Thorsten Fink im Interview: "Wer sich nicht mit dem FC Bayern identifiziert hat, bekam das zu spüren"

Von Stanislav Schupp
Thorsten Fink, Uli Hoeneß
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Inwieweit sind solche Erfahrungen förderlich für die Aufmerksamkeit größerer Klubs?

Fink: Sie sind sicherlich von Vorteil. Das ist auch immer mein Plan. Ich gehe nirgendwo hin, nur um jedes Land der Welt zu bereisen und nette Leute kennenzulernen, sondern um den nächsten Schritt zu machen.

Welche prägenden Erfahrungen nehmen Sie aus Japan mit?

Fink: In Japan wirst du respektiert und nicht als Ausländer gesehen, das gilt sowohl für den Job als auch für das Privatleben. Der Respekt, den man als Spieler gegenüber dem Trainer, dem Fan und umgekehrt mitbringt, hat mich ebenfalls sehr beeindruckt. Gerade die jungen Spieler sind bescheiden und wissen um ihr Standing. Wenn junge Spieler mit älteren am Tisch sitzen und es wird Essen gegrillt, müssen die jungen Spieler den älteren das Essen grillen, da sie in der Hierarchie weiter unten sind. Ungeachtet ihrer Qualität wissen die Jungen, dass sie noch viel lernen und Respekt vor den Älteren und dem Geleisteten haben müssen.

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Ist Japan Europa in dieser Hinsicht möglicherweise sogar voraus?

Fink: In Europa habe ich das Gefühl, dass man sich als Spieler entschuldigen muss, wenn man schlecht spielt. Das ist in Japan nicht der Fall. Niemand spielt gerne und absichtlich schlecht. Man ist möglicherweise nervös oder dem Druck nicht gewachsen. Gerade in solchen Situationen brauchen die Spieler besonders die Unterstützung der Fans. Alles andere trägt nicht dazu bei, dass sie besser werden. Wenn man in Japan verliert, geht man in die Kurve und verneigt sich vor den Fans. Es wird geklatscht und in die Zukunft geschaut. Dort wird zudem nicht alles Gesagte auf die Waagschale gelegt.

Sie sprachen das Privileg an, Stars wie Iniesta, Villa oder Podolski trainiert zu haben. Ersterer ist Kapitän bei Kobe. Gab es intern Probleme, dass europäische Altstars aufgrund ihrer Erfahrung und des Standings gesetzt waren?

Fink: Es gab keine Probleme. Natürlich muss man als Trainer immer aufpassen, dass man als Trainer jeden gerecht behandelt. Die Japaner wissen, wer die Top-Stars sind und so, wie sie erzogen sind, passen sie sich an. Der Umgang war respektvoll und sie haben es verstanden, dass Iniesta Kapitän war. Sicherlich gab es Situationen, in denen man Ausnahmen macht, vor allem aus kultureller Sicht. In Europa wird beispielsweise für gewöhnlich immer gemeinsam gegessen. Die Japaner essen um 18 Uhr zu Abend, die Spanier allerdings erst um 21 Uhr. Das ist einfach der kulturelle Unterschied. Ich fand es schwierig, das unter einen Hut zu bringen, letztlich hat es jedoch sehr gut funktioniert. Niemand hat sich beschwert, dass nicht alle zusammen sitzen beziehungsweise zusammen aufstehen.

Im letztjährigen SPOX-Interview sagten Sie, dass Sie Villa von den Stars bei Kobe besonders beeindruckte. Welcher Spieler hat Ihnen insgesamt im Laufe Ihrer Trainerlaufbahn am meisten imponiert?

Fink: David Jarolim. Er war nicht der talentierteste Spieler, nicht sonderlich groß oder schnell, aber er hat aus seinem Körper und seinem Talent das Maximum rausgeholt. Seine Professionalität, Cleverness und sein Charakter waren hervorragend. Ich habe mit Jarolim noch bei den Bayern zusammengespielt. Dort hat man ihn ein bisschen verkannt.

Sie sind seit September wieder ohne Verein. Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Fink: Wenn man früher in fernen Ländern wie beispielsweise Japan oder China gearbeitet hat, war es quasi unmöglich, wieder in Europa Fuß zu fassen. Heute dagegen haben viele gute Trainer bereits auf anderen Kontinenten gearbeitet, die jetzt wieder bei einem europäischen Klub unter Vertrag stehen. Nehmen wir nur Roger Schmidt oder Jorge Jesus, der in Saudi-Arabien tätig war. Ich selbst bin für vieles offen, hatte auch schon während meiner Zeit in Japan die Möglichkeit, nach Deutschland zurückzukehren. Ich bin im besten Traineralter und bereit, einen guten Klub zu übernehmen. Wenn man ein guter Trainer sein will, muss man gewisse Erfahrungen gesammelt haben - und das habe ich. Ich kann mit Stars umgehen und junge Spieler entwickeln.

Könnten Sie sich auch vorstellen, einen anderen Posten als den des Cheftrainers zu übernehmen?

Fink: Aktuell nicht. Wenn ich als Trainer aufhöre, kann ich mir vorstellen, eine leitende Position in einem Klub zu bekleiden. Ich kann mir auch vorstellen, eine Nationalmannschaft zu übernehmen, Sportdirektor zu werden oder Kader mitzugestalten. Dann muss es allerdings eine höhere Aufgabe sein. Im Moment habe ich noch große Ziele als Trainer. Ich möchte einen Klub nachhaltig aufbauen oder mitführen, idealerweise länger als anderthalb Jahre.

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