So viel mehr als Mentalität: Das macht Joshua Kimmich zum unverzichtbarsten Spieler für den FC Bayern und die Nationalmannschaft

Hansi Flick rotierte gegen Köln kräftig - aber auf Jo Kimmich konnte er nicht verzichten.
© imago images / Poolfoto

Mindestens acht Spiele muss der FC Bayern München noch ohne Joshua Kimmich auskommen. Schon im ersten Spiel ohne ihn, beim 1:1 gegen Bremen, zeigte sich, dass das kaum geht. Was Kimmich so wertvoll macht - eine Datenanalyse.

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Gut möglich, dass Hansi Flick als erfolgreichster Trainer des FC Bayern München in die Geschichte eingehen wird; alleine die Ausbeute seiner nun 50 Spiele mit 45 Siegen, 2,74 Punkten im Schnitt und fünf Titeln ist so monströs, dass Flick sich ab sofort schon von einem schlecht programmierten Avatar ohne Fußballkenntnisse vertreten lassen müsste, um die Bilanz nachhaltig zu zerstören.

Als experimentierfreudigster Trainer des deutschen Rekordmeisters wird Flick aber wohl eher nicht in die Geschichte eingehen. In der vergangenen Saison rotierte Flick nur sehr sparsam. In dieser Spielzeit setzt der Trainer zwar wegen der hohen Spieltaktung und diverser Verletzungen viele Spieler ein, doch erst beim 1:1 gegen Werder Bremen am Samstag schickte er seine Mannschaft im 14. Versuch zum ersten Mal mit einer veränderten Grundordnung auf den Platz. Weil der Coach das Gefühl hatte, keine Wahl zu haben. (Video: Die Highlights des 1:1 des FC Bayern gegen Bremen).

Statt aus Flicks 4-2-3-1-Lieblingsformation mit zwei versetzt agierenden zentralen Mittelfeldspielern agierten die Bayern von Beginn an aus einer 4-1-4-1-Grundordnung mit Javi Martinez als einzigem Sechser (nach Lucas Hernandez' früher Verletzung rückte Martínez in die Viererkette und Leon Goretzka auf die Sechs). Jamal Musiala und Thomas Müller deckten davor die zentralen Halbräume ab. (Video: Flick erklärt Folgen von Hernandez Auswechlung)

Das klappte bekanntlich höchstens semigut. Der deutsche Rekordmeister hätte das Spiel auch verlieren können. Die Münchner taten sich schwer, agierten umständlich und ohne die übliche Dominanz, konnten sich kaum freispielen, in der ersten Halbzeit gelang ihnen kein einziger Schuss aufs Tor - was in den vergangenen zehn Jahren zuvor ganze dreimal passiert war.

Flick: "Joshua Kimmich fehlt immer"

Und so taugte schon das erste komplette Spiel der Bayern ohne den verletzten Joshua Kimmich als Beleg für die von Rekordnationalspieler Lothar Matthäus stellvertretend unmittelbar nach Kimmichs Verletzung bei Sky ausgesprochene und ausnahmsweise gar nicht mal so steile These, dass Kimmich "unersetzbar" sei und er seinen Trainern Flick und Joachim Löw gleichermaßen fehlen würde.

Bundestrainer Löw hatte nach dem 0:6 gegen Spanien weiß Gott andere Sorgen, als sich auch noch über die Auswirkungen von Kimmichs Abwesenheit abstrakte Gedanken zu machen (vermutlich hätte Kimmich auf dem Platz wirklich nicht zugelassen, dass sich die DFB-Elf ihrem Schicksal ergibt). Flick aber sagte nach dem nicht ganz so traumatischen 1:1 gegen Bremen immerhin: "Joshua Kimmich fehlt immer."

Höchstwahrscheinlich so sehr wie kein anderer deutscher Spieler fehlen kann. Dessen Siegbilanz beim FC Bayern ist zwar nicht ganz so beängstigend wie die seines Trainers, aber Kimmich ist ja auch schon etwas länger dabei. Seit seinem Debüt in der Saison 2015/2016 gewann der FC Bayern, wenn Kimmich auf dem Platz stand, 77,6 Prozent seiner Bundesligaspiele. In der Champions League waren es 75,5 Prozent. Ohne Kimmich gewann Bayern in der Liga 69,2 Prozent seiner Spiele. In der Königsklasse ist der Kimmich-Siegfaktor noch größer, da gewann Bayern ohne ihn gerade mal 42,9 Prozent seiner Spiele.

Kein Wunder, dass Kimmich überhaupt nur 26 in dieser Zeit theoretisch mögliche Spiele in der Bundesliga und sieben in der Champions League verpasst hat.

Joshua Kimmich: So spielt Bayern mit und ohne ihn

FC Bayern mit und ohne Kimmich in der Bundesliga:

FC Bayern mit Kimmich

FC Bayern ohne Kimmich

152

Spiele

26

118

Siege

18

20

Unentschieden

5

14

Niederlagen

3

414

Tore

63

2.7

Tore pro Spiel

2.4

128

Gegentore

15

0.8

Gegentore pro Spiel

0.6

77.6%

Siegquote

69.2%

2.5

Punkte pro Spiel

2.3

18.2

Torschüsse pro Spiel

17.9

Auch sonst sind die Daten eindeutig. Mit Kimmich auf dem Platz - egal, ob als Rechtsverteidiger oder im Mittelfeld - schießt Bayern im Schnitt mehr Tore (Bundesliga: 2,7 zu 2,4. CL: 2,9 zu 2,0), kreiert mehr Torchancen (Bundesliga 18,2 zu 17,9. CL: 19,5 zu 18,4), lässt aber auch mehr Gegentore zu (Bundesliga 0,8 zu 0,6. CL: 0,9 zu 1,7). Doch dazu später mehr.

Matthäus hatte als Hauptargument für seine Unverzichtbarkeits-These Kimmichs Führungsqualitäten und seine Mentalität genannt, auch das soweit erwartbar und keineswegs verkehrt. Kimmich "ist ein Mentalitätsmonster", sagte Flick auch erst vor dem fatalen Spiel in Dortmund.

Doch allein mit brüllen, motivieren, nerven, arbeiten, der Bereitschaft, über die Grenzen zu gehen und schierem Gewinnen-Wollen wird man nicht zum "Anführer einer Generation", wie SPOX und Goal ihn schon vor dem Champions-League-Finalturnier in Lissabon bezeichneten.

FC Bayern mit und ohne Kimmich in der Champions League:

FC Bayern mit Kimmich

 

FC Bayern ohne Kimmich

49

Spiele

7

37

Siege

3

7

Unentschieden

0

5

Niederlagen

4

140

Tore

14

2.9

Tore pro Spiel

2.0

44

Gegentore

12

0.9

Gegentore pro Spiel

1.7

75.5%

Siegquote

42.9%

2.4

Punkte pro Spiel

1.3

19.5

Schüsse pro Spiel

18.4

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