Javi Martinez beim FC Bayern wieder wichtig: Der überwundene Frust des Statistik-Monsters

Von Dennis Melzer
Javi Martinez spielt seit 2012 beim FC Bayern.
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Erst tröstete Hansi Flick den niedergeschlagenen Javi Martinez, dann machte er ihn zum Stammspieler. Warum der Spanier so wichtig für die Bayern ist.

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Es war ein Bild, das für Aufsehen sorgte: Im Vorfeld des Duells zwischen dem FC Bayern und Hoffenheim Anfang Oktober saß Javi Martinez gedankenverloren auf der Bank. Den Kopf auf die Hände gestützt, den Blick gen Boden gerichtet, erweckte der Spanier einen niedergeschlagenen Eindruck. Als Hansi Flick, zu jener Zeit noch Co-Trainer von Niko Kovac, sich zu ihm gesellte und väterlich den Arm um ihn legte, schien Martinez seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, sogar Tränen zu vergießen. So wurde zumindest medial gemutmaßt.

"Dass ein Spieler nicht zufrieden sein kann, wenn er nicht spielt, ist klar", sagte Flick im Gespräch mit SPOX und Goal nach der Partie. "Jeder Profi hat den Anspruch, zu spielen. Aber was bei Javi daraus gemacht wurde, ist too much." Geweint habe Martinez nicht, versicherte der ehemalige Löw-Assistent. Dennoch: Es war ein Novum, den langjährigen Bayern-Profi derart betrübt zu sehen. Anderthalb Monate später hat sich der Wind aus Martinez' Sicht wieder gedreht.

Seitdem Flick die Trainer-Geschicke vom geschassten Kovac interimsweise übernommen hat, gingen zwei Pflichtspiele ins Land. In beiden Spielen kam der gebürtige Baske über die volle Distanz zum Einsatz, jeweils als Innenverteidiger-Vertretung für die verletzten Niklas Süle (Kreuzbandriss) und Lucas Hernandez (Innenbandriss im Sprunggelenk) sowie für den gesperrten Jerome Boateng, der beim 1:5-Debakel in Frankfurt die Rote Karte gesehen hatte.

Martinez wusste sowohl im Champions-League-Gruppenspiel gegen Olympiakos Piräus als auch im Bundesliga-Kracher gegen Borussia Dortmund zu überzeugen. Zweimal in Folge kassierte der deutsche Rekordmeister keinen Gegentreffer - eher Ausnahme als Regel in dieser Saison.

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Javi Martinez mit glänzenden Statistiken

Es erweckte den Anschein, eine Prophezeiung, die Ex-Präsident Uli Hoeneß vor vier Wochen machte, hätte sich bewahrheitet. "Die Abwehrproblematik wird sich demnächst erledigen, wenn der Martinez auf der Sechs spielt", sagte Hoeneß. "Dann bekommen wir in Zukunft sowieso weniger Gegentore."

Zwar spielte der gelernte defensive Mittelfeldspieler nicht auf seiner angestammten Position, im Kern hatte Hoeneß aber Recht behalten. Vielleicht, weil er sich der starken Statistik, die Martinez während seiner Zeit in München in die Bücher bringt, bewusst war. In 224 Pflichtspielen gewann der 31-Jährige 63,84 Prozent seiner Zweikämpfe (Quelle: Opta), kein anderer Sechser bei den Bayern kommt annähernd auf ähnliche Werte.

Zudem: Auch bezüglich abgefangener Bälle (2,3 pro Spiel) kann Martinez kein FCB- Mittelfeldspieler der vergangenen zehn Jahre das Wasser reichen. Mit 2,5 klärenden Aktionen pro Spiel kommt Martinez durchschnittlich auf mehr als Joshua Kimmich (1,0), Corentin Tolisso (0,5) und Thiago (0,5) zusammen. Von 576 Kopfballduellen entschied Martinez 400 und somit 69,4 Prozent für sich. Zahlen, die für sich sprechen und die Robustheit des 18-maligen Nationalspielers untermauern.

Selbstverständlich also, dass Flick dem personellen Abwehrspieler-Aderlass mit Martinez entgegenwirkt. Doch was bringt die nähere Zukunft, muss der 1,92-Mann schon bald wieder sein Dasein als Reservist fristen?

Jerome Boateng kehrt gegen Düsseldorf zurück in den Kader

Am Samstag, wenn die Münchner in Düsseldorf ranmüssen, kehrt Boateng nach seiner Sperre zurück in den Kader, Hernandez steht nach der Winterpause ebenfalls wieder zur Verfügung, darüber hinaus ist derzeit noch offen, welcher Coach die Bayern im neuen Jahr übernimmt.

Aufgrund der ungewissen Umstände ranken sich aktuell Gerüchte um einen Abgang von Martinez. Wie der baskische TV-Sender ETB zuletzt beispielsweise berichtete, bastelt der Athletic Club aus Bilbao, wo der Routinier bereits zwischen 2006 und 2012 unter Vertrag stand, an einer Rückholaktion.

Die Spekulationen um ein abermaliges Engagement in der Heimat sind indes nicht neu. Schon im vergangenen Sommer wurde ein möglicher Wechsel zu Las Leones thematisiert. Damals hatte Bilbao-Präsident Aitor Elizegi gesagt: "Athletic kann ohne Probleme 20 Millionen Euro für Martinez aufbringen. Wir haben die Kapazitäten, um diesen Preis zu zahlen. Aus ökonomischer Sicht wäre das also kein Problem." 20 Millionen Euro stehen nicht länger zur Debatte, laut ETB sei Athletic bereit, zehn Millionen Euro für Martinez in die bayrische Landeshauptstadt zu überweisen.

FC Bayern mit Interesse an Unai Nunez

Auch ein Tauschgeschäft kommt offenbar infrage: Wie SPOX und Goal Ende Oktober exklusiv vermeldeten, haben die Verantwortlichen der Bayern über Spielervermittler Giovanni Branchini Kontakt zu Bilbaos Innenverteidiger Unai Nunez aufgenommen.

Kurz darauf schrieben die spanischen Zeitungen AS und Marca ebenfalls von einem konkreten Interesse des Bundesligisten an dem 22-Jährigen. Martinez könnte die festgeschriebene Ablösesumme für Nunez, die sich auf 30 Millionen Euro beläuft, reduzieren. Im vergangenen Jahr schwärmte der Wahl-Münchner noch von seiner Heimat und gab den Spekulationen reichlich Nährstoff: "Bilbao ist ein Paradies. Ich kann auch nicht dementieren, dass ich eines Tages dorthin zurückkehren werde."

Ob diese Rückkehr bereits in der kommenden Winter-Wechselperiode über die Bühne geht, ist offen. Sollte man tatsächlich in Erwägung ziehen, Martinez gegen Nunez zu tauschen, wäre die Chance für einen Transfer um ein Vielfaches höher. Ohne eine Alternative in der Hinterhand und im Hinblick auf die nach wie vor prekäre Personalsituation in der Hintermannschaft ergäbe es keinen Sinn, einen erfahrenen Defensivmann ziehen zu lassen.

Bis sich die Bayern aber in den Weihnachtsurlaub verabschieden, stehen noch einige Partien an, in denen Martinez voraussichtlich mehr Spielzeit erhält als noch zu Kovac-Zeiten. Bei seinen jüngsten Auftritten hat er das definitiv legitimiert. Darüber hinaus hat er in Flick einen Fürsprecher gefunden.

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