Massimo Mariotti vom FC Schalke 04 im Interview: "Dembele und sein Cousin waren drei Tage nicht erreichbar"

Massimo Mariotti, Ciro Immobile
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Seit 2013 haben Sie zu zahlreichen Spielern ein inniges Verhältnis aufgebaut. Mit wem ist oder war es am meisten besonders?

Mariotti: Mit Auba, weil ich mit ihm auch fünf Jahre zusammen war. Er ist ein ganz lieber Mensch. Für ihn habe ich alles erledigt: Ich habe mich um seine Post gekümmert, bei Übersetzungen geholfen, war beim Hauskauf und Notar dabei. Er hat das zwar nicht gefordert, aber sehr gerne gesehen. (lacht) Auch zu seiner Familie habe ich bis heute einen engen Draht.

Auch Dembele hatten Sie sozusagen unter Ihren Fittichen. Nach seinem Wechsel hatte er ein Gerichtsverfahren am Hals, weil er sein Haus in Dortmund zugemüllt haben soll und ihn der Vermieter nach dessen Auszug verklagte. Was wissen Sie darüber?

Mariotti: Das stimmt nicht. Sein Berater hatte mich gebeten, zu seinem Haus zu fahren, um es abzunehmen und Bilder zu machen. Das habe ich im März nach seinem Wechsel getan und dort alles fotografiert. Ich habe die Schlüssel eingesammelt und sie zum Eigentümer nach Rheda-Wiedenbrück gebracht. Und da habe ich keinen Müll gesehen. Er hat das Haus in einem Top-Zustand hinterlassen und auch noch Miete bezahlt. Letztlich wurde die Klage gegen Ousmane ja auch abgewiesen. Er musste 4000 Euro für irgendwelche Rollläden nachzahlen und hat sogar die Kaution zurückbekommen.

Wie hat Dembele in seinem Jahr in Dortmund gelebt, Sie dürften ja mehrfach vor Ort gewesen sein?

Mariotti: Er war nie allein, sein Cousin und sein bester Kumpel lebten mit ihm. Auch die Mutter kam immer wieder vorbei. Ousmane war einfach sehr jung, er brauchte viel, viel Unterstützung. Die waren einfach völlig überfordert. Ousmane selbst war eher entspannt und meinte immer: Der Massimo macht das schon. Auch Thomas Tuchel hat fast täglich mit ihm gesprochen und Videoanalyse gemacht. Er sagte zu mir: 'Massimo, wir brauchen den, der ist so unfassbar gut, kümmere dich um ihn.' Letztlich war sein Lebensstil gut genug, um die starken Leistungen zu bringen, die er beim BVB gebracht hat.

Wie erinnern Sie sich an den Tag, als Dembele nicht mehr beim Training erschien und in den Streik trat, um seinen Wechsel zum FC Barcelona zu forcieren?

Mariotti: Alle kamen zu mir und fragten, wo er denn sei. Ich wusste es aber auch nicht. Ich habe also versucht, ihn und auch seinen Cousin zu erreichen, aber das war vergebens. Sie waren beide drei Tage nicht erreichbar. Irgendwie hatte ich zu dem Zeitpunkt geahnt, dass er auch gar nicht mehr in Dortmund ist. Ich bin dann zu ihm nach Hause gefahren und habe erfahren, dass er am Morgen mit seiner Mutter nach Frankreich gefahren ist.

Ein paar Monate später erzwang auch Aubameyang seinen Wechsel auf diese Weise. Inwiefern waren Sie davon persönlich enttäuscht?

Mariotti: Mich hat das natürlich beschäftigt und mitgenommen, ich war ja beide Male mittendrin. Ousmane war wirklich von heute auf morgen weg und ich war der einzige, der später dann Kontakt zu ihm hatte. Ich habe ihm gesagt, dass er zurückkommen soll, damit wir das anders regeln und er auch den BVB verstehen und sich professionell verhalten muss. Dazu war es allerdings schon zu spät.

Der Dortmunder Maffeo war seinerzeit Ciro Immobile. Sie als Schweizer mit italienischen Wurzeln: Warum wirkte er in Dortmund die ganze Zeit über wie ein Fremdkörper?

Mariotti: Ciro kam in dem Jahr zum BVB, als man nach der Hinrunde auf einmal tief im Tabellenkeller war. Das sagt eigentlich alles. Es war ein Jahr voller Baustellen, fast gar nichts hat geklappt. Er hatte seine Frau und Freunde hier und war umsorgter als Dembele oder andere Spieler. Er fiel ihm nicht leicht, so richtig Deutsch zu lernen, aber er sträubte sich nicht gegen die Integration. Er hat einfach Pech gehabt und das falsche Jahr erwischt. Als Klopp auf 4-2-3-1 umstellte, war Auba im Sturm gesetzt und für ihn ist es noch schwieriger geworden.

Später äußerte er in einem Interview den Vorwurf, dass ihn keiner seiner Mitspieler beim BVB zum Essen eingeladen habe.

Mariotti: Dazu ein Beispiel aus meiner aktiven Laufbahn: Ich war als Profi 1987/88 für eine Saison beim AC Rimini. Obwohl ich perfekt Italienisch spreche und auch einen italienischen Pass habe, war ich in meiner ersten Woche jeden einzelnen Abend bei einem anderen meiner neuen Mitspieler eingeladen - ob in einer Pizzeria oder bei denen zu Hause. Das ist der ganz große Unterschied, den ich auch Ciro klarzumachen versuchte. In Italien wird man nach einem Wechsel mit der ganzen Familie bei einem Mitspieler eingeladen, selbst wenn man gar keine gemeinsame Sprache sprechen würde. In Deutschland herrscht dagegen eine andere Mentalität. Man muss eher auf die Leute zugehen, von allein kommt tendenziell erst einmal niemand zu dir. Diese Unterschiede dürfte er damals wohl gemeint haben mit seiner Aussage.

Herr Mariotti, zum Abschluss: Jetzt nach den ersten Monaten bei S04 - fühlen Sie sich schon als Schalker?

Mariotti: Ich lebe mit dem Verein, ich arbeite jeden Tag mit den Spielern zusammen und freue mich, wenn sie gewinnen. Ich würde lügen, wenn es anders wäre. Das ist ja hoffentlich auch für einen ehemaligen Dortmunder nichts Schlimmes. Ich habe mir für jeden Klub, für den ich gearbeitet habe, nur das Beste gewünscht, das ist doch klar. Die Rivalität zwischen Schalke und dem BVB ist für mich das Salz in der Suppe des Ruhrgebiets, diese Vereine brauchen sich gegenseitig.