Hertha BSC: Abstiegskampf, rote Zahlen, Lars Windhorst - Alte Dame vor ungemütlichem Winter

SID
Fredi Bobic sieht komplizierte Zeiten auf die Hertha zukommen.
© getty

Hertha BSC verabschiedet sich mit einem Erfolgserlebnis in die lange Winterpause. Doch die Freude währt nicht lange.

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Die gute Laune währte nur 19 Stunden. Nach dem versöhnlichen sportlichen Jahresausklang wich die Freude bei Hertha BSC dem Ärger - das wurde auf der Mitgliederversammlung mehr als deutlich. Als Geschäftsführer Thomas E. Herrich am Tag nach dem dringend benötigten 2:0 (1:0) gegen den 1. FC Köln die erschreckenden Zahlen verlas, wurde es unter den 1551 anwesenden Mitgliedern in der Messehalle 21 in Berlin plötzlich mucksmäuschenstill.

79,8 Millionen Euro Verlust erwirtschaftete die ausgegliederte Profifußballabteilung im Geschäftsjahr 2021/22. "Es ist eine herausfordernde Situation", mahnte Herrich: "Es bedarf einer wirtschaftlichen Konsolidierung. Wir müssen Kosten in allen Bereichen reduzieren. Nicht nur im Personaletat, sondern auch in allen anderen Bereichen." Die Turbulenzen um Investor Lars Windhorst und Ex-Präsident Werner Gegenbauer zeigten ihre Wirkung.

Allein seit 2019 machte der Klub 211 Millionen Euro Minus. 2019? Stimmt, da war was: Der Einstieg von Unternehmer Windhorst, der während der Mitgliederversammlung Ende Mai noch heftig attackiert worden war. Im Zuge der Spionage-Affäre um Gegenbauer und der daraus resultierenden Auseinandersetzungen mit dem neuen Präsidenten Kay Bernstein kündigte Windhorst Anfang Oktober aber seinen Ausstieg an.

Doch noch ist der Investor nicht weg. Mit seiner Firma Tennor hält Windhorst weiter Mehrheits-Anteile in Höhe von 64,7 Prozent, die die Hertha jedoch zum damaligen Kaufpreis zurückkaufen könne. Dafür müsste der Klub die von Windhorst investierten 374 Millionen aufbringen - will diesem aber lieber bei der Suche nach einem Käufer helfen.

Hertha BSC: Lage um Lars Windhorst bleibt nebulös

Auch nach der Mitgliederversammlung bleiben allerdings Fragezeichen. Denn: In Israel läuft noch ein Verfahren. Laut eines Berichts der Financial Times wurde Windhorst von einer Sicherheitsfirma aus Tel Aviv verklagt. Die Firma habe offenbar den Auftrag gehabt, den Sturz von Gegenbauer zu forcieren. Im Rechtsstreit geht es um angeblich ausstehende Honorare.

"Wir können nicht sagen, was Stand der Dinge ist. Wir wollen den Prozess in Israel nicht gefährden", sagte Bernstein und verwies auf eine "Verschlussorder". Er kündigte aber an, dass es bis zum Jahresende eine Lösung geben könne. Die Lage bleibt nebulös.

Für den Klub ist die Millionen-Summe jedenfalls nicht zu stemmen. Das Eigenkapital, in das das Geld Windhorsts geflossen war, wurde um fast 80 Millionen Euro auf 29,5 Millionen "erheblich reduziert", merkte Herrich an. Mit Blick auf mögliche Spielertransfers in der Winterpause sei die "Handlungsfähigkeit von Fredi Bobic erheblich eingeschränkt".

Hertha BSC: Fredi Bobic kündigt Neuzugänge an

Sport-Geschäftsführer Bobic steht wie dem gesamten Verein ein ungemütlicher Winter bevor. Die Mannschaft benötigt Verstärkungen, denn "keiner weiß, was einen so wirklich erwartet", sagte Bobic mit Blick auf den Rest der Saison. Trotz der geringen Mittel deutete er Neuzugänge an: "Wir müssen konkurrenzfähig sein, wir wollen Bundesliga spielen."

Durch den Erfolg über die Kölner konnte sich das Team von Trainer Sandro Schwarz im Abstiegskampf immerhin ein bisschen befreien. Mit 14 Punkten geht der Hauptstadtklub auf Platz 15 in die WM-Pause. Bei einer weiteren Niederlage wäre Berlin auf einen direkten Abstiegsrang gestürzt.

"Wir haben uns so einen Jahresausklang gewünscht", sagte Schwarz auf der Mitgliederversammlung, nachdem er unter großem Applaus auf die Bühne gerufen wurde. Er sei davon "überzeugt, dass wir Ende Mai da stehen wo wir hingehören."

Mit dem erlösenden Sieg am Samstag sei sein "größter Wunsch in Erfüllung gegangen", bekräftigte Schwarz, der im Sommer zur Hertha kam. Damals hatte der Coach noch einen anderen Blickwinkel auf den Verein. "Wenn du als Außenstehender auf den Klub guckst, denkst du: Krisenklub, nur Theater."

Und damit hat er - Stand jetzt - recht.

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