FC Bayern München: Schiedsrichter-Betreuer Adi Weber im Interview über 51 Jahre beim FCB

Adi Weber arbeitet seit 51 Jahren als Schiedsrichterbetreuer beim FC Bayern.
© imago

Adi Weber ist ein Urgestein beim FC Bayern München, doch der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt. Weber arbeitet seit stolzen 55 Jahren als Schiedsrichter-Betreuer, 51 davon beim FCB. Der 81-Jährige spricht im Interview über seinen Wechsel vom TSV 1860 München zu den Roten und einstige Trinkgewohnheiten.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Zudem erzählt Weber, wie seine Arbeit als Schiedsrichter-Betreuer genau aussieht, warum er einmal das Stadion mit einer Polizei-Eskorte verlassen musste und wie es beim Weißbier-Frühstück mit dem legendären Schiedsrichter Wolf-Dieter Ahlenfelder zuging.

SPOX: Herr Weber, Sie sind seit 1963 sogenannter Schiedsrichter-Betreuer. Angefangen haben Sie beim TSV 1860 München, 1967 ging es zum FC Bayern. Was haben Sie zu dieser Zeit hauptberuflich gemacht?

Adi Weber: Zuallererst muss ich sagen, dass wir früher in einer ganz anderen Zeit gelebt haben, die man sich heutzutage schlichtweg nicht mehr vorstellen kann. Ich habe Kaufmann gelernt und ging in die Getränkebranche. Anfangs war ich bei den alkoholfreien Getränken und habe zum Beispiel für Coca-Cola gearbeitet. Ich kann stolz behaupten, dass ich es war, der den Almdudler aus Wien nach München gebracht hat.

SPOX: Und das ebnete Ihnen den Weg zu 1860?

Weber: Letztlich schon. Der Anstoß kam vom damaligen Geschäftsführer Maierbeck. Er wusste, dass ich durch meinen Beruf in vielen Restaurants tätig war und kam auf mich zu. Ich musste erst etwas überlegen, denn mir war ja gleich klar, dass diese Aufgabe viel Zeit verschlingen würde. Es war ja nie damit getan, nur mal schnell einen Abend mit den Schiedsrichtern zu verbringen. Es geht mit der Abholung los und von Freitag bis Sonntag hat man dann volles Programm. Ich habe aber dennoch zugesagt.

SPOX: Wie sah dann Ihre Woche genau aus?

Weber: Ich war als Verkaufsleiter für fünf Kollegen verantwortlich, mit denen ich die Restaurants in München betreut habe. Ich war von Montag bis Freitag immer auf Terminen, manchmal bis tief in die Nacht. Wenn samstags das Heimspiel stattfand, habe ich freitags die Schiedsrichter abgeholt. Ich war also auch das ganze Wochenende unterwegs.

Die SPOX-Redakteure Jochen Tittmar und Jochen Rabe trafen sich mit Adi Weber an der Säbener Straße in München.
© spox
Die SPOX-Redakteure Jochen Tittmar und Jochen Rabe trafen sich mit Adi Weber an der Säbener Straße in München.

SPOX: Wie sind Sie vier Jahre später zum FC Bayern gekommen?

Weber: Durch Bayerns Geschäftsführer Walter Fembeck. Ihn kannte ich schon, als ich noch bei 1860 war. Vor einem Heimspiel der Bayern rief er mich an und sagte: 'Adi, kannst du am Samstag nach dem Spiel noch ein bisschen mit uns und dem Schiedsrichter weggehen?' Mein Vorgänger beim FCB wurde etwas später dann wegen unreiner Gangart fristlos beurlaubt. Fembeck rief mich wieder an und meinte, ich müsse unbedingt kommen, er brauche mich dringend. Als ich fragte, worum es geht, sagte er, er wolle darüber nicht am Telefon sprechen.

SPOX: Das klingt konspirativ.

Weber: War es auch ein bisschen. (lacht) Wir haben uns also an der Säbener Straße getroffen und saßen beim Kaffee zusammen. Er hat mir einen Wechsel schmackhaft gemacht. Ich habe aber gezögert und gesagt, dass das schon eher schwierig ist. Ich hatte eben viele Freunde, die Sechziger waren und deswegen Bedenken. Er meinte nur: 'Die können ja deine Freunde bleiben.' Ich habe dann unter Vorbehalt zugesagt, mir aber etwas Bedenkzeit erbeten.

SPOX: Davon soll der damalige Bayern-Manager Robert Schwan nicht gerade begeistert gewesen sein.

Weber: Schwan war eine richtige Erscheinung. Er ist regelrecht aufbrausend geworden: Bedenkzeit beim FC Bayern? Das konnte und wollte er nicht verstehen. Er meinte: 'Das ist ganz einfach: Am Wochenende spielen wir beim HSV, in zwei Wochen ist das nächste Heimspiel und dann übernimmt Adi Weber die Schiedsrichter. Machen Sie es gut.' Und dann zog er von dannen.

SPOX: Und Sie konnten nicht mehr Nein sagen?

Weber: Ich habe meinen damals besten Freund Fritz Schuster angerufen, der der langjährigste Stadtrat der SPD war. Er sagte, es gebe nur einen Weg: 'Geh zu den Roten. Du weißt, ich bin ein echter Blauer, aber du wirst es nie bereuen, wenn du zu den Roten gehst.'

SPOX: Sie haben zu dieser Zeit dann auch bei Löwenbräu gearbeitet. Die Brauerei pflegte über 40 Jahre eine enge Partnerschaft mit dem FC Bayern. Wie kam das?

Weber: Irgendwann konnte man in der alkoholfreien Getränkebranche nicht mehr wachsen. Deswegen bin ich sozusagen zu den alkoholischen Produkten gewechselt. Ich hatte über einen Freund zunächst ein Angebot von Cinzano, aber dann hat es mit meiner Bewerbung bei Löwenbräu geklappt. Ich war Verkaufsleiter und die ganze Woche unterwegs. Für Löwenbräu mache ich auch heute noch die Wiesn-Betreuung in der Vorstandsbox, dieses Jahr wird es mein 50. Oktoberfest.

FC Bayern München: Neuzugänge im Sommer 2018

SpielerAbgebender VereinAblöse
Leon GoretzkaFC Schalke 04ablösefrei
Renato SanchesSwansea CityLeih-Ende
Serge GnabryTSG HoffenheimLeih-Ende

SPOX: Wie haben Sie denn den Beruf und die Arbeit als Schiedsrichter-Betreuer zeitlich unter einen Hut bekommen?

Weber: Meine Woche war natürlich sehr zeitintensiv. Als später die Europapokal-Reisen dazukamen, hatte ich glücklicherweise einen fachlich wie menschlich tollen Vorstand. Er sagte immer: 'Herr Weber, machen Sie sich keinen Kopf. Sie fliegen mit den Bayern weg und sind in drei Tagen wieder da. Da brauchen Sie keinen Urlaub nehmen.'

SPOX: Das schien ein Bayern-Fan gewesen zu sein.

Weber: Genau, sonst wäre das sicher nicht so unkompliziert gewesen.

SPOX: War Ihr Wechsel von blau zu rot eigentlich ein Thema in der Presse?

Weber: Ja. Der Chef der tz hatte damals große Macht und mich richtig auf dem Kieker. Es gab eine Meldung in der Zeitung, dass der Schiedsrichter-Betreuer der Blauen zu den Roten gegangen ist. Selbst noch nach 30 Jahren gab es Leute, die gesagt haben: 'Da kommt der Rote, der Abtrünnige.'

SPOX: Wie groß ist der Unterschied zwischen der Betreuung der Schiedsrichter heutzutage und vor 40 Jahren?

Weber: Heute reisen die Schiedsrichter an, man geht etwas essen, am nächsten Tag ist das Spiel und dann geht es wieder nach Hause. Da ist für eine längere Freizeitgestaltung kaum Zeit. Früher waren die Schiedsrichter viel freier. Ich habe mit ihnen Stadtrundfahrten gemacht, wir sind gemeinsam durch den Englischen Garten marschiert, waren im Schloss Nymphenburg, sind in der Nähe des Schliersee auf die Berge gefahren und haben auf einer Hütte einen Schweinebraten gegessen und ein Bier getrunken. Es war sehr abwechslungsreich.

SPOX: Was hat denn ein Schiedsrichter damals bei einem Einsatz verdient?

Weber: 17 Mark pro Tag, also 51 Mark pro Wochenende. Das ging ganz lange so, bis sich der damalige Obmann Manfred Amerell gemeinsam mit DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder sehr für die Schiedsrichter eingesetzt hat. Unter Amerell ist später noch viel Unschönes passiert, aber die Schiedsrichter haben ihm viel zu verdanken. Mittlerweile ist die Bezahlung sehr gut. Viele arbeiten nebenher gar nicht mehr, denn gerade wenn man FIFA-Schiedsrichter ist, muss man viel reisen und ständig auf Lehrgänge gehen.

SPOX: Was haben Sie damals für Ihre Tätigkeit bekommen?

Weber: Gar nichts, das war immer ehrenamtlich. Ich habe meine Abrechnungen gemacht und eingereicht. Wenn wir essen gingen und danach noch einen Absacker nahmen, dann habe ich das ganz normal über den Verein abgerechnet. Es gab da auch nie Probleme, das lief immer sauber. Das ist einfach besonders. Ich arbeite jetzt seit 51 Jahren bei Bayern und auch die Schiedsrichter sagen immer zu mir: 'Adi, so etwas gibt es nur bei den Bayern.'

SPOX: Wie lief denn bei Länderspielen oder Champions-League-Partien die Kommunikation ab, wenn Sie sich um internationale Schiedsrichterteams kümmern mussten?

Weber: Ich hatte immer Dolmetscher. Die hat später der ehemalige Geschäftsführer und Finanzvorstand Karl Hopfner organisiert, aber ich habe auch eigene Kontakte spielen lassen. Wir hatten bei Löwenbräu eine große Exportabteilung, so dass ich häufiger mal zum Abteilungsleiter gegangen bin und er mir einen Mitarbeiter empfohlen hat, der beispielsweise gut italienisch konnte. Heutzutage läuft alles auf Englisch. Ein Schiedsrichter, der kein Englisch kann, würde international gar keinen Einsatz mehr bekommen.

SPOX: Und wie funktionierte es dann mit den Übersetzern, hat das immer gut geklappt?

Weber: Fantastisch, es gab wunderbare Situationen. Einmal waren wir im Bogenhauser Hof mit zehn Personen. Das Schiedsrichterteam kam aus Russland, der Schiedsrichterbeobachter aus Italien. Die Übersetzerin hat simultan Russisch, Italienisch und Deutsch am Fließband übersetzt. Das lief hervorragend, wir haben viel gelacht. Diese Übersetzerin kam damals mit dem Zug aus Florenz und hat die gesamte Fahrt über Fußballvokabeln gepaukt, weil sie zuvor noch nie mit Sportlern zu tun gehabt hatte.

SPOX: Traf man zu dieser Zeit auch auf Schiedsrichter, die aus ärmeren Ländern kamen und denen das ganze Prozedere unbekannt war?

Weber: Natürlich. Manche hatten Löcher in der Kleidung und lange Listen an Medikamenten dabei, die sie in der internationalen Apotheke in München besorgen wollten, weil sie die in der Heimat nicht bekamen. Manchmal ist man gerade mit diesen Kollegen am Tag vor einem internationalen Spiel auch noch auf die Wiesn gegangen.

SPOX: Erzählen Sie doch einmal von den legendären Nächten, da müssen sich ja einige zugetragen haben.

Weber: Auf jeden Fall. Der Wiesn-Besuch war gang und gäbe, auch in der Bundesliga. Ich hatte dort dank Löwenbräu eine wunderbare Vorstandsbox, sehr gepflegt und mit eigener Toilette. Früher war es einfach normal, dass die Schiedsrichter am Freitagabend noch zwei, drei Maß getrunken haben. Wie erwähnt, es war einfach eine ganz andere Zeit. Wenn man heute zu viert eine Flasche Wein zum Abendessen trinkt, ist das viel.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema