BVB - Ex-Athletiktrainer Andreas Beck von Eintracht Frankfurt im Interview: "Ich habe die Arbeitskollegen häufiger gesehen als meine Familie"

Andreas Beck wechselte im Sommer 2020 vom BVB zu Eintracht Frankfurt.
© IMAGO / Jürgen Schwarz

Seit 2007 arbeitet Andreas Beck als Athletiktrainer im Profifußball. Nach seinem Start beim 1. FC Nürnberg zog es den 45-Jährigen zu Borussia Dortmund, im Sommer wechselte er nach acht Jahren beim BVB zu Eintracht Frankfurt.

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Im Interview mit SPOX und Goal spricht Beck über seinen Einstieg beim Club, ein Gespräch bei Jürgen Klopp zu Hause und seinen Nachbarn, der ihm eine Schalke-Fahne ans Gerüst seines Hauses hängte.

Zudem erklärt Beck, wie die Zusammenarbeit mit Klopp und Thomas Tuchel aussah, wie er den Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus erlebte und weshalb es ihn von Dortmund zur SGE zog.

Herr Beck, Sie sind in Frankfurt geboren und haben dort ein Magisterstudium in Sportwissenschaft mit dem Nebenfach Sportmedizin und Pädagogik abgeschlossen. Anschließend wollten Sie eine wissenschaftliche Karriere einschlagen, Ihre Promotion war bereits in Planung. Im Jahr 2007 gab es aber plötzlich, Sie waren 31 Jahre alt, einen Anruf vom 1. FC Nürnberg...

Andreas Beck: Am anderen Ende war Dr. Andreas Schlumberger, der in der Abteilung Trainingswissenschaften promoviert hat und zum Club ging. Andreas war damals regelmäßig zwei, drei Tage beim FCN und hatte den Auftrag, jemanden zur Unterstützung im Athletik- und Rehabereich zu suchen. Ich wurde dann unmittelbar vor meiner mündlichen Prüfung in Trainingswissenschaften von meinem Mentor Prof. Dr. Klaus Wirth gefragt, ob ich mir so etwas vorstellen könne. Das kam sehr überraschend, da ich mit ihm eigentlich schon meine weitere Zukunftsplanung in die Wege geleitet hatte.

Zusammen mit zwei Kollegen haben Sie schon während des Studiums eine Agentur für Personal Training und Leistungsdiagnostik gegründet. Half dies, um für einen Job im Profifußball in Frage zu kommen?

Beck: Definitiv. Ich habe mich früh sehr intensiv mit diesen Themen auseinandergesetzt und im Kraft- und Athletikbereich beispielsweise mit Jugendtennisspielern gearbeitet. Später kamen noch die ersten Herren des SC Frankfurt 1880 hinzu, die in der 2. Hockey-Bundesliga gespielt haben. Ich deckte also Team- und Individualsport ab, nebenbei arbeitete ich noch in der medizinischen Trainingstherapie einer Physiotherapeutenpraxis mit. So kam vieles zusammen, was mich für das Profil Athletiktrainer im Profifußball in Stellung gebracht hat.

Andreas Beck arbeitete beim 1. FC Nürnberg die längste Zeit unter Cheftrainer Dieter Hecking.
© IMAGO / Bernd Müller
Andreas Beck arbeitete beim 1. FC Nürnberg die längste Zeit unter Cheftrainer Dieter Hecking.

In Nürnberg wurden Sie Reha- und Fitnesscoach und sollten das Athletiktraining auf ein professionelles Niveau heben. Wie lange mussten Sie überlegen, um von der Uni direkt auf den Fußballplatz zu wechseln?

Beck: Es war eine schwierige Entscheidung, da sie meine gesamte Planung verändert hat. Ich war zwar Lokalpatriot und der Eintracht zugetan, aber gewiss kein Fußballfan und kannte nur wenige Spieler. Dieser Bereich war aber der einzige, von dem klar war, dass man dort wohl seinen Lebensunterhalt bestreiten könnte. Um die Sache Vollzeit zu betreiben, wäre sonst nur noch die Arbeit beim Olympiastützpunkt in Frage gekommen. Daher bot sich mir beim Club eine große Chance, auch um sport- und trainingswissenschaftlich wirklich in der Praxis arbeiten zu können.

Wie ging es dann in Nürnberg genau los?

Beck: Ich habe Andreas zunächst zwei Tage in seinem Alltag als sportwissenschaftlicher Leiter bei Eden-Reha in Donaustauf begleitet, dabei haben wir uns sehr viel inhaltlich unterhalten. Er wollte dem Verein nur einen Kandidaten präsentieren und die Wahl fiel zum Glück auf mich. Ich durfte mit ins Trainingslager fahren, um die Mannschaft und Trainer Hans Meyer kennenzulernen. Dort wurde ich gefragt, ob ich nicht zwei Tage die Woche für den FCN arbeiten könne. Und zwar Dienstag und Mittwoch, ausgerechnet die beiden umsatzstärksten Tage bei meinem Personal Training. Die Aufwandsentschädigung beim Club hat das nicht annähernd kompensiert. Ich bin das finanzielle Risiko aber wegen der Aussicht auf den Einstieg in den Profisport eingegangen. Es war letztlich auch kein langes Minusgeschäft, denn nach rund drei Wochen fragte mich Hans Meyer, ob ich nicht Vollzeit arbeiten möchte. Das war zwar überhaupt nicht absehbar, aber ich musste nicht lange überlegen.

Nach etwas mehr als einem halben Jahr wurde Meyer durch Thomas von Heesen ersetzt, der sechs Monate später auch schon wieder Geschichte war. Inwiefern war Ihr Einstieg trotz Ihrer Kompetenzen auch ein Sprung ins kalte Wasser?

Beck: Total. Damals wurden Athletiktrainer eingestellt, ohne dass man eine Idee hatte, was sie eigentlich machen - gerade, wenn ich das mit den heutigen Aufgaben vergleiche. Das erste halbe Jahr war eine einzige Lehrzeit für mich. Ich habe viel beobachtet und vor allem überprüft, ob denn die Ideen, die ich im Laufe des Studiums entwickelt habe, in der Praxis überhaupt anwendbar sind. Anfangs war ich außer beim Aufwärmen und ab und zu einmal eine Sprintform zu leiten auch nicht viel auf dem Platz gefragt.

Beck: "Bei Hans Meyer war alles enorm strukturiert"

Wie war Ihr erster Eindruck von Fußballprofis und der Branche?

Beck: Bei Hans war alles enorm strukturiert. Man konnte genau sagen, an welchem Tag was trainiert wird. In diesem festen Ablauf hatte ich meinen Platz und konnte mich ausprobieren. Das war sehr berechenbar, aber so konnte ich mich auch problemlos auf die Zusammenarbeit mit den Spielern einstellen. Ich habe sie gerade im Trainingslager als ganz normal wahrgenommen. Mittlerweile würde ich sagen: Je älter und erfahrener die Spieler sind, umso entspannter werden sie im Umgang.

Nachdem Sie die längste Zeit beim Club unter Dieter Hecking arbeiteten, zog es Sie im Sommer 2012 nach fünf Jahren zu Borussia Dortmund. Weshalb?

Beck: Es ging mir nicht um ein höheres Gehalt oder eine bessere Mannschaft, sondern darum, weniger Kompromisse machen zu müssen. Ich bin beim BVB dafür sozusagen einen Schritt zurückgegangen: In Nürnberg war ich mein eigener Herr und habe mit dem Trainerteam alles selbst besprochen. In Dortmund rückte ich unter meinem alten Bekannten Dr. Andreas Schlumberger, der damals Chef der Athletikabteilung war, ins zweite Glied. Das war für mich aber keinesfalls ein Rückschritt, weil wir dort im Team die Dinge besser und effektiver umsetzen konnten. Auch die Arbeitsbedingungen und persönlichen Möglichkeiten, sich weiter zu entwickeln, waren beim BVB noch einmal andere.

Wie kam es überhaupt zum Angebot der Borussia?

Beck: Andreas rief mich im Oktober an. Ich erbat mir Zeit bis Januar, da meine Motivation, Nürnberg zu verlassen, nicht besonders groß war. Ich hatte dort ein großes soziales Umfeld, habe meine Frau kennengelernt, mein Sohn war gerade geboren, ich fühlte mich im Trainerteam sehr wohl und der Verein war im Begriff, ein neues Funktionsgebäude zu bauen, bei dem ich mich hätte einbringen können. Doch ich hätte eben gerne eine Unterstützung gehabt, was sich in den Gesprächen mit dem FCN leider nicht herauskristallisierte.

Langjährige Weggefährten: Andreas Beck und Dr. Andreas Schlumberger.
© IMAGO / MIS
Langjährige Weggefährten: Andreas Beck und Dr. Andreas Schlumberger.

Welche Rolle spielte der damalige Trainer Jürgen Klopp bei Ihrer Verpflichtung?

Beck: Ich wurde im Februar zu einem Gespräch mit Andreas und Jürgen eingeladen. Das fand bei Kloppo zu Hause statt und war ein sehr, sehr tolles, angenehmes und lustiges Gespräch - so wie man es sich halt auch bei Kloppo vorstellt. (lacht) Wir fanden uns schnell sympathisch. Kurz darauf traf ich mich mit Michael Zorc, der mir ein Angebot unterbreitete und letztlich auch immer dafür verantwortlich war, dass ich mich in all den Jahren in verschiedenen Aufgaben einbringen und entwickeln durfte.

In Ihrer letzten Saison beim FCN wurde der Club Zehnter, in Dortmund kamen Sie zum amtierenden Doublesieger und standen am Ende Ihres ersten Jahres im Champions-League-Finale. Wie anders, wie aufregend war es für Sie zu Beginn bei der Borussia?

Beck: Ich weiß noch genau, als ich zum ersten Mal durch Dortmund gefahren bin und dort überall die BVB-Aufkleber und -Fahnen gesehen habe. Nicht nur die Stadt, das gesamte Ruhrgebiet erschlägt einen ja mit Fußballkultur. Mir wurde schnell sehr deutlich, welche Bedeutung der Klub für die Stadt hat. Als ich ein Haus in Lünen bezog, wusste mein Nachbar offenbar schon Bescheid, wo ich arbeite und hatte mir zum Einzug eine Schalke-Fahne ans Gerüst gehängt. Das erste Jahr war natürlich eine unglaubliche Reise. Als ich beim Finale im Wembley-Stadion auf dem Platz stand, hat es sich aber ehrlich gesagt nicht einmal besonders angefühlt. Wenn man sich in dieser Blase bewegt, realisiert man oft nicht so sehr, wie groß die Außenwirkung ist.

BVB: Die kommenden Partien von Borussia Dortmund

TerminWettbewerbGegnerHeim/Auswärts
03.04.2021BundesligaEintracht FrankfurtH
06.04.2021Champions LeagueManchester CityA
10.04.2021BundesligaVfB StuttgartA
14.04.2021Champions LeagueManchester CityH
17.04.2021BundesligaWerder BremenH