Marco Reus fällt beim BVB weiter aus: Sorry, Michael Zorc

Marco Reus kann nach langer Pause endlich wieder trainieren.
© imago images / Jan Huebner

Marco Reus wird Borussia Dortmund weiterhin und auf unbestimmte Zeit fehlen. Es sind Horror-Statistiken, die die langen Ausfallzeiten des BVB-Kapitäns verdeutlichen. Ein Abgesang auf den 31-jährigen Reus käme dennoch zu früh.

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Gleich zu Beginn muss sich offenbar für alle folgenden Sätze bei Michael Zorc entschuldigt werden. Man möge denken, dass das Urgestein von Borussia Dortmund lange genug im Geschäft ist, um zu wissen, wie gerade der mediale Hase läuft.

Der Sportdirektor wendete sich beim Trainingsauftakt des BVB am Donnerstag dennoch mit einem "Appell" an die schreibende Zunft. Es sollte Zorc nun hoffentlich nicht überraschen, wenn dieser aus naheliegenden Gründen unerhört bleibt - wie auch diese Zeilen hier belegen werden.

"Es wäre schön", sagte Zorc in Richtung Presse, "nicht im Tagesrhythmus permanent nachzuhaken und Geschichten darüber zu schreiben, sondern ihm die Zeit zu geben, vernünftig zu regenerieren." Anlass für Zorcs Sorge waren die durchaus besorgten Aussagen, die er zuvor über Marco Reus getätigt hatte.

"Bei ihm ist leider noch nicht die erhoffte Besserung eingetreten. Es ist schwierig, eine zeitliche Prognose abzugeben", erklärte Zorc. Bei Reus sei eine Sehne an der bereits zuvor verletzten Adduktorenmuskulatur "weiter entzündet". Der Kapitän, der "in den vergangenen Monaten intensiv gearbeitet und Fortschritte gemacht" habe, wie die Dortmunder wissen ließen, wird nun aber nicht operiert. Reus soll weiter konservativ behandelt werden.

Marco Reus: Neunte BVB-Saison wird ohne ihn starten

Seit dem Ausscheiden im DFB-Pokal bei Werder Bremen am 4. Februar fehlt der 31-Jährige schon. Damals gab der BVB eine prognostizierte Ausfallzeit von vier Wochen an und lag damit genauso deutlich daneben wie einst im Jahr 2016, als Reus an einem Einriss des Adduktoren-Ansatzes sowie einer leichten Schambeinentzündung laborierte. "Bei entsprechendem Heilungsprozess voraussichtlich Mitte August" sollte Reus damals wieder voll belastungsfähig sein - es dauerte schließlich rund drei Monate länger.

Schon damals häuften sich in der Folge die Nachfragen, wann denn Reus wieder zur Verfügung stehen würde. Seitdem hat man sich beim BVB so gut wie abgewöhnt, genaue Prognosen abzugeben.

Sicher ist dagegen: Reus ist meilenweit vom Mannschaftstraining entfernt, seine neunte Saison im BVB-Trikot wird erst einmal ohne ihn starten. Dabei wurde er zuletzt - nicht das erste Mal übrigens - von Physiotherapeut Thomas Zetzmann in den Urlaub nach Ibiza begleitet, die Schmerzen blieben jedoch.

Reus spielte beim BVB nur 57 Prozent aller möglichen Partien

Es ist freilich schwer zu fassen, wie sehr Reus in seiner bisherigen Karriere von Verletzungen gebeutelt wurde. Es sind Horror-Statistiken, die seine langen Ausfallzeiten verdeutlichen: Das Portal transfermarkt.de weist seit seinem Bundesligadebüt 2009 bis zum heutigen Tag insgesamt 1043 Ausfalltage aus. Also unglaubliche 2,85 Jahre oder 149 Wochen.

Dabei ist es nicht so, dass Reus schon von Beginn an einen verletzungsanfälligen Körper hatte. In seinen ersten fünf Bundesligasaisons absolvierte er 159 von 170 möglichen Spielen. Die Seuche begann, als er sich unmittelbar vor der WM 2014 nach einem schweren Foulspiel einen Syndesmosebandanriss zuzog. Anschließend bekam er regelmäßig mannigfaltige, teils anders gelagerte Probleme oder hatte erneut schlicht Pech. Auch die Belastung an sich ist mittlerweile eine gänzlich andere als noch vor acht oder zehn Jahren.

Dies führte dazu, dass er den Dortmundern seit seinem Wechsel aus Gladbach 2012 in bislang 90 Bundesligapartien fehlte. Nimmt man alle Pflichtspiele zur Grundlage, absolvierte Reus lediglich 57 Prozent aller möglicher Duelle. Dass seine Bilanz dennoch herausragende 211 Torbeteiligungen (129 Treffer, 82 Vorlagen) in 266 Pflichtspielen ausweist, macht die Geschichte für den BVB umso tragischer.

Am 4. Februar 2020 verletzte sich Marco Reus beim Pokalaus des BVB in Bremen.
© imago images / Team 2
Am 4. Februar 2020 verletzte sich Marco Reus beim Pokalaus des BVB in Bremen.

Nach Reus-Ausfall: Zorc sieht BVB-Kader "okay aufgestellt"

Was der Ausfall für Gegenwart und Zukunft des BVB, aber vor allem für Reus selbst bedeutet, ist aktuell schwer zu greifen. In die Vorsaison starteten Reus und sein Verein allenfalls solide, dennoch war er bis zu seiner Verletzung im Februar mit zwölf Toren hinter Jadon Sancho zweitbester Torschütze des Teams - das in der Folge ohne Reus elf von 16 Pflichtspielen gewann.

Das ist vor allem die Erkenntnis, die für alle Borussen nun wichtig ist: Es geht in der derzeitigen Komposition des Kaders auch ohne Reus. Sollte Sancho bleiben - was jedoch nicht sehr wahrscheinlich ist - wäre der BVB-Kader für den Moment auch ohne Reus "durchaus okay aufgestellt", wie es Zorc formulierte.

"Wir glauben, dass wir eine gute Kadergröße haben", sagte der Sportdirektor und schob in Sachen Offensivabteilung nach: "Wir haben zum Teil auch das System umgestellt, sodass auch andere Spieler als Erling Haaland in der Spitze agieren können."

Abgesang auf Marco Reus käme zu früh

Wer Zorc kennt, der weiß, dass ein "durchaus okay" ordentlich Spielraum für Spekulationen bietet. Bis zum Start des Trainingslagers in der Schweiz am 10. August soll die Entscheidung bei Sancho fallen. Wechselt der Engländer, besteht "Handlungsbedarf", sagt Zorc. Gut möglich, dass angesichts von Reus' unklarer Rückkehr dann nicht nur ein reiner Sancho-Ersatz verpflichtet wird.

Für einen Abgesang auf Reus wäre es so oder so allerdings deutlich zu früh. Zu oft bewies der Nationalspieler, dass er auch nach langwierigen Verletzungen wieder erstaunlich schnell starke Leistungen abliefern kann. Dies erneut zu wiederholen, wird mit zunehmender Leidensgeschichte und nun 31 Jahren gewiss nicht leichter für ihn. Doch Reus bleibt auch im Krankenstand ein eminent wichtiger Ansprechpartner und Leader innerhalb der Mannschaft.

BVB-Berater Sammer: "... das ist Marco Reus"

Er ist eben leider mit einem ähnlich fragilen Körper ausgestattet wie sein Vorbild Tomas Rosicky. Angesichts seiner fußballerischen Klasse ist für Reus zu hoffen, dass BVB-Berater Matthias Sammer mit seiner Einschätzung aus dem Februar 2018 ein weiteres Mal Recht behält.

Damals war Reus von einem Kreuzbandriss zurückgekehrt und spielte gleich erneut so auf, als wäre er nie weggewesen. "Ich bin der Meinung, dass eine Lebensschule, wie sie Marco Reus vorlebt, auch für Menschen zum Vorbild taugt. Nicht aufgeben, weitergehen, gewisse Phasen auch überstehen können. Diese Stabilität, weiterleben zu können, diese Motivation für den Beruf zu zeigen - das ist Marco Reus", sagte Sammer.

Marco Reus: Leistungsdaten in der Saison 2019/20 für den BVB

WettbewerbEinsätzeToreVorlagenMinuten
Bundesliga191161502
Champions League4-1360
DFB-Pokal21-168