BVB - Peter "Erbse" Erdmann: Die bewegende Geschichte eines Fans von Borussia Dortmund

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Peter "Erbse" Erdmann war Mitbegründer des ersten Fanklubs von Borussia Dortmund und einer der ersten Vorsänger auf der Südtribüne des Westfalenstadions. Ein schwerer Überfall eines rechtsradikalen Schlägertrupps veränderte sein Leben - bis er Jahre später ein unverhofftes Comeback im Kreise der BVB-Familie feierte.

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Auf den ersten Blick erscheint es recht abwegig, doch ohne den Schlager-Sänger Roberto Blanco würde es wohl einen der ältesten BVB-Fangesänge nicht geben. Am 30. Dezember 1976 nämlich trat Blanco zum Ende eines Hallenfußballturniers in der Dortmunder Westfalenhalle auf - und wurde vom Publikum ausgebuht. Gerd Kolbe, der damalige Pressesprecher von Borussia Dortmund und heutige BVB-Archivar, ließ sich überreden und Peter Erdmann, den alle nur "Erbse" nannten, für Blanco auf die Bühne.

Auf die Melodie des Schneewalzers schmetterte Erdmann dort den sogenannten "BVB-Walzer", dessen Text er sich nach eigenen Angaben spontan ausdachte. Die Zuschauer waren aus dem Häuschen. Ein Jahr später wurde der Song auf Platte gepresst - und erklingt aus den Kehlen der Fans bis zum heutigen Tag im Stadion der Borussia.

Erdmann, 1951 geboren, ist bereits da ein Schwergewicht unter den Dortmunder Fans. Seine Lebensgeschichte wird in der Folge eine tragische Wendung nehmen, die Jahre später zu einem nicht für möglich gehaltenen Comeback und leider auch einem frühen Tod führte.

"Erbse" gehörte in den 1970er Jahren zu den Mitbegründern des ersten Dortmunder Fanklubs überhaupt: dem BFC, kurz für Borussia Fan-Club. Auf der Südtribüne, wo er am 10. August 1974 beim ersten Punktspiel im Westfalenstadion gegen Hannover 96 erstmals stand, nahm Erdmann meist einen Platz in der Mitte ein und wurde dort zu einem der ersten Vorsänger.

BVB entzog Peter "Erbse" Erdmann die Mitgliedschaft

Erdmann war schwarz-gelbes Blut in die Wiege gelegt, sein Vater Werner und Onkel Herbert waren Teil der Dortmunder Mannschaft, die 1949 die Vizemeisterschaft gewann. Er prägte die Fanszene beim BVB und war bei jedem Spiel zugegen, auch auswärts.

1978 wurde ihm die Mitgliedschaft beim BVB entzogen, weil man auf der Jahreshauptversammlung gegen Präsident Heinz Günther aufbegehrte. Der BFC hatte viele Mitglieder in den Verein gespült und wurde sehr mächtig, weil alle auch stimmberechtigt waren. Der Verein nahm den BFC als Opposition wahr. Schließlich eskalierte ein Streit um ein Stadionmagazin und führte zum Ausschluss Erdmanns sowie einiger anderer BFC-Mitglieder.

Präsent war "Erbse" weiterhin und übersehen konnte man ihn auch kaum. Er war ein wahrer bunter Vogel, der mit farbenfrohem Anzug, schwarz-gelber Krawatte und gefärbten Haaren ins Stadion ging: gelber Scheitel rechts, schwarzer Scheitel links. Erdmann besaß zudem zusammen mit seinen Eltern die Kneipe "Zum Kügelchen" unweit des Borsigplatzes, dem Gründungsort der Borussia.

BVB-Fan Erdmann von rechtsradikaler "Borussenfront" bedroht

Das "Kügelchen" war angesagt und gerade nach den Spielen Anlaufpunkt für viele Fans - selbst der Gastmannschaft. Die Tatsache, dass Erdmann die gegnerischen Anhänger zum Feiern in seine Kneipe einlud, machte ihm zusammen mit seinem extravaganten Auftreten allerdings nicht nur Freunde. Im Gegenteil: "Erbse" ging damit durchaus einigen Leuten auf die Nerven, es war für sie ein Ärgernis, das sich auch auf die Tribüne auswirkte.

Besonders die 1978 ein paar Straßen vom "Kügelchen" entfernt gegründete "Borussenfront", die sich vier Jahre später zu einem rechtsextremen Schlägertrupp radikalisierte, hatte auf Erdmann keinen Bock. Die Gruppierung beanspruchte die Südtribüne zusehends für sich und Erdmann stellte sich offen gegen sie.

Die Fehde zwischen der "Borussenfront" und Erdmann wurde in der Folge immer prekärer. "Erbse" wurde kontinuierlich ge- und bedroht, es entwickelte sich regelrechter Psychoterror gegen den BVB-Fan. Bis es am 29. April 1982 zum vorläufigen Höhepunkt der Auseinandersetzung kam.

Die Südtribüne des Westfalenstadions Mitte der 1970er Jahre.
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Die Südtribüne des Westfalenstadions Mitte der 1970er Jahre.

Schwerer Überfall auf Peter Erdmanns Kneipe "Zum Kügelchen"

Mitglieder der "Borussenfront" überfielen und zertrümmerten die vollbesetzte Kneipe der Erdmanns. "Erbse" erstattete Anzeige. Am Telefon wurde ihm gedroht, die Anzeige zurückzuziehen - "sonst schlagen wir euch die Birne platt". Nur zwei Monate später, am 30. Juni, schlug die "Borussenfront" erneut zu.

Erdmann hatte das "Kügelchen" gerade frisch renoviert. Die acht Schläger gingen diesmal radikaler vor. In der Kneipe herrschte voller Betrieb und alle, die dort waren, wurden verprügelt - vor allem aber "Erbse" und seine Eltern. "Meine Mutter hatte mehrere Platzwunden im Gesicht", sagte Erdmann, der anschließend selbst neun Tage auf der Intensivstation lag.

Vater Werner trug so schwere Verletzungen davon, dass er an Krücken gehen musste. Kurz darauf stürzte er und brach sich den Oberschenkelhals. An den Folgen verstarb er mit nur 56 Jahren im Frühjahr 1983. Die Trauerfeier fand unter Polizeischutz statt. Nur drei Jahre danach war auch Mutter Anneliese tot. "Sie ist da nie darüber hinweggekommen", sagte Sohn "Erbse".

"Erbse" Erdmann kehrt Dortmund 1988 den Rücken

Ein schwacher Trost: Die Täter wurden Ende September 1983 wegen schwerer Körperverletzung zu jeweils 14 Monaten ohne Bewährung und ein Jahr mit Bewährung verurteilt. "Das war ein Überfall wie bei der Mafia", sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer.

"Erbse" gab anschließend die Kneipe auf und blieb dem Westfalenstadion fern. 1988 verließ er Dortmund. "Ich hatte einfach keine Lust mehr auf den ganzen Mist und natürlich auch Angst", sagte er einst bei 11 Freunde. "Ich war verbittert und enttäuscht."

Erdmann zog nach Mönchengladbach und wurde glühender Eishockey-Fan - bei der Düsseldorfer EG. Dort gab es keine Hooligans. "Diese Fans waren eine große Familie, so wie ich mir das beim Fußball immer gewünscht hatte", sagte er. Die Spuren, die Erdmann in Dortmund hinterlassen hatte, begannen sich zu verwischen.

BVB-Comeback von Peter Erdmann dank Journalist

Jahre später siedelte er in den Frankfurter Raum über. Als es eines Tages im Jahr 2012 an Erdmanns Haustür in Bad Homburg klingelte, nahm sein Leben erneut eine drastische Wendung. Diesmal jedoch zum Positiven. Der Journalist Gregor Schnittker recherchierte für sein Buch "Unser ganzes Leben" - Die Fans des BVB" und war monatelang hinter Erdmann her. "Er sagte: 'Bist du Erbse? Ich habe dich überall gesucht. Komm' zurück nach Dortmund.'", erinnert sich Erdmann bei 11 Freunde.

Das tat er. Aus dem Nichts feierte Erdmann in seiner Heimat ein großes Comeback. Nach Jahrzehnten betrat er endlich wieder das Stadion seines BVB. "Als ich von der Autobahn abgebogen war und das Dortmunder Stadion wiedersah - das war unbeschreiblich. Ich wurde empfangen wie ein König. Mit einem Mal war alles vergessen. Jetzt kann ich wieder leben", sagte Erdmann, der selbst von Präsident Reinhard Rauball begrüßt wurde. Die Borussia widmete ihm einen "Tag im Zeichen des BVB-Walzers" im Vereinsmuseum "Borusseum".

"Erbse" war auf Anhieb wieder in seinem Element. Er blieb zwar im Taunus wohnen, war aber regelmäßig unterwegs, bei Heim- wie Auswärtsspielen. Im März 2012 gründete er zusammen mit vier weiteren Mitgliedern den "BVB Fanclub Taunus".

BVB würdigt Peter "Erbse" Erdmann nach dessen Tod

"Jetzt bin ich wieder bei jedem Spiel dabei und treffe ständig Freunde von damals. Kalle zum Beispiel, den Patenonkel von Kevin Großkreutz. Der heißt eigentlich Jörg, aber alle sagen Kalle zu ihm. Einen anderen alten Kumpel, Strubbel-Otto, habe ich nach 30 Jahren auf dem Flughafen in Madrid wieder getroffen, nach dem Spiel gegen Real. Total irre", sagte Erdmann.

Leider währte Erdmanns neues Lebensglück nicht lang. Am 22. August 2017 starb er im Alter von 66 Jahren in Thailand an einem Herzinfarkt, wie sein Fanklub mitteilte. Nur wenige Tage zuvor drehte "Erbse" noch ein Video zu seinem BVB-Walzer.

Der BVB würdigte Erdmann mit einer Meldung auf der offiziellen Homepage. Beim nächsten Heimspiel gegen Hertha BSC sangen die Fans zu Beginn der Partie zu seinen Ehren den Walzer. Mittlerweile ist Erdmanns bewegende Geschichte im "Borusseum" verewigt.

"Wenn ich sitze und die Fans auf der Süd meinen BVB-Walzer singen, stehen wir alle auf wie in der Kirche. Dann habe ich Pipi in den Augen", sagte er einmal.

BVB: Die kommenden Spiele von Borussia Dortmund

DatumGegnerAustragungsortWettbewerb
Samstag, 01. Oktober1.FC KölnRheinEnergie Stadion, KölnBundesliga, 8. Spieltag
Mittwoch, 05. OktoberFC SevillaEstadio Ramón Sánchez-Pizjuán, SevillaChampions League, 3. Spieltag
Samstag, 08. OktoberFC BayernSignal Iduna Park, DortmundBundesliga, 9. Spieltag
Dienstag, 11. OktoberFC SevillaSignal Iduna Park, DortmundChampions League, 4. Spieltag
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