Kommentar zu den Coronafällen im Fußball: Schickt die Kicker zurück in den Urlaub

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© getty

Der Fußball droht angesichts der sich häufenden Coronafälle in den Mannschaften vollends zum Glücksspiel zu werden - und noch hat die Omikron-Welle in Deutschland nicht mal richtig Fahrt aufgenommen. Statt den ohnehin brutalen Spielplan im WM-Jahr 2022 jetzt mit aller Macht durchzudrücken, sollten die europäischen Top-Ligen bis Februar pausieren - und sich in der Pause Alternativpläne für Europacup und Länderspiele überlegen. Ein Kommentar.

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Vorweg: Der Fußball ist kein Pandemietreiber und es soll hier auch nicht um billige Symbolik ("Wieso sollten Fußballer spielen dürfen, wenn wir wieder unsere Kontakte beschränken müssen?") gehen. Und doch sollte die Bundesliga das für Freitag geplante Spiel des FC Bayern München gegen Borussia Mönchengladbach zum Start in die Rückrunde verschieben, am besten gleich um mehrere Wochen bis in den Februar hinein.

Aus Platzgründen hier mal nur ein paar Treffer, die der Ticker des Sportinformations-Diensts am Sonntag mit dem Stichwort "Corona" ausgespuckt hat:

  • "Girondins Bordeaux ist nach einem massiven Corona-Ausbruch mit 21 betroffenen Spielern aus dem Pokal ausgeschieden. Der sechsmalige Meister verlor bei Stade Brest mit einer B- bis C-Elf am Sonntag 0:3 (0:1)."
  • "Torhüter Allison Becker, Offensivspieler Roberto Firmino und Innenverteidiger Joel Matip stehen dem FC Liverpool im Topspiel beim FC Chelsea (das Spiel endete 2:2, die Red.) nicht zur Verfügung. Wie die Reds bekannt gaben, haben wie zuvor beim deutschen Teammanager Jürgen Klopp auch Corona-Tests beim Spielertrio einen 'Verdacht auf ein positives Ergebnis' erbracht."
  • "Die für Sonntag geplante Begegnung zwischen Ralph Hasenhüttls FC Southampton und Newcastle wurde nach mehreren Coronafällen bei Newcastle abgesagt" (damit steigt die Zahl der in den letzten drei Wochen abgesagten Spiele in der Premier League auf 18, die Red.).
  • "BVB-Spieler Dan-Axel Zagadou infiziert - Corona-Quarantäne in Dubai"
  • "Auch vor Weltstars macht Corona nicht halt: Am Sonntag teilte Paris St. Germain mit, dass Lionel Messi mit Corona infiziert ist. Ebenfalls in Isolation befinden sich aus diesem Grund der ehemalige Münchner Juan Bernat, Sergio Rico, Nathan Bitumazala sowie ein Betreuer."
  • "Wie der FC Bayern bereits am Samstag bekannt gab, "haben sich Manuel Neuer, Kingsley Coman, Corentin Tolisso, Omar Richards und Co-Trainer Dino Toppmöller infiziert. Die Münchner sagten daraufhin den für Sonntag geplanten Trainingsauftakt ab und wollen am Montag zunächst Spieler, Betreuer und Mitarbeiter testen."

Corona: Fernreisen von Neuer und Co. verständlich

Bliebe es bei den aktuellen Fällen, würde es am Freitag übrigens zum Duell des Ersten gegen den Ersten kommen. In der Tabelle der Coronafälle haben Bundesliga-Spitzenreiter Bayern und der 14. Gladbach derzeit mit je vier erkrankten Spielern die gemeinsame Spitzenposition in der Liga inne. Insgesamt acht von 18 Bundesligisten haben aktuell mindestens einen erkrankten Spieler in ihrem Kader.

Dass es bei den Zahlen bleibt, scheint mit Blick nach England, Frankreich, Italien und Spanien eher unwahrscheinlich. Zumal in Deutschland die Omikron-Welle noch nicht mal richtig Fahrt aufgenommen hat und sich die aktuell Erkrankten ihre Infektionen vor allem während ihrer Urlaube zugezogen haben.

Nun kann man grundsätzlich natürlich immer und aus ganz vielen Gründen den Sinn von Kurzurlauben in Übersee hinterfragen; besonders vorausschauend sind Flüge nach Dubai oder auf die Malediven inmitten einer wieder mal grassierenden Pandemie und während einer nur sehr kurzen Winterpause sicher auch nicht.

Und doch muss ich nicht einmal pandemiemüde sein, um Verständnis für die Fernreisesehnsucht der Fußballer zu haben: So richtig viel Urlaub werden gerade die besten unter ihnen - UEFA und FIFA sei Dank - in diesem Jahr, das mit der fünften Corona-Welle beginnt und der in etwa genauso attraktiven Winter-WM in Katar enden wird, nicht bekommen.

Corona-Trainingslager will niemand

Die Raffgier der üblichen Verdächtigen von UEFA, FIFA und vielleicht auch der Ligen nun für die Pandemie und die grassierenden Coronafälle unter Fußballern verantwortlich zu machen, würde dann doch ein bisschen zu weit führen. Aber der sehr, nun ja, ambitionierte Spielplan hat dazu geführt, dass der Fußball dieser Tage infolge der vielen Infizierten und Spielabsagen immer mehr zur "Lotterie" (Jürgen Klopp) wird.

Je länger aber ohne Pause weitergespielt wird, desto größer wird angesichts der hochansteckenden Omikron-Variante das Chaos werden. Und desto mehr wird der Wettbewerb, der ja nicht nur aus dem mit ziemlicher Sicherheit entschiedenen Meisterschaftskampf besteht, verzerrt. Spieler, Betreuer, Trainer werden sich trotz Impfung weiter gegenseitig anstecken. Vor allem, wenn die Mannschaften nicht für unbestimmte Zeit in Corona-Trainingslager geschickt werden, was aus nachvollziehbaren Gründen verhindert werden soll.

Und obwohl Omikron in den allermeisten Fällen vor allem in Kombination mit einer Impfung zu sehr milden Erkrankungsverläufen führen dürfte, könnten die betroffenen Spieler übrigens nicht einfach nach wenigen Tagen schon wieder spielen; Stichwort: Herzmuskelentzündung.

Daher gibt es eigentlich keine Alternative zu einer mindestens bis in den Februar reichenden Spielpause für die Ligen.

CL als Mini-Turnier, Nations League als WM-Generalprobe

Am letzten Januar-Wochenende pausiert der Ligabetrieb ohnehin weltweit wegen der letzten WM-Qualifikationsspiele in Asien, Südamerika und Nord-/Mittelamerika und der Karibik; bis zum 6. Februar steigt in Kamerun zudem der Afrika Cup.

Wenn sich die Lage bis dann wieder etwas beruhigt hat, könnten auch die Ligen wieder starten. Nachgeholt werden könnten die jetzt ausfallenden Ligaspiele in Englischen Wochen im Frühjahr.

Das würde funktionieren, wenn die K.o.-Runden der Europapokal-Wettbewerbe im Mai und Juni wie schon 2020 in Mini-Turnieren ausgespielt werden würden; der Modus hat sich schon 2020 als praktikabel und sogar sportlich reizvoll erwiesen. Ozeanien spielt in einem solchen Mini-Turnier im Übrigen im März seine WM-Teilnehmer aus.

Des Weiteren müsste der schwachsinnige Spielplan um die größten Schwachsinnigkeiten entschlackt werden: Anstatt im Juni vier und im September zwei weitere Spieltage der völlig unnötigen Nations League durchzuprügeln, könnte zumindest die Hälfte abgesagt und die andere Hälfte im Spätherbst statt der normalen WM-Generalproben stattfinden; am besten im Rahmen von Mini-Turnieren, vielleicht sogar mit verkürzter Spielzeit. Die Herren Fußballfunktionäre sind ja sonst auch immer scharf auf neue Turniere.