München wurde Landsmann Stefan Maierhofer zu Daniel Sikorskis erster Bezugsperson.
© Daniel Sikorski
Nach seinem Wechsel zum FC Bayern München wurde Landsmann Stefan Maierhofer zu Daniel Sikorskis erster Bezugsperson.

Daniel Sikorski erzählt Anekdoten vom Münchner Nachtleben

Wie haben Sie Ihre Freizeit verbracht?

Sikorski: Wir waren oft bei einer Bowlingbahn in Giesing und im Sommer im Englischen Garten. Dort sind wir herumgelegen, haben uns durch den Eisbach treiben lassen - und natürlich nach Mädels Ausschau gehalten. Nach guten Spielen sind wir am Abend losgezogen. Es war eine super Zeit.

Haben Sie ein paar Anekdoten parat?

Sikorski: Einmal haben wir uns mit der ganzen Mannschaft eine Party-Straßenbahn gemietet, sind darin durch die Stadt gefahren und haben gefeiert. Vorher hatten wir ausgemacht, dass wir alle Tracht tragen. Ein anderes Mal haben mich Paolo Guerrero und Jose Luis Ortiz in einen Reggaeton-Klub bei der Kultfabrik am Ostbahnhof geschleppt. Wie ich gehört habe, gibt es die aber mittlerweile leider nicht mehr. Guerrero und Ortiz waren damals gut befreundet und haben immer nur Reggaeton gehört. In Erinnerung geblieben ist mir auch ein Besuch im Restaurant H'ugo's.

Erzählen Sie!

Sikorski: Ich bin gut befreundet mit Rubin Okotie (ein aktuell vereinsloser österreichischer Stürmer, Anm. d. Red.), der mich damals manchmal in München besucht hat. Bei einem dieser Besuche haben wir im H'ugo's gegessen und Luca Toni war zufälligerweise auch da. Er saß mit seinen Freunden ein paar Tische weiter. Als der Laden zugemacht hat und ich bezahlen wollte, kam Toni zu uns und meinte: "Heute geht alles auf mich!"

Waren Sie auch mal im legendären Nobelclub P1?

Sikorski: In den Boulevard-Zeitungen war es immer ein großes Thema, wer wann im P1 war und was dort passiert. Für mich war es cool, mit 18 oder 19 zum ersten Mal selbst reinzugehen und in diese Welt einzutauchen.

Daniel Sikorski über eine Wette mit Gerland

Ihr Trainer bei der Reservemannschaft war Hermann Gerland. Wie haben Sie ihn erlebt?

Sikorski: Ich bin bis heute dankbar, dass ich ihn den Tiger in jungen Jahren als meinen Trainer hatte. Die Arbeit mit ihm hat mich sehr stark geprägt. Für junge Spieler ist der Tiger genau der richtige Trainer, weil er seine Linie knallhart durchzieht. Bei ihm gibt es kein links oder rechts.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Sikorski: Als ich zu Bayern gewechselt bin, hatte ich nur weiße Fußballschuhe. Das haben die Jungs mitbekommen und gesagt: "Siki, das wird nicht hinhauen. Der Tiger erlaubt keine weißen Schuhe." Also habe ich mir schwarze aus glänzendem Lackleder gekauft. Als der Tiger sie gesehen hat, meinte er: "So kannst du in die Kirche gehen, aber nicht zu meinem Training." Das Coole an ihm war aber, dass man sich Privilegien verdienen konnte. In meiner dritten Saison habe ich zwölf Tore geschossen, mich danach zum ersten Mal getraut, weiße Schuhe zu tragen - und er hat nichts gesagt. In meiner letzten Saison unter ihm habe ich nur sieben Tore geschossen und deswegen eine Wette verloren, die ich neulich eingelöst habe.

Um was ging es?

Sikorski: Wir hatten um 500 Euro gewettet, dass ich über zehn Tore schieße. Das ist mir nicht gelungen, warum auch immer habe ich die Wette damals aber nicht eingelöst. David Alaba, mit dem ich bis heute gut befreundet bin, hat mich seitdem öfter darauf aufmerksam gemacht und als ich mal mit Thomas Müller telefoniert habe, hat er auch gefragt: "Siki, was ist eigentlich aus deiner Wette mit dem Tiger geworden?" Letzte Saison habe ich in Spanien bei CD Guijuelo gespielt und als ich im Sommer mit dem Auto heim nach Österreich gefahren bin, habe ich einen Zwischenstopp in München gemacht. Ich habe ein Kuvert mit den 500 Euro und einem kleinen Brief vorbereitet, es David gegeben und ihm gesagt, dass er es dem Tiger überreichen soll, damit ich endlich ruhig schlafen kann.

Wie ging es weiter?

Sikorski: Ein paar Tage später hat mir Thomas bei Instagram geschrieben und nach meiner aktuellen Nummer gefragt. Ich habe sie ihm geschickt und gefühlt eine Minute später hat mich der Tiger angerufen. Er hat gemeint, dass er nicht mehr dran geglaubt habe, das Geld jemals noch zu sehen. Er wollte es für wohltätige Zwecke spenden. Dann hat er mich gefragt, wie es mir geht, wo ich bin, ob ich eine Frau habe und ob sie auch gut zu mir ist. Am Ende hat er mich und meine ganze Familie zu sich nach München eingeladen. Bei Bayern ist man nie wirklich weg. Für Jungs, die früher mal da waren, stehen die Türen immer offen. Der Klub ist eine richtige Familie und das ist nicht nur gespielt.