FC Bayern schleppt sich bei Werder über die Ziellinie: Schonzeit zum passenden Zeitpunkt

Von Dennis Melzer
Der FC Bayern machte mit dem Sieg in Bremen den achten Titel in Folge klar.
© imago images / Marvin Ibo Güngör

Die Bayern tüten in Bremen die achte Meisterschaft in Folge ein. Das Spiel zeigt: Die nun folgende Schonzeit für die Etablierten kommt genau richtig.

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"Ich hoffe, wir werden eine Minibar finden, an der wir noch ein Gläschen kriegen", sagte Bayern-Präsident Herbert Hainer in der typischen, ihm von Haus aus innewohnenden Nüchternheit, von der er im Verlauf des Abends vermutlich alkoholbedingt etwas einbüßen sollte. Auch Trainer Hansi Flick, normalerweise Trinkertyp "maßvoller Rotweingenießer", prophezeite, Hermann Gerland zuliebe, "mal mitzumachen" - was auch immer das mit Blick auf die Alkoholauswahl zu bedeuten hatte.

Etwas ausgelassener ging es in der Kabine zu, wo die Mannschaft mit Champus und Bier anstieß. Alphonso Davies und Jerome Boateng performten Travis Scotts "Sicko Mode" und ließen ihre Follower via Video an ihrem Auftritt teilhaben, David Alaba tanzte zum Hit "Roller" von Apache 207, in dem der Interpret gebetsmühlenartig behauptet, "gleich" zu bleiben, obwohl "sie" (vermutlich seine Fans) Fotos machen und "Taschen platzen" (vermutlich wegen des vielen Geldes, das der Hype so mit sich bringt).

Alles beim Alten: FC Bayern zum achten Mal in Folge Meister

Apropos gleichbleibend: Bei den etlichen Nova, die im Zuge des Restarts nach der Coronapause auf Fans, Funktionäre, Trainer und Spieler einprasselten, blieb dem deutschen Fußball immerhin eine Konstante erhalten - am Ende jubeln die Münchner. Das 1:0 bei Werder Bremen bedeutete die achte Deutsche Meisterschaft in Serie für den Klassenprimus, der seit Beginn der Bundesliga 1963 insgesamt zum 30. Mal am Saisonende vom tabellarischen Platz an der Sonne grüßt.

Dabei gestaltete sich das Vorhaben, bereits zwei Spieltage vor Schluss auch rechnerisch keinerlei Zweifel mehr aufkommen zu lassen und somit Schonzeit für die Dauerbrenner im Team zu generieren, schwieriger als erwartet. Der Tabellenvorletzte aus der Hansestadt fand nach rund zehn Minuten, in denen die Gäste sich zunächst anschickten, kurzen Prozess zu machen, immer besser in die Partie und dechiffrierte Flicks Spiel-Code auf beeindruckende Art und Weise.

Aus einer stabilen Defensive heraus setzte die Truppe von Coach Florian Kohfeldt kleine, aber nicht ungefährliche Nadelstiche nach vorne, ehe Robert Lewandowski, der einen zauberhaften Pass Jerome Boatengs in Weltklasse-Manier veredelte, kurz vor der Pause die Führung für den FCB herausschoss. Nach dem Seitenwechsel kontrollierte der Favorit das Geschehen zwar weitestgehend, richtig gefährlich wurde es vor des Gegners Kasten aber nur selten.

Alphonso Davies fliegt, Bremen drückt, Manuel Neuer glänzt

Als Alphonso Davies, dessen Nachtreten im ersten Durchgang gegen Bremens Leonardo Bittencourt von Schiedsrichter Harm Osmers "nur" für gelbwürdig befunden wurde, in der 79. Minute schließlich doch noch vorzeitig Feierabend hatte, witterten die Nordlichter noch einmal Morgenluft. Werder drängte, Werder ackerte, aber Werder belohnte sich nicht. Auch, weil Manuel Neuer einen Kopfball von Yuya Osako herausragend von der Linie kratzte (90.), schleppten sich die Münchner am Ende glanzlos, aber glücklich über die Ziellinie.

"Ich weiß, dass wir einen Weltklasse-Torwart haben", lobte Flick im Anschluss bei Sky und schob nach: "Manu hat uns auch gegen Gladbach mit mehreren Paraden gerettet. Auch heute, das gehört dazu." Torschütze Lewandowski hatte indes in Neuers Glanztat einen "typischen Manu" ausgemacht.

Flicks Verweis auf das Duell mit den Fohlen, das die Bayern mit 2:1 für sich entschieden, kam nicht von ungefähr. Schon am vergangenen Samstag war sein Team vor heimischer Nicht-Kulisse bisweilen in die Bredouille geraten und hatte schließlich nur dank der individuellen Klasse von Leon Goretzka, der kurz vor Schluss eine Flanke von Benjamin Pavard ins Netz bugsierte, die Oberhand behalten.

Mannschaft geht auf dem Zahnfleisch: "Etwas Müdigkeit gespürt"

In Bremen waren es eben zwei, beziehungsweise drei einzelne Aktionen, die sieg- und meisterschaftsbringend waren: Boatengs Pass, Lewandowskis Abschluss und Neuers Reaktionsstärke. Die beiden vergangenen Spiele sowie die zweite Halbzeit im DFB-Pokalhalbfinale gegen Eintracht Frankfurt haben offenbart, dass der Dauerdominator die viel zitierten Federn gelassen hat und dass die Tatsache, die Schale vorzeitig unter Dach und Fach gebracht zu haben, im Umkehrschluss genau zum richtigen Zeitpunkt kommt.

Flicks Mannschaft geht mittlerweile - vor allem aufgrund des personellen Aderlasses - merklich auf dem Zahnfleisch. "In letzter Zeit haben wir viele Spiele gespielt, etwas Müdigkeit gespürt", gab beispielsweise Lewandowski zu. Flick hatte in Bremen mit Lucas Hernandez im Prinzip nur eine echte Option in der Hinterhand, die er bei knappem Spielstand ziehen konnte.

Ansonsten war die Bank nach dem kurzfristigen Ausfall von Routinier Javi Martinez gespickt mit jungen, unerfahren Offensivleuten, die normalerweise vornehmlich bei den Amateuren zum Einsatz kommen. Real-Leihgabe Alvaro Odriozola war zudem bis dato in seinen wenigen Einsätzen nicht unbedingt als souveräner Ruhepol aufgefallen. Dementsprechend wechselte Flick auch nur ebenjenen Hernandez ein.

Die gute Nachricht aus Bayern-Sicht: Mit Blick auf die kommenden Aufgaben dürfte sich die Situation etwas entspannen. Im Heimspiel am Samstag gegen den SC Freiburg sowie eine Woche drauf, wenn Neuer in Wolfsburg die Trophäe vor leeren Rängen in den Nachmittagshimmel der Autostadt stemmen wird, werden aller Voraussicht nach die Reservisten ihre Chance bekommen, um den Arrivierten eine Verschnaufpause einzuräumen.

Die schlechte Nachricht aus Sicht von DFB-Pokal-Endspielgegner Bayer Leverkusen: Zum Finale um den prestigeträchtigen Titel sieht sich die Werkself, die im Bundesliga-Endspurt noch um die Champions-League-Qualifikation kämpft und dementsprechend alle verfügbaren Kräfte bis zum Schluss benötigt, mit einer fitten, hungrigen Bayern-Mannschaft konfrontiert. Die Begegnung in Berlin gilt dabei für den FCB vor allem als Zwischenstation auf dem Weg zum großen Traum: Den Triple-Gewinn.

Triple? Präsident Hainer optimistisch

"Wir haben im Pokal noch den nächsten Schritt, den wir machen wollen", sagte Flick und ergänzte bezüglich der Champions League, die ab August in Lissabon, wo nur noch ein Spiel über Weiterkommen und Ausscheiden entscheidet, weitergehen wird: "Die Champions League kann man nicht planen, die wird schwer genug." Hainer gab sich schon etwas optimistischer: "Ich würde mal die Experten zitieren, die alle sagen, diese Mannschaft hat die Möglichkeit, das Triple zu gewinnen", sagte er.

Die Pause, die zwischen Pokalfinale und Königsklassen-Restart für die Bayern ansteht, während viele Konkurrenten dann mitten im Wettkampf-Modus-Saft stehen, stellt für den Nachfolger von Uli Hoeneß kein Problem dar. "Die Mannschaft hat bewiesen, dass sie auch mit der Pause in der Coronakrise unheimlich gut umgegangen ist. Wenn man sieht, wie die Mannschaft aus der Pause gekommen ist und wie sie gespielt hat und wie souverän sie die Meisterschaft geholt hat, gibt mir das alle Hoffnung."

Tatsächlich könnte die spielfreie Zeit bis zur Wiederaufnahme der Champions League nicht ganz ungelegen kommen. Neben der Möglichkeit, neue Kräfte zu sammeln, kehrt mit Thiago, der jüngst an der Hüfte operiert wurde, ein wichtiger Baustein zurück. Niklas Süle (Kreuzbandriss) und Philippe Coutinho (Sprunggelenksverletzung) steigen am Donnerstag ins Mannschaftstraining ein und könnten durchaus im August wieder eingreifen.

"Wir haben nach dem Pokalfinale eine Pause von rund vier Wochen, der Trainer wird der Mannschaft einen Kurzurlaub von zwölf Tagen geben", verriet Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge am Dienstagabend. "Und anschließend wird er wieder in die Vorbereitung für das Achtelfinale gehen (gegen den FC Chelsea, Hinspiel 3:0). Dann müssen wir einfach voll konzentriert zur Sache gehen, um auch in der Champions League noch die eine oder andere Runde weiterzukommen, idealerweise ins Finale."

Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die künftige Schonzeit hat. Eines ist aber klar: Sollte Rummenigges Wunschszenario eintreten und das Champions-League-Finale sogar gewonnen werden, dürften Hainer, Flick, Gerland und Co. sich nicht bloß mit einer Mini-Bar, an der es noch "ein Gläschen" gibt, zufriedengeben.

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