Borussia Mönchengladbachs Talentetrainer Eugen Polanski: "Nach Niederlagen habe ich zwei, drei Tage nicht mit meiner Frau geredet"

Borussia Mönchengladbachs Übergangstrainer Eugen Polanski.
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Von welchem Trainer haben Sie sich am wenigsten abgeschaut?

Polanski: Netter Versuch! Das war natürlich ein Prozess. Mit 22 habe ich noch nicht darüber nachgedacht, Trainer zu werden. Thomas Tuchel hat mir viel beigebracht, auch wenn ich das damals noch nicht wusste. Julian hat mir gesagt, dass ich Trainer werden muss und ich kann mich mit seiner Art und Weise Fußball zu denken und zu trainieren identifizieren. Und dann habe ich das große Glück, mit Marco Rose einen Trainer zu haben, der sehr geradlinigen, modernen und intensiven Fußball spielen lässt. Wenn ich Fußball malen müsste, dann würde er genau so aussehen.

Wie sehr sind Sie als Übergangstrainer in den Trainingsbetrieb der Profis eingebunden?

Polanski: Ich bin bei jeder Einheit auf dem Platz, bin voll in die Planung der Trainingseinheiten eingebunden. Das ist für mich ideal, auch für meine eigene Ausbildung zum Trainer. Für mich ist quasi seit eineinhalb Jahren jeden Tag Fußballlehrer-Lehrgang.

Was genau machen Sie im Trainingsbetrieb der Profis?

Polanski: Ich bin natürlich in erster Linie für die jüngeren Spieler zuständig, kann sie in den Trainingspausen oder ab und zu auch während der Trainingseinheiten für einzelne Übungen selbst coachen. Und wir nehmen jede Einheit auf und reden dann mit den jungen Spielern darüber. Vor Corona habe ich aus der U17, U19 und U23 Spieler genommen und sie in einer Gruppe ein paar Prinzipien trainieren lassen. Das lassen wir jetzt sein, nicht, dass am Ende im Fall einer Ansteckung alle Mannschaften in Quarantäne müssten. Also versuche ich, so viele Trainingseinheiten der einzelnen Jahrgänge ab der U16 wie möglich anzuschauen. Wir machen aktuell sehr viel Videocoaching.

Polanski: "Rose lässt den Chef nicht raushängen"

Wer entscheidet, welche Spieler in den Top-Talente-Pool kommen?

Polanski: NLZ-Direktor Roland Virkus, die Mannschaftstrainer und ich. Zwischen acht und zwölf Spieler von der U17 bis zur U23 sind drin, werden von mir gecoacht und nach und nach dem U23-Coach oder dem Cheftrainer vorgestellt. Wir wollen aber nicht zu früh festlegen, wer in die Gruppe kommt. In der U17 ist das auch ein bisschen schwimmend, da sind manche Jungs mal bei uns dabei, dann wieder nicht. Es geht immer ums Leistungsprinzip, aber ich lösche jetzt auch nicht sofort die Nummer eines Spielers, wenn er mal eine schlechtere Phase durchlebt.

Schon mal in Versuchung gewesen, U23-Coach Heiko Vogel in die Aufstellung reinzusprechen?

Polanski: Dadurch, dass wir uns ohnehin ständig austauschen, sprechen wir natürlich auch über die Spieler. Und ich erinnere die Trainer dann schon mal daran, dass meine Spieler sehr jung sind und es für sie schon noch eine Herausforderung ist, wenn sie plötzlich in der Regionalliga performen sollen. Ich versuche vor allem, den Spielern eine Plattform zu geben, um sich zu präsentieren.

Das heißt?

Polanski: Wir sind bei Borussia mittlerweile auf einem Niveau angekommen, dass wir Champions League spielen. Da ist es natürlich extrem schwierig, Spieler für die internationale Klasse auszubilden. Das ist schwerer als einen Bundesligaspieler zu formen. Trotzdem musst du den Jugendspielern eine Plattform bieten. Sei es, dass ein U19-Spieler in der U23 integriert oder dass ein Spieler der U23 oder U19 im Profitraining eingebunden wird. Auch das wird medial wahrgenommen und schon ist man als Talent im Blickfeld.

Einst Teamkollegen und Zimmernachbarn in Mainz, jetzt Übergangstrainer und Chefcoach: Eugen Polanski (li.) und Marco Rose.
© imago images/Uwe Kraft
Einst Teamkollegen und Zimmernachbarn in Mainz, jetzt Übergangstrainer und Chefcoach: Eugen Polanski (li.) und Marco Rose.

Sie haben mit Ihrem jetzigen Chef Marco Rose schon als Profi bei Mainz zusammengespielt. Was unterscheidet den Trainer Rose vom Spieler Rose?

Polanski: Als wir uns kennenlernten, kam ich verletzt aus Getafe nach Mainz. Er war ebenfalls verletzt und so waren dann zwei Fußballer, die nicht Fußball spielen durften, zusammen im Trainingslager in einem Zimmer. Marco ist offen und ehrlich, sehr stark darauf bedacht, nicht den Chef raushängen zu lassen, sondern verfügt über eine natürliche Autorität. Ich schätze sehr an ihm, dass er sein Ding durchzieht, bis die Mannschaft das auch durchzieht. Aber er geht auch auf die Einzelnen ein und ist kein Prinzipienreiter. Wenn er sieht, dass seine Ideen nicht das Nonplusultra für die Mannschaft sind, dann ändert er seine Vorgehensweise. Als Spieler war er genauso. Er hat immer seine Meinung gesagt, aber wenn er mal Fehler gemacht hat, hat er die auch eingesehen.

Eugen Polanski: Seine Karrierestationen als Profi

JahreVereinSpieleTore
2004 - 2008Borussia Mönchengladbach541
2008/2009FC Getafe28-
2009 - 20131. FSV Mainz 05914
2013 - 2018TSG Hoffenheim13710

Themawechsel: Sie haben bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine für Polen gespielt. In den Jahren zuvor hatten Sie immer wieder betont, dass Sie in Deutschland leben würden, seit Sie drei Jahre alt waren und eigentlich lieber für Deutschland spielen würden.

Polanski: Als mich der polnische Verband vor der WM 2010 angefragt hat, habe ich abgesagt. Ich wollte Fußball spielen und vor allem wollte ich Spiele gewinnen. Und ich bin in Deutschland aufgewachsen, wurde hier ausgebildet und habe in den deutschen Junioren-Nationalmannschaften gespielt. Deswegen wollte ich am liebsten für Deutschland spielen. Gleichzeitig bin ich in Polen geboren, meine polnische Identität war schon immer da und tief im Herzen. Mich hat die Aussicht, mit dem polnischen Adler auf der Brust zu spielen, stolz gemacht. Aber ich wollte es mir nicht einfach machen und nach der ersten Anfrage gleich dem polnischen Verband zusagen. Auch wenn ich so eine WM verpasst habe.

Wie haben Ihre Eltern reagiert, als Sie dem polnischen Verband abgesagt haben?

Polanski: Ich meine, dass ich es ihnen nicht mal sofort gesagt habe. Nationaltrainer Franzisek Smuda hatte mich direkt nach einer Niederlage in der Bundesliga angesprochen und das war noch in der Zeit, in der ich nach Niederlagen wenig geredet habe.

"Nach dem EM-Ausscheiden lag ich mittags noch im Bett"

Wieso haben Sie sich dann später doch für Polen entschieden?

Polanski: Smuda ist hartnäckig geblieben. Ein guter Bekannter, der damals auch für Schalke gearbeitet hat, war zufällig auch Physiotherapeut der polnischen Nationalmannschaft, über ihn hat Smuda den Kontakt aufrechterhalten. Und über ihn wussten sie auch, dass ich Polen trotz meiner Absage immer emotional verbunden war.

Polen ist bei der Heim-EM nach zwei Unentschieden in der Gruppenphase ausgeschieden. Wie haben Sie den Rest des Turniers erlebt?

Polanski: Ganz ehrlich: Wir sind direkt nach der Bundesligasaison in ein Regenerations-Trainingslager mit den Familien gefahren, waren dann in einem weiteren Trainingslager in Österreich und dann in Polen nochmal in einem. Am Ende waren wir sechs Wochen am Stück im Hotel und sechs Wochen voll im Tunnel. Ich war so voller Spannung, dass ich am Tag nach unserem Ausscheiden mittags noch im Bett lag und nicht aufstehen konnte. Ich war kaputt, einfach komplett leer. Als meine Frau vorschlug, für zwei Wochen in den Urlaub zu fahren, habe ich ihr gesagt, dass ich kotzen würde, wenn ich noch mal ins Hotel müsste. Ich bin dann nach Hause gefahren und habe von der restlichen EM kaum etwas mitbekommen. Ich wollte das Ding gewinnen, das konnte ich nicht. Also war das Turnier für mich vorbei.

Letzter Punkt: Wurden Sie von Ihren Schützlingen mal auf die irren Szenen von Ihrem Spiel mit Getafe im Bernabeu 2009 angesprochen?

Polanski: Direkt angesprochen nicht. Aber die Jungs haben einmal auf YouTube ein Video mit der Szene entdeckt, in dem Pepe unseren Kapitän Javi Casquero tritt und darüber geredet. Ich war zufällig dabei und habe dann sehr lebhaft die Szene geschildert, als ob ich dabei gewesen wäre. Weil ich ja dabei war. Da haben die Jungs natürlich große Augen gemacht.

Pepe foulte damals in einem verrückten Derby, in dem Getafe zweimal in Führung lag und am Ende 2:3 verlor, in der Schlussphase Getafe-Kapitän Javi Casquero im Strafraum. Als Casquero Elfmeter reklamierte, trat Pepe mehrmals auf den am Boden liegenden Casquero und trat auch weiter, als der Schiedsrichter ihm die Rote Karte zeigte. Wie haben Sie die Szene erlebt?

Polanski: Zuerst haben wir natürlich versucht, Javi zu schützen und haben gehofft, dass er sich nicht zu schwer verletzt hatte. Als Pepe endlich nicht mehr auf dem Rasen war, war ich regelrecht fassungslos. Das war wie im Film, eine totale Kurzschlussreaktion. Was da in einem vorgehen muss? Irre! Und dann war Pepe natürlich auch noch ein Weltstar. Leider Gottes haben wir am Ende das Spiel verloren.

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