Callum Hudson-Odoi und sein Absturz bei Bayer Leverkusen: Höhenflug ohne Überflieger

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Der FC Bayern München wollte Callum Hudson-Odoi einst "unbedingt verpflichten". Im vergangenen Sommer bekam Bayer Leverkusen den Engländer per Leihe vom FC Chelsea. Doch während die Kurve der Werkself nach oben zeigt, ging die des 22-Jährigen stark nach unten.

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Rein theoretisch hätte der FC Chelsea im vergangenen Winter-Transferfenster ein paar Mark sparen können. Die Blues entschieden sich zwar, über 300 Millionen Euro in neue Spieler zu investieren und damit die Gesamtausgaben für Neuzugänge in dieser Saison auf unglaubliche 600 Millionen Euro zu erhöhen, doch es wäre an einer Stelle zweifelsfrei günstiger gegangen.

Denn nicht nur rein theoretisch, ganz praktisch hätten die Londoner die Klausel im Vertrag von Callum Hudson-Odoi ziehen können. Sie wollten sie ein paar Monate zuvor ja schließlich selbst eingebaut wissen. Chelsea hätte im Winter die Möglichkeit gehabt, Hudson-Odois Leihvertrag mit Bayer Leverkusen einseitig zu beenden und den 22-Jährigen zurückzuholen.

Stattdessen entschied man sich für Mykhaylo Mudryk. Auch keine schlechte Wahl, ganz gewiss, aber möglicherweise halt 100 Millionen Euro teurer als Hudson-Odoi. Zumal der Engländer bei der Werkself zumindest in der Hinrunde noch mit einigen Abstrichen das lieferte, was man sich von ihm versprach.

In seinem ersten halben Jahr bei Bayer war Hudson-Odoi noch regelmäßig Spieler der Startelf. In der Champions League durfte er alle sechs Gruppenspiele beginnen. Doch weder er, noch Leverkusen als Mannschaft überzeugten nachhaltig. In seinem ersten Bundesligaspiel bereitete der offensive Flügelspieler ein Tor vor - dabei ist es bis heute geblieben.

Callum Hudson-Odoi, Bayer Leverkusen
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Callum Hudson-Odoi muss bei Bayer "viel mehr Präsenz zeigen"

Im neuen Jahr ist Hudson-Odoi vollkommen aufs Abstellgleis geraten. Nur zweimal durfte er starten, wurde von Trainer Xabi Alonso aber bereits zur Pause wieder vom Feld geholt. In den vergangenen sieben Pflichtspielen verzichtete der Coach fünfmal auf Hudson-Odoi, zweimal stand er gar nicht erst im Kader.

"Er muss die Konsequenz an den Tag legen, in die gefährlichen Räume zu gehen und selbst torgefährlich zu werden. Da muss er viel mehr Präsenz zeigen. Da kann er deutlich mehr. Die technischen Qualitäten dazu hat er", hatte Leverkusens Geschäftsführer Simon Rolfes vor ein paar Wochen im kicker geurteilt. "Callum ist ein freundlicher Mensch, aber auf dem Platz muss er mehr die Ellenbogen ausfahren."

Die Anlagen von Hudson-Odoi sind unbestritten: Er ist schnell, gut im Dribbling, bringt eine hohe Kreativität mit und hat Zug zum Tor - nur leider zeigt der meist auf der halblinken Außenbahn eingesetzte Rechtsfuß sein Potential viel zu selten.

Callum Hudson-Odoi hat schon Thomas Tuchel kirre gemacht

Dieser Umstand hat bei Chelsea schon Ex-Trainer Thomas Tuchel kirre gemacht: "Jungs mit so viel Qualität wie er hören manchmal ein bisschen zu oft, wie gut sie sind. Aber man muss es auch beweisen", sagte Tuchel damals. Als er Hudson-Odoi einmal bei einem Spiel gegen Southampton zur Halbzeit ein - und eine halbe Stunde später wieder auswechselte, prangerte Tuchel dessen "Einstellung, Energie und Gegenpressing" an.

Bei Bayer stehen derzeit Spieler wie Florian Wirtz, Moussa Diaby, Amine Adli und Sardar Azmoun vor Hudson-Odoi. Die Konkurrenz ist größer geworden für ihn, schließlich musste Bayer während der Hinrunde auf einige Offensivspieler verletzt verzichten. Dazu gibt der Erfolg der Auswahl des Trainers Recht: Leverkusen war in der Liga das beste Team im März, zuletzt gelangen sechs Siege in den vergangenen sieben Pflichtspielen.

Dass Alonso trotz der Dreifachbelastung und teils großflächiger Rotation so deutlich auf Hudson-Odoi verzichtet, hängt aber wohl auch mit dessen geringer Effektivität zusammen. Seit 592 Minuten wartet der Engländer auf eine Torbeteiligung in der Bundesliga.

Callum Hudson-Odoi
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FC Bayern wollte Callum Hudson-Odoi "unbedingt" verpflichten

An der Einbindung ins Spiel der Werkself liegt es nicht. 49 Ballaktionen sowie 34 Pässe pro 90 Minuten sind für einen Offensivspieler weder herausragend hohe, noch auffallend tiefe Werte. Der dreifache Nationalspieler bereitet im Schnitt zwei Leverkusener Abschlüsse pro Partie vor - ebenfalls ein solider Wert. Nur entsteht aus seinen Zuspielen kaum etwas Brauchbares. Und auch selbst sucht Hudson-Odoi viel zu selten den Abschluss: Nur vier Schüsse gab er bislang ab, davon wurden drei geblockt und einer gehalten.

Das ist unter dem Strich brotlose Kunst und deutlich zu wenig Torgefahr für einen Offensivspieler, der 2019 mit 18 der jüngste Spieler wurde, der für Englands Nationalteam debütierte und damit einen 64 Jahre alten Rekord knackte. So ist Hudson-Odoi weit von dem "sehr interessanten Spieler, den wir unbedingt verpflichtet wollen" entfernt, den Bayerns damaliger Sportdirektor Hasan Salihamidzic einst in ihm sah.

Der FCB wollte Überflieger Hudson-Odoi im Winter 2019 und im Sommer 2020 holen. Chelsea wollte unbedingt mehr als die gebotenen 40 Millionen für ihn haben - und bestand auch hier auf eine Klausel, wonach die Bayern den Spieler ab einer gewissen Anzahl von Einsätzen für angeblich 77 Millionen hätten kaufen müssen. Am Ende kam Douglas Costa nach München. Hudson-Odoi dagegen zog sich einen Achillessehnenriss zu.

Callum Hudson-Odoi: "Das Training hier ist viel schwieriger"

Diese Blessur hatte schwerwiegende Folgen für ihn und macht ihm bis heute noch zu schaffen. "Das liegt Jahre zurück, aber ich habe immer noch das Gefühl, dass es manchmal zwickt und Probleme bereitet", sagte Hudson-Odoi bei Sky Sports. "Das hatte große Auswirkungen auf mich. Auch auf andere Teile meines Körpers. Das hat man immer im Hinterkopf, egal was man tut."

Hudson-Odoi betonte dabei auch die Veränderung in seinem Leben, den sein erstmaliger Aufenthalt außerhalb Londons mit sich brachte. "Das Training hier ist viel schwieriger. Ich gehe nach Hause und mache ein großes Nickerchen, um mich zu erholen und auszuruhen", sagte er. Auch der Fußball sei in Deutschland ein anderer: "In der einen Sekunde muss man noch verteidigen und dann ist man plötzlich frei vor dem Tor. Es geht alles so schnell. Die Spielweise ist eher auf Konter ausgelegt, im Gegensatz zu England, wo man eher defensiv und kompakt spielt, um zum Torerfolg zu kommen."

Wie er über die Auslandserfahrung am Saisonende urteilen und wo seine Zukunft liegen wird, das steht aktuell noch in den Sternen. Klar ist: Bayer besitzt keine Kaufoption für Hudson-Odoi, der bei Chelsea noch bis 2024 Vertrag hat und dort zehn bis zwölf Millionen verdienen soll.

Callum Hudson-Odoi und seine Statistiken bei Bayer Leverkusen in der Saison 22/23

KategorieWert
Spiele13
Startelf7
Minuten597
Tore/Vorlagen0/1
Zweikampfquote56 Prozent
Dribblingquote57 Prozent
Passquote87 Prozent
Pässe pro 90 Min.34
Schüsse pro 90 Min.0,6
Torschussvorlagen pro 90 Min.2,0
Ballaktionen pro 90 Min.49

Callum Hudson-Odoi steht bei Chelsea vor ungewisser Zukunft

Der Neustart und Umbruch bei den Blues wird es für ihn sicherlich nicht leichter gemacht haben. "Ich habe in letzter Zeit nicht viel mit ihnen gesprochen", sagte Hudson-Odoi. Auch in Leverkusen stehen im Sommer umfangreiche Veränderungen im Kader an. Aufgedrängt für einen möglichen festen Transfer hat sich Hudson-Odoi dort nicht. Während die Kurve beim Team stark nach oben zeigt, ging seine nach unten.

"Am Ende des Tages muss man positiv bleiben. Immer lächeln. Egal, ob die Dinge gut oder schlecht laufen, man darf sich keinen Stress machen", sagte Hudson-Odoi. Eine sicherlich weise Sicht - die sich bezogen auf seine Karriere als Fußballer hoffentlich nicht eines Tages als Zweckoptimismus entpuppen wird.

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