Kevin Großkreutz und der Döner-Wurf: BVB-Mitspieler Julian Schieber erinnert sich im Interview

Julian Schieber und Kevin Großkreutz spielten zwischen 2012 und 2014 gemeinsam für den BVB.
© Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Kevin Großkreutz hat mit 32 Jahren seine Profikarriere beendet. Bei ihm bleiben nicht nur die Titel, die er mit dem BVB und der deutschen Nationalmannschaft gewann, in Erinnerung. Im Mai 2014 spielte sich eine legendäre Episode in einem Dönerladen in Köln ab. Julian Schieber, Mannschaftskollege von Großkreutz beim BVB, war damals hautnah mit dabei.

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Im Interview mit SPOX und Goal blickt Schieber, derzeit beim FC Augsburg unter Vertrag, mit einem Schmunzeln zurück und spricht über den Verlauf des Tages in der Domstadt.

Mit dabei: Feuchtfröhliche Kartenspiele, eine WG voller Fans des 1. FC Köln und die Hintergründe des Döner-Wurfs, der Großkreutz eine Anzeige bescherte. Die Vorwürfe einer Körperverletzung durch Großkreutz konnten übrigens im Juli desselben Jahres nicht erhärtet werden. Die Staatsanwalt bewertete den Fall schließlich als Bagatelle.

Herr Schieber, Anfang Mai 2014 hatte Jürgen Klopp den BVB-Spielern zwei freie Tage gegönnt. Ihr ursprünglicher Plan war, zusammen mit Kevin Großkreutz den ersten Tag in Düsseldorf zu verbringen. Ihr Mitspieler Manuel Friedrich wohnte dort und wollte sie herumführen. Wieso ist daraus nichts geworden?

Julian Schieber: Weil Kevin meinte: 'Nach Düsseldorf gehe ich nicht, das ist mir zu Schalke-lastig dort. Lasst uns lieber zu meinen Kumpels nach Köln gehen, da sind wir sicher.' Er hatte ja viele Freunde aus der Kölner Fanszene. Manu und ich waren eh sehr unkompliziert und haben zugesagt. Wir dachten wohl beide, dass wir den Kevin sonst ja nicht aus Dortmund herausbekommen.

Wie ging es dann weiter?

Schieber: Wir sind gegen 17, 18 Uhr angekommen, in eine kleine Kneipe gegangen und haben Karten gespielt. Nebenher ein paar Bierchen, so wie es sich ab und zu auch einmal gehört. In der Hinsicht war der Abend aber überschaubar, Alkohol gab nicht den Ausschlag dafür, was später noch passieren sollte. Es war einfach ein wirklich netter Abend. Irgendwann hat sich Manu dann verabschiedet.

Was haben Großkreutz und Sie daraufhin gemacht?

Schieber: Wir sind zu Kevins Kumpels in eine WG gegangen.

Ganz spontan?

Schieber: Für mich schon, aber ich weiß nicht, ob das der Kevin irgendwie im Vorfeld ohnehin geplant hatte. Wir haben dann in einer unscheinbaren Gasse an einem ganz normalen Haus geklingelt und sind durchs Treppenhaus nach oben in die Wohnung. Die hatte so drei oder vier Zimmer, aber es haben sich bestimmt 30 Kölner Fans dort getummelt.

Wie war's dort denn?

Schieber: Kevin hat ja viele aktive Fans in seinem Freundeskreis, aber für mich war das interessant und auch beeindruckend, diese andere Seite einmal genauer kennenzulernen und zu sehen, wie die Leute ticken. Keine Ahnung, ob das wirklich Ultras waren. Es waren aber schon die groben Kerle: Oberkörper frei, tätowiert, ordentlich Muskeln - Jungs, vor denen man Respekt hat, wenn man ihnen gegenübersteht. Die waren aber alle gut drauf, die Stimmung war super. Wir haben über Fußball gequatscht und Lieder gesungen, vor allem Kölner Gesänge. (lacht) Ein, zwei Stunden sind wir dort geblieben.

Julian Schieber und Kevin Großkreutz spielten zwischen 2012 und 2014 gemeinsam für den BVB.
© Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images
Julian Schieber und Kevin Großkreutz spielten zwischen 2012 und 2014 gemeinsam für den BVB.

Als sie die Wohnung wieder verließen und zum Taxistand gingen, um nach Hause zu fahren, wollte Großkreutz dann aber noch etwas essen.

Schieber: Wie es halt so ist: Wir hatten den ganzen Abend noch nichts gegessen und entsprechend Hunger. Kevin wollte daher noch einen Döner mitnehmen. Im Laden wurde er dann von vier, fünf Leuten erkannt. Die waren auch nicht mehr ganz nüchtern und fanden es ganz cool, ihn erkannt zu haben. Ich habe mich da im Hintergrund gehalten, weil es schon kurz vor Mitternacht war und ich kein Aufsehen erregen wollte. Das hat leider nicht ganz geklappt.

Die Truppe wollte, dass Großkreutz sich mit ihnen fotografieren ließ.

Schieber: Genau. Kevin hat aber gesagt: 'Sorry, das ist mir jetzt zu spät, lasst mich bitte in Ruhe.' Daraufhin sind sie ihn verbal angegangen und das hat er natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Dann ging alles ganz schnell. Kevin warf den Döner, er hatte ihn vielleicht gerade einmal eine Minute in der Hand. Ich habe das überhaupt nicht kommen sehen. Es gab dann Geschrei von beiden Seiten. Ich habe Kevin schließlich gepackt und ins Taxi verfrachtet. Wir sind also ohne Essen nach Hause gefahren.

Sie sagten im SPOX-Interview 2018, es wurden Schmähgesänge gegen Großkreutz angestimmt. Beinhalteten die irgendwo das Wort "Schalke"?

Schieber: Nein. Sie haben "Kevin Großkreutz, du Zigeuner, schalalala" gesungen. Es war irgendwie auch eine klassische Geschichte: Ein Fußballfan freut sich, dass er einen Spieler trifft, bekommt dann aber nicht das, was ihm vorschwebt und schwenkt dann total ins Gegenteil um. Kevin hat sicherlich falsch reagiert, aber man muss sich auch nicht anpöbeln lassen.

Als Sie am nächsten Morgen zurück in Dortmund aufwachten, hatten Sie zahlreiche Anrufe von Großkreutz auf Ihrem Handy. Er wurde von den Pöblern angezeigt.

Schieber: Als ich die Anrufe in Abwesenheit sah, dachte ich noch: Hoffentlich ist ihm in der Nacht nichts mehr passiert. Ich rief zurück und er meinte, er habe sich beim Verein gemeldet und die Geschichte erzählt. Für den BVB war die Sache natürlich unangenehm, wir mussten uns rechtfertigen.

Wieso eigentlich, es war doch ein freier Tag?

Schieber: Im Fußball muss sich ein Spieler immer irgendwie rechtfertigen, selbst wenn er nur ein einziges Bier getrunken hat. Heute ist es sogar noch schlimmer und sensibler als damals. Es kam nicht gut an, dass wir an dem freien Tag 100 Kilometer entfernt von Dortmund unterwegs waren. Wir mussten dann zu Michael Zorc ins Büro und ihm schildern, wie das alles abgelaufen ist. Ich habe Kevin auch in Schutz genommen, weil die Sache ja recht schnell medial explodiert ist: Erst die Anzeige, dann der Vorwurf mit der scharfen Döner-Soße im Auge - es wurde ja immer lächerlicher.

Wie hat denn eigentlich Friedrich reagiert, als er von der ganzen Sache erfuhr?

Schieber: Der konnte es überhaupt nicht verstehen, was aus diesem Abend geworden ist, nachdem er mit uns zuvor in geselliger Runde beisammen saß und müde nach Hause gegangen war. Er war halt auch ein paar Jährchen älter als wir - bei ihm hat es einfach nicht mehr gereicht, um mit uns Jungen mitzuhalten. (lacht)

Großkreutz und Sie waren in der gemeinsamen Zeit beim BVB gut befreundet. Wie kam es, dass Sie einen so guten Draht miteinander hatten?

Schieber: Wir haben uns einfach schnell schätzen gelernt, hatten das gleiche Alter und haben ähnlich getickt. Ich bin ein einfacher Junge wie er. Wir beide lieben zudem den Amateurfußball. Meine guten Kumpels kicken auch niederklassig. Sobald ich einen freien Sonntag habe, stehe ich auf dem Sportplatz und gucke ihnen zu. Es gab viele private Parallelen zwischen uns.