Thorsten Fink im Interview: "Wer sich nicht mit dem FC Bayern identifiziert hat, bekam das zu spüren"

Von Stanislav Schupp
Thorsten Fink, Uli Hoeneß
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Etwas, was früher ebenfalls anders war, war der direkte und unverblümte Umgang auf Pressekonferenzen oder in Interviews. Fehlt Ihnen das heutzutage?

Fink: Im Zuge der sozialen Medien verbreitet sich alles deutlich schneller. Das Netz vergisst nicht. Dementsprechend müssen Fußballer vorsichtiger sein und werden auch dahingehend unterrichtet. Das ist natürlich schade, weil es zum Fußball dazugehören sollte, seine Meinung ehrlich zu sagen und gleichzeitig die Meinungen anderer zu respektieren und akzeptieren. Wenn ich heute zu einem Reporter sage, dass ich anderer Meinung bin, sind alle beleidigt und im Netz heißt es, dass man ausgerastet sei.

War der Umgang mit der Presse früher einfacher?

Fink: Der Umgang mit der Presse ist nicht schwieriger geworden. Man musste auch früher zum Teil aufpassen, was man sagte. Heute gibt es einfach neuere Medien. Man wird überall und jederzeit fotografiert, jeder kann über beispielsweise Instagram seine Meinung unzensiert äußern und alles Gesagte wird auf die Waagschale gelegt. Die Profis müssen aufpassen, was und wann sie diverse Inhalte posten. Dementsprechend verdient man heutzutage auch anders.

Sozusagen eine Art "Schmerzensgeld" für die eingebüßte Freizeit und Freiheit?

Fink: Das kann ich nicht sagen. Man steht halt viel mehr in der Öffentlichkeit. Das muss man als Profi wissen.

Wie war zu Ihrer aktiven Zeit das Verhältnis zwischen Spielern und Journalisten?

Fink: Das Verhältnis war immer gut, aber jeder hatte eine andere Beziehung zu den Journalisten. Einige beschwerten sich, wenn sie eine schlechte Note nach den Spielen bekamen. Ich persönlich war größtenteils zufrieden mit der Berichterstattung über meine Person. Natürlich liest keiner gerne schlechte Berichte über sich, aber so läuft das Geschäft. Ich habe mich jedenfalls nicht ungerecht behandelt gefühlt.

Fink über Bayern-Zeit: "Da hat es intern auch mal gekracht"

Bei Bayern gab es in Kahn, Matthäus oder Effenberg auch Spieler, die kein Blatt vor den Mund genommen haben.

Fink: Richtig, sie haben immer ihre Meinung gesagt, egal, ob zum Trainer oder zur Presse. Damals hatte die Presse aber auch mehr Respekt vor solch authentischen Typen und ging vorsichtiger mit ihnen um. Intern hat es natürlich auch mal gekracht.

Inwiefern?

Fink: Es wurde viel gestritten - mit Kahn, Effenberg oder Hoeneß. Das Gute daran war, dass die Dinge nicht nach außen getragen wurden. Ich hatte mehrfach Streit mit Hoeneß in der Kabine. Danach war das allerdings wieder vergessen, weil er wusste, dass ich es nur gut meinte und alles für den Klub gegeben habe. Wichtig war Hoeneß immer ein ehrlicher, fairer Umgang sowie Loyalität zum Verein. Wer sich nicht mit dem FC Bayern identifiziert hat, hat das zu spüren bekommen.

Wie wirkte sich das aus?

Fink: Dann war der Kredit schnell aufgebraucht und der Vertrag wurde nicht verlängert. Ich dagegen kann noch heute zum FC Bayern gehen und auf die Hilfe der Verantwortlichen zählen, wenn ich ein Problem habe. Das liegt eben daran, dass ich immer ehrlich war und mich zu hundert Prozent mit dem Klub identifiziert habe. Das gilt übrigens für jeden loyalen Spieler oder Mitarbeiter, der dort ehrliche Arbeit geleistet hat. Das muss nicht unbedingt der beste Spieler gewesen sein.

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© imago images / HJS

Kahn und Hasan Salihamidzic arbeiten heute als Vorstände beim FC Bayern. Inwiefern war das absehbar?

Fink: Ich finde es gut, wenn Ex-Spieler in den Verein eingebunden werden, weil sie die Lage kennen, sich mit den Zielen identifizieren und wissen, wie der Klub und die Presse funktionieren. Kahn konnte schon als Spieler gut reden, ist ein intelligenter Mann. Ich war schon immer davon überzeugt, dass er eine große Rolle bei einem Top-Klub übernehmen wird. Bei Salihamidzic dagegen kam das ziemlich unverhofft. Dass er Sportdirektor wird, war nicht unbedingt abzusehen, aber er hatte guten Kontakt zu Hoeneß. Außerdem kennt er sich aus und spricht fünf oder sechs Sprachen, was vor allem für diesen Job hilfreich ist, um ein internationales Netzwerk aufzubauen. Dementsprechend bietet er sich optimal an für den Posten.

Sie entschieden sich für die Trainerlaufbahn. Im Laufe Ihrer Karriere arbeiteten Sie mit Trainergrößen wie Ottmar Hitzfeld, Felix Magath und Giovanni Trapattoni zusammen. Wann entstand bei Ihnen der Wunsch, ebenfalls diesen Weg einzuschlagen?

Fink: Bei mir kam das erst zu einem späteren Zeitpunkt meiner Spielerkarriere, als ich beim FC Bayern in Hitzfeld einen Trainer hatte, der mich in der Hinsicht unterstützt und gesagt hat, ich würde wie ein Trainer denken. Wahrscheinlich hat er das nur gesagt, um mich endlich vom Karriereende zu überzeugen. (lacht) Ich habe damals noch in der zweiten Mannschaft gespielt und nebenbei meinen Trainerschein gemacht. Heutzutage sichert sich kaum ein Spieler für die Zeit nach seiner Karriere ab.

Welcher Trainer hat Ihnen am meisten imponiert?

Fink: Ich möchte da niemanden besonders hervorheben, das wäre unfair den anderen gegenüber. Ich habe von jedem Trainer die Dinge mitgenommen, die ich gut fand. Was ich nicht gut fand, habe ich verworfen. So habe ich dann irgendwann meinen eigenen Stil gefunden. Ich arbeitete bei RB Salzburg ein halbes Jahr unter Trapattoni als Co-Trainer. Er war ein hervorragender Coach und hat zahlreiche Titel gewonnen. Da bekommt man natürlich tiefere Einblicke in die Trainerwelt.

An welche Einblicke erinnern Sie sich konkret?

Fink: Es war eine ganz andere Verantwortung im Vergleich zur Spielerkarriere. Man ist für das ganze Team drumherum verantwortlich. Viele denken, dass ein Trainer nur das Taktische beherrschen muss. Dabei ist die Taktik nicht immer das Wichtigste. Man muss den menschlichen Umgang beherrschen und Leute im Klub führen können. Das bedeutet, ich muss auch mit dem Präsidenten, dem Sportdirektor, dem Mediendirektor oder den Physiotherapeuten umgehen.

Fink: "Zwei Jahre hat sich dort kein Trainer mehr gehalten"

Als Cheftrainer waren Sie neben Ihren Engagements beim FC Ingolstadt (2008-2009) und dem HSV (2011-2013) auch im Ausland in Österreich, der Schweiz, Zypern und Japan tätig. Was reizte Sie besonders an den letztgenannten Stationen bei APOEL Nikosia und Vissel Kobe?

Fink: In Hamburg haben wir einen guten Job gemacht und im zweiten Jahr den siebten Platz erreicht. Zwei Jahre hat sich dort seitdem kein Trainer mehr gehalten. Nach der Zeit beim HSV war ich zunächst 16 Monate ohne Job und habe das ein oder andere Angebot abgelehnt. Zypern hörte sich zunächst ungewöhnlich an und zählt zweifelsfrei nicht zu den besten Fußballnationen. APOEL Nikosia nahm allerdings bereits fünfmal an der Champions League teil. Der Vertrag ging zunächst nur von Januar bis Mai 2015. Ich wollte wieder ins Geschäft kommen, die Mannschaft hatte die Chance, die Meisterschaft zu gewinnen und erneut in die Königsklasse einzuziehen. Ein zusätzlicher Titel auf dem Konto ist nie verkehrt. Man kann es sich als Trainer nicht immer aussuchen. In Japan dagegen wird hervorragender, schneller, taktisch hochwertiger Fußball gespielt, die Stadien sind im Normalfall voll, das Land hat großartige Fußballer. Dort hatte ich die Chance, an der asiatischen Champions League teilzunehmen und Stars wie Andres Iniesta, David Villa oder Lukas Podolski zu trainieren. Natürlich muss auch das Finanzielle stimmen. Es ist zudem entscheidend, wie die Familie dazu steht. Meine Frau war damit einverstanden.

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