FC Bayern: Immun gegen Wankelmut? Rekord-Duo Neuer/Lewandowski ist die FCB-Konstante

Von Dennis Melzer
Robert Lewandowski ist eine der wenigen Konstanten des FC Bayern 2021.
© getty

Der FC Bayern hatte zuletzt mit enormen Schwankungen zu kämpfen. Zwei Stars scheinen jedoch immun gegen den Münchner Wankelmut zu sein.

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Eines stand bereits vor der Begegnung zwischen dem FC Bayern und dem FC Augsburg am Mittwoch fest: Manuel Neuer würde definitiv einen Rekord von Torwart-Legende Oliver Kahn einstellen.

Sollte er an diesem Januarabend kein Gegentor kassieren, würde er mit dem früheren Schlussmann und heutigen Sportvorstand in puncto Zu-Null-Spiele in der Bundesliga gleichziehen.

196-Mal war Kahn seinerzeit ohne Gegentor geblieben - Bestmarke in der Geschichte des deutschen Oberhauses. Doch auch einen Vereins-Negativrekord nannte der dreimalige Welttorhüter bis dato sein Eigen. Kahn wurde in der Saison 2000/01 in zwölf aufeinanderfolgenden Spielen mindestens einmal überwunden, Neuer stand vor dem bayerischen Derby in Augsburg in dieser Statistik bei elf Partien.

Am Ende entschieden nur Zentimeter darüber, welchen Kahn-Rekord Neuer letztlich einstellen würde. FCA-Angreifer Alfred Finnbogason setzte in der 76. Minute einen Handelfmeter an den linken Pfosten, der FCB-Keeper hatte die andere Ecke gewählt und wäre somit machtlos gewesen. Erstmals seit Ende Oktober vergangenen Jahres (5:0 gegen Eintracht Frankfurt) musste Neuer also nicht hinter sich greifen, Kahns Rekord war egalisiert.

FC Bayern München - Bundesliga-Bestmarke: Kahn braucht 555 Spiele, Neuer nur 422

Dabei benötigte der 34-Jährige deutlich weniger Spiele als sein Vorgänger. Kahn wahrte die Weiße Weste letztmals in seinem 555. Bundesliga-Spiel, Neuer blieb im 422. Auftritt zum 196. Mal ohne Gegentreffer (durchschnittlich also jedes 2,15. Spiel).

"Man muss versuchen, immer besser zu werden", sagte Neuer im Anschluss an das 1:0 in der Fuggerstadt bescheiden bei Sky und schob nach: "Wer weiß, wer in Zukunft den nächsten Rekord bricht. Es werden ja auch Torhüter nach mir kommen und dementsprechend gibt es immer ehrgeizige Ziele."

Der - aus Bayern-Sicht - positive Nebeneffekt war, dass nach der Krisenwoche, in der die Duelle sowohl mit Mönchengladbach als auch mit Kiel verlorengingen, der zweite Pflichtspielsieg in Serie eingefahren wurde. Dieses Ziel hatte Trainer Hansi Flick im Vorfeld ausgerufen, dabei allerdings auch zu Protokoll gegeben: "Aber natürlich wollen wir auch mal wieder die Null sehen."

Trotz seiner beeindruckenden Leistungen, die ihm Mitte Dezember den Welttorhüter-Titel der FIFA eingebracht hatten, sah sich Neuer in der jüngeren Vergangenheit regelmäßig mit gegnerischen Angreifern konfrontiert, die ohne große Gegenwehr auf ihn zu laufen durften und die Kugel oftmals im Kasten unterbrachten. Dabei traf den Schlussmann die geringste Schuld, hatten seine Vordermänner ihm derlei Situationen doch mit Stellungsfehlern oder Ballverlusten eingebrockt.

Bayern-Abwehr überließ Neuer seinem Schicksal

Dass Neuer zuletzt verhältnismäßig häufig den Ball aus dem eigenen Netz fischen musste, hatte dabei also nichts mit fehlender Konstanz zu tun. Ganz im Gegenteil: Der gebürtige Gelsenkirchener hielt das, was zu halten war, einen eklatanten Patzer suchte man bei ihm vergeblich - zumindest, wenn man ihm die beiden jeweiligen 0:1-Rückstände gegen den VfB Stuttgart (28.11.20) und RB Leipzig (05.12.20) nicht als grobe Patzer auslegen möchte.

Sprich: Neuer stach aus einem wankelmütigen Kollektiv, in dem unlängst nahezu jeder Akteur mindestens einmal mit Formschwächen zu kämpfen hatte, als Konstante heraus.

FC Bayern: Robert Lewandowski stellt Gerd Müllers Rekord in den Schatten

Ebenjenes Prädikat trifft auch auf einen weiteren Bayern-Star zu. Torjäger Robert Lewandowski scheint ebenfalls gegen die Leistungsschwankungen, von denen das Gros seiner Teamkollegen heimgesucht wurde, immun zu sein. Noch nie zuvor war es einem Bundesliga-Spieler gelungen, in einer Hinrunde mehr als 20 Treffer zu erzielen, nur der legendäre Gerd Müller hatte genau diese beeindruckende Torausbeute in der Halbserie der Saison 1968/69 zustande gebracht.

Den Uralt-Rekord des Bombers hatte Lewandowski schon nach 15 Bundesligaspielen eingestellt, am vergangenen Wochenende gegen den SC Freiburg mit seinem 21. Saisontor einen alleinigen Höchstwert aufgestellt. In Augsburg, im letzten Spiel der ersten Saisonhälfte, steuerte er Nummer 22 bei. Beeindruckend, dass der Pole in der laufenden Spielzeit nahtlos an die Darbietungen seiner Übersaison anknüpft, in der deutschen Beletage sogar noch drei Tore mehr erzielte als in der vergangenen Hinrunde.

57,58 Prozent! Robert Lewandowski mit herausragender Chancenverwertung

Eine erstaunliche Entwicklung, die bei Betrachtung der Daten (Quelle: Opta) ein schlüssiges Bild ergibt. Lewandowski münzt in dieser Saison 57,58 Prozent seiner Großchancen (inklusive Elfmeter) in Tore um, nie zuvor war der Goalgetter während seiner Bayern-Zeit derart sicher beim Verwandeln der Hochkaräter. Zum Vergleich: In der vergangenen Saison kam er wettbewerbsübergreifend auf einen Wert von 52,27 Prozent, in seiner ersten Saison in München standen diesbezüglich lediglich 36,17 Prozent zu Buche.

Überraschender mutet hingegen seine Zweikampfbilanz an. Lewandowski entschied in der Hinrunde durchschnittlich 37,4 Prozent seiner direkten Duelle für sich, was für einen Mittelstürmer nicht unbedingt außergewöhnlich ist. Dennoch ist es der bislang schwächste Wert für Bayerns Nummer neun. 2019/20 betrug die Zweikampfbilanz noch 48,9 Prozent (persönlicher Bestwert seit seinem Wechsel), die vorvergangene Runde schloss er mit 45,9 Prozent ab.

Eine nette statistische Spielerei, aber eben auch nackte Zahlen, die - zumindest mit Blick auf die Zweikampfquote - lediglich als solche zu verstehen sind. Lewandowski wird nicht als Bayerns Lebensversicherung tituliert, weil er besonders herausragende Zweikampfwerte verbucht, sondern, weil er als verlässlicher Dauerknipser agiert. Außerdem, das wird bereits seit geraumer Zeit thematisiert, hat er sich zu einem absoluten Teamspieler gemausert, der das Wohl der Mannschaft über die eigenen Bedürfnisse stellt.

Dass er, der normalerweise keine Minute auf dem Platz freiwillig verpassen möchte, in Augsburg selbst seine Herausnahme anregte, war für viele Experten der neuerliche Beweis der Lewy'schen Wandlung. Sein Trainer klärte nach dem Spiel auf: "Es ist so, dass er es heute schon angedeutet hat, dass er etwas spürt in der Muskulatur, Oberschenkel-Rückseite. Ich habe ihm gesagt, dass er ein Zeichen geben soll, wenn er etwas spürt."

Lewandowski gab besagtes Zeichen. "Wir wollen kein Risiko eingehen. Robert ist für uns ein sehr wichtiger Spieler. Gerade in den Spielen, die wir bis zur Länderspielpause haben, brauchen wir jeden einzelnen Spieler, gerade auch Robert. Es war präventiv, er hat keine Verletzung", erklärte Flick weiter. Gut für die Bayern. Eine seiner beiden Konstanten zu verlieren, wäre nämlich definitiv ein Fiasko.

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