Niko Kovac und Max Kruse beim VfL Wolfsburg: Der kritische Vergleich mit Thomas Müller

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Niko Kovac und Max Kruse arbeiten beim VfL Wolfsburg zusammen. Ein Duo, das kaum unterschiedlicher sein könnte und selbst die Bosse der Wölfe wissen nicht, ob eine Zusammenarbeit funktioniert. Dass Kovac seinen Angreifer lobt und mit Thomas Müller vom FC Bayern vergleicht, ist keine gute Nachricht für Kruse.

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So ein Erfolgserlebnis zu Saisonbeginn ist immer eine schöne Sache. Es verbessert die Stimmung, stärkt das Selbstvertrauen und steigert den Drang nach weiteren Erfolgen. Ob all das bei Niko Kovac eingetreten ist, als er bei der Wahl des erotischsten Trainers der Bundesliga auf Platz drei landete, muss man noch herausfinden.

Die Online-Community Joyclub, die sich selbst als "sexpositiv" bezeichnet, ließ seine angeblich vier Millionen Mitglieder abstimmen. Mitgemacht haben 10.000 und 9,9 Prozent der Stimmen gingen an Kovac. Bayern Münchens Julian Nagelsmann (15,7 Prozent) gewann die Wahl vor Borussia Dortmunds Edin Terzic (13,8 Prozent) und dem neuen Trainer des VfL Wolfsburg. 2019 gewann Niko Kovac noch, nun also Platz 3.

Diese unerwartete Wendung in der noch jungen Amtszeit in Niedersachsen wird die Aufgabe des Kroaten freilich nicht beeinflussen. Sollte ihm der Saisonstart in Wolfsburg misslingen, wird er seinen Vorgesetzten Jörg Schmadtke und Marcel Schäfer nicht mit dem Argument kommen, dass die Leute im Internet ihn sexy finden. Aber beim VfL Wolfsburg sind sie guten Mutes, dass es so weit auch nicht kommen wird.

"Unser Eindruck ist, dass wir jemanden gewonnen haben, der dem Klub guttut, der für neue Leidenschaft und Kontinuität steht und uns den Erfolg zurückbringt, den wir letztes Jahr nicht hatten", so Schmadtke gewohnt nüchtern. Leidenschaft und Kontinuität - das sind Themen, über die man in Wolfsburg oft gesprochen hat in den vergangenen Jahren.

Aurelien Tchouameni: "Niko Kovac war mein bester Trainer"

Das, was unter Bruno Labbadia und Oliver Glasner noch jeweils zur Champions-League-Qualifikation reichte, war bei Mark van Bommel und Florian Kohfeldt selten zu sehen und machte Wolfsburg zum Abstiegskandidaten. Mal ganz oben, mal ganz unten. Die Gesamt-Entwicklung blieb auf der Strecke, weil mit jedem Trainer ein neuer Ansatz, neue Ideen kamen und diese Ideen offenbar nicht immer die Besten waren.

Auch Kovac kommt natürlich mit eigenen Ideen. Bei ihm ist man sich aber - wie Schmadtke schon andeutete - im Klaren, was zu bekommen ist: Disziplin, Fitness, Struktur. Zwar wurde Kovac in seiner Amtszeit beim FC Bayern die eine oder andere Fähigkeit abgesprochen, aber umso weiter weg die Zeit ist, umso versöhnlicher hören sich die Stimmen an und Kovac bewies in Monaco, dass ihm zurecht die Herstellung dieser Qualitäten zugeschrieben wird.

Aurelien Tchouameni, der in diesem Sommer für 80 Millionen Euro von der AS Monaco zu Real Madrid wechselte, wurde zuletzt gefragt, wer sein bester Trainer bisher gewesen sei? Die Antwort: "Ohne Zweifel Niko Kovac! Als er nach Monaco kam, war ich ein Kind. Unter seiner Führung wurde ich ein Mann." Kovac habe dem Franzosen die "Kunst des Verteidigens gezeigt" und "beigebracht, so zu spielen, wie ich es heute tue".

Und auch in Wolfsburg merken sie schon, welches Kaliber da nun an der Seite steht. "Der Trainer pusht uns jeden Tag. Sich bei einem Training zu verstecken, wenn man mal einen schlechten Tag hat, ist nicht einfach", sagt Wolfsburg-Verteidiger Sebastiaan Bornauw über die Arbeit mit Kovac.

Aurelien Tchouameni: "Niko Kovac war mein bester Trainer"
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Aurelien Tchouameni: "Niko Kovac war mein bester Trainer"

Jörg Schmadtke: "Wie das mit Niko kombinierbar ist, werden wir beobachten"

Disziplin, Fitness, Struktur. Da denkt man zurecht an Kovac, aber weniger an Max Kruse. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Kruse ist kein undisziplinierter Faulpelz, der nichts von Regeln innerhalb einer Mannschaft hält. Aber sagen wir es mal so: Er hat seine sehr eigenen Maßstäbe, wie man gewisse Dinge angeht und die nicht jedem Trainer schmecken. Der Erfolg gibt ihm recht. 97 Tore und 79 Vorlagen in 300 Bundesliga-Spielen macht man nicht einfach so, aber dennoch ist er kein Spieler, mit dem jeder Trainer kann.

Als VfL-Noch-Boss Schmadtke Anfang Juli bei Sky gefragt wurde, ob Kovac und Kruse zueinander passen, wusste der das auch noch nicht so genau: "Das wird man sehen. Lassen Sie die beiden mal miteinander arbeiten und aufeinander wirken - dann schauen wir mal, was dabei herauskommt." Er weiß längst: "Max hat einen speziellen Zugang zu seinem Job - eine außerordentliche Begabung. Wie das mit Niko kombinierbar ist, werden wir beobachten."

Auch bei Kruse klang das in einem ran.de-Interview noch sehr vage: "Ich habe mit Niko Kovac noch nie zusammengearbeitet, deswegen kann ich das sehr schwer beurteilen. Es ist jetzt was anderes, da muss man sich erst mal dran gewöhnen."

Inzwischen sind einige Trainingswochen in der Vorbereitung vergangen und vor dem Saisonstart kann man die Frage, ob es denn zueinander passt, immer noch nicht final beantworten. Zumindest hat man aber Anhaltspunkte, dass es kein Ding der Unmöglichkeit ist.

Die Stationen des Max Kruse

ZeitraumKlub
2006 - 2009Werder Bremen
2009 - 2012FC St. Pauli
2012 - 2013SC Freiburg
2013 - 2015Borussia Mönchengladbach
2015 - 2016VfL Wolfsburg
2016 - 2019Werder Bremen
2019 - 2020Fenerbahce
2020 - 2022Union Berlin
seit Januar 2022VfL Wolfsburg

Niko Kovac und der Vergleich mit Thomas Müller

"Max ist ein toller Junge, ich habe nur Positives zu berichten", sagt Kovac: "Als er zu den Leistungstests kam, war er schon auf einem sehr guten Niveau. Wir haben ein sehr gutes Gespräch gehabt. Ich weiß, wie wichtig Max für uns ist."

Auch, weil Kovac weiß, dass Kruse "ein Spieler ist", der "trotz seiner 34 Jahre pro Saison immer 15 Tore schießen und noch mal fünf bis zehn auflegen kann. Immer!" Der Zusatz ist dann aber pikant: "Die Qualität hat er, die haben nicht viele in der Bundesliga. Wenn er fit ist und körperlich alles herausholen kann, hat er Fähigkeiten wie ein Thomas Müller."

Was zunächst wie ein großes Lob klingt - Müller ist schließlich einer der besten Spieler der Bundesliga-Geschichte - darf mit Blick auf die Vergangenheit vielleicht sogar als Warnung verstanden werden. Denn Kovac war wohl der einzige Bayern-Trainer in der gesamten Profikarriere des Thomas Müller, der nicht unangefochten auf ihn setzte. Zum Ende der Kovac-Amtszeit in München saß Müller sechs Wochen lang auf der Bank - so lang wie nie.

"Wenn Not am Mann sein sollte, wird er mit Sicherheit auch seine Minuten bekommen", sagte Kovac über Müller im Oktober 2021 und der Notnagel-Vergleich hing Kovac bis zu seinem bitteren Ende nach. Ein Ende, das sicherlich auch mit dem freiwilligen Verzicht auf Müller zu tun hatte. Das Münchner Urgestein dachte damals sogar an Abschied, was eigentlich unvorstellbar ist.

Thomas Müller bedient auf der Bank: Am Ende gewohntes Bild beim FC Bayern
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Thomas Müller bedient auf der Bank: Am Ende gewohntes Bild beim FC Bayern

Max Kruse lässt Trainer einfliegen und lässt es alle wissen

Den Umgang mit Müller würde Kovac heute sicher anders handhaben. Zumindest medial, um kein Fass aufzumachen, das öffentlich wochenlang ausgeschöpft wird. Kovac war in München damals sichtlich genervt von den Fragen über Müller. Ganz so viele Reporter gibt es in Wolfsburg nicht, aber dennoch darf er davon ausgehen, dass er regelmäßig über Kruse sprechen muss.

Darüber, wie er mit ihm umgeht. Wie er ihn behandelt. Unter dem ihm wohlgesonnenen Kohfeldt hatte Kruse noch Freiheiten. Auf und neben dem Platz. In der DAZN-Sendung "Decoded" sprach Kruse im März über die Laufarbeit auf dem Platz: "Man kann natürlich 13 Kilometer laufen und zwölf davon falsch. Ich versuche die richtigen Wege zu gehen und ein bisschen mit Auge im Spiel unterwegs zu sein und stehe dann oft richtig."

Ob das einem Trainer wie Kovac reicht, der Folgendes sagt? "Wenn ich nicht die Fähigkeiten habe, 90 Minuten zu gehen, dann fange ich an zu kalkulieren. Dann spare ich mir immer irgendwo einen Weg in die Offensive, aber auch in die Defensive. Das heißt, es gehen gewisse Situationen in der Offensive baden und nach hinten kassiert man vielleicht Chancen oder Gegentreffer. Das ist für mich ein wichtiger Punkt."

Es scheint zumindest so, als ob Kruse verstanden hätte, dass nun ein anderer Wind bei seinem Arbeitgeber weht. Beim Sommerurlaub in den USA ließ sich der 34-Jährige einen Personal-Trainer aus Deutschland einfliegen. Ehefrau Dilara teilte bei Instagram sehr geschickt medienwirksam mit, wie fleißig Kruse im Urlaub arbeitet.

Sie schrieb unter anderem: "Mit meinem Mann stimmt etwas nicht. Leute! Er geht jeden Tag trainieren, jeden Tag. Dieser Mann ist im Urlaub und geht trainieren. Ich glaube, der hat einen Schatten." Der Wink sollte bei jedem angekommen sein.

Ganz egal, wie sehr sich beide Typen anstrengen, Niko Kovac wird niemals der Muster-Trainer des Max Kruse und Max Kruse nie der Muster-Spieler des Niko Kovac. Das muss aber auch nicht so sein. Finden sie eine goldene Mitte, könnte es eine fruchtbare und erfolgreiche Zusammenarbeit werden. Wenn nicht, kommen die Fragen bestimmt wieder.

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