Kevin Volland von Bayer Leverkusen im Interview: "Dann nehme ich jedes Bierzelt in Bayern mit"

Von Dennis Melzer
Kevin Volland mit seinem Teamkollegen Kai Havertz.
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Wie viel Zeit bleibt einem Profifußballer, um Freundschaften zu pflegen?

Volland: Gute Freunde und eine intakte Familie sind das Wichtigste überhaupt. Meine Kumpels sind alle vom selben Schlag. Wir versuchen, uns so häufig wie möglich zu treffen. Seit viele von uns liiert sind, ist unsere Gruppe noch größer geworden. Wir fahren auch regelmäßig gemeinsam in den Urlaub.

Haben Sie auch Erfahrungen mit "falschen Freunden" gemacht?

Volland: Bei einigen Menschen habe ich mich schon gefragt: "Mag derjenige mich tatsächlich oder gefällt ihm die Tatsache, dass ich als Fußballer in der Öffentlichkeit stehe?" Nach einer gewissen Zeit konnte ich gut einschätzen, wer zu welcher Gruppe gehört.

Können Sie diesbezüglich ein konkretes Beispiel nennen?

Volland: Von manch einem hört man viele Jahre lang nichts und plötzlich schreibt derjenige über WhatsApp, fragt nach einem Trikot oder möchte Karten haben. Wenn man in einem Leistungstief steckt, ist wieder Funkstille. Dann schießt man ein Tor und derjenige meldet sich wieder. Ich glaube, dass viele Fußballprofis ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Nach der erfolgreichen Qualifikation für die Champions League gab es ein amüsantes Instagram-Video, das Sie und Kai Havertz bei einer Performance von "Can you feel the love tonight" zeigt. Wie kam es dazu?

Volland: Wir waren mit der gesamten Mannschaft in Barcelona, das war die geilste Mannschaftsfahrt meiner Karriere. Das werden die anderen Jungs bestätigen. Ich glaube, in dem Video von Kai und mir sieht man, dass wir eine tolle Einheit sind. Es waren zwar nur vier Zuschauer in dieser Karaoke-Bar, aber wir haben uns gefühlt, als würden wir vor 10.000 Menschen singen. Solche Abende gehören nach einem aufreibenden Jahr einfach dazu.

Wünschen Sie sich häufiger solche Abende?

Volland: Das kommt nach der Karriere. Dann nehme ich erst einmal jedes Bierzelt in ganz Bayern mit (lacht).

Kevin Volland mit seinem Teamkollegen Kai Havertz.
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Kevin Volland mit seinem Teamkollegen Kai Havertz.

Apropos Kai Havertz - wie haben Sie ihn wahrgenommen, als er zum ersten Mal beim Training auftauchte?

Volland: Man hat sofort gesehen, dass Kai ein begnadeter Fußballer ist. Er war zwar groß, aber noch nicht so athletisch wie jetzt. Ich kann mich noch an einen Zweikampf mit ihm erinnern. Ich sagte mir: "Ach, den A-Jugendspieler koche ich mit meinem Körper locker ab." Ich musste jedoch feststellen, dass Kai robuster war, als ich dachte. Und er hat sich immer wissbegierig gezeigt, will ständig dazulernen.

Wie tritt er mittlerweile in der Kabine auf?

Volland: Er ist in der Kabine ein sehr lustiger Kerl, mit dem man herumblödeln kann. So muss das in dem Alter auch sein. Dafür übernimmt er auf dem Platz schon sehr viel Verantwortung.

Havertz zählt zu den umworbensten Talenten Europas, beinahe täglich gibt es neue Gerüchte hinsichtlich seiner Zukunft. Was würden Sie ihm in dieser Phase raten?

Volland: Er sollte sich mit seinen Eltern zusammensetzen und eine Entscheidung treffen, hinter der er zu 100 Prozent steht. Er darf auf keinen Fall Magenschmerzen dabei haben, das verheißt nie etwas Gutes. Mein simpler Rat an ihn wäre: Mach' das, worauf du wirklich Bock hast.

Im vergangenen Winter kam mit Peter Bosz ein neuer Trainer nach Leverkusen. Was ist er für ein Typ?

Volland: Er kann als Motivator auftreten, aber ebenso ganz sachlich erläutern, was er von uns erwartet. Peter Bosz gibt uns immer einen Plan mit an die Hand und zeigt uns anhand von Spielszenen gewisse Szenarien auf, die eintreten könnten. Das hilft vor allem in schwierigen Phasen ungemein.

Wird es auch mal lauter in der Kabine, wenn es nicht läuft?

Volland: Natürlich, das ist auch schon passiert. Er erwartet von uns immer das Maximum. Die Messlatte liegt hoch, weil wir schon viele gute Spiele unter ihm gezeigt haben. Deshalb ärgert es ihn, wenn es nicht so läuft, wie er sich das vorstellt. Er weiß ganz genau, dass wir es besser können. Dass er dann lauter wird, ist vollkommen nachvollziehbar.

Hat sich Bayer 04 unter Bosz taktisch weiterentwickelt?

Volland: Auf jeden Fall. In seinem System muss aber jeder seine Rolle ausfüllen. Sobald sich ein Spieler herausnimmt, wird es schwer - vor allem für die Defensivspieler. Das Verteidigen fängt bei den Angreifern an, wir müssen uns zu 100 Prozent an den Plan des Trainers halten. Wenn uns das gelingt, geht sein Plan auf - und wir machen den Schritt auf ein neues taktisches Level.

Kevin Volland mit Leverkusen-Trainer Peter Bosz.
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Kevin Volland mit Leverkusen-Trainer Peter Bosz.

Dennoch wird Bosz' Taktik häufig als zu risikobehaftet betrachtet.

Volland: Es gibt doch nichts Besseres als einen Trainer, der eine klare Vorstellung hat und diese auch durchzieht. Natürlich ist die Spielweise in gewissen Situationen risikobehaftet. Aber wenn wir das Geforderte umsetzen, erkämpfen wir die Bälle früh und haben einen kurzen Weg zum Tor. Wenn wir abschalten, ergeben sich Lücken und es wird brenzlig.

Sie wurden in der Vergangenheit teilweise aus dem eigenen Fanlager via Social Media beleidigt und als Sündenbock ausgemacht. Wie gehen Sie damit um?

Volland: Tatsächlich wurde das Thema vor allem von der Presse aufgegriffen. Ich denke, dass man bei jedem Spieler in den vergangenen zwei Jahren irgendwelche anonymen Schmähungen finden kann. Wahrscheinlich bekommt man als gestandener Spieler mehr ab als die jungen Talente, die sich noch in der Entwicklungsphase befinden. Das ist aber auch gut so.

Kevin Volland im Steckbrief

Geburtstag30. Juli 1992
GeburtsortMarktoberdorf
PositionSturm
Starker FußLinks
ProfivereineTSV 1860 München, TSG 1899 Hoffenheim, Bayer Leverkusen

Shkodran Mustafi sagte zuletzt im Interview mi dem Spiegel, dass er sich wie eine "Zielscheibe" fühlt. Wie bedenklich sind solche Tendenzen?

Volland: Wenn du ein Tor schießt, bekommst du deine Likes. Wenn du verlierst, bist du der Sündenbock. Es gibt in den Sozialen Medien nur schwarz oder weiß. Die Leute, die anonym ihre Kommentare absondern, sollten sich wirklich hinterfragen, ob das der richtige Weg ist. Mich würde interessieren, ob die Hater einem das, was sie in ihren Kommentaren schreiben, persönlich ins Gesicht sagen würden. Das glaube ich nämlich nicht.

Haben Sie schon einmal über Social-Media-Detox nachgedacht?

Volland: Nein, gar nicht. Zu 80 Prozent erreicht mich positives Feedback. Ich habe mich auch mal aus Interesse auf den Seiten anderer Spieler umgeschaut. Da findet man genauso viele Verblendete.

Wen würden Sie als Ihren bislang besten Gegenspieler bezeichnen?

Volland: Nach dem Spiel bei Juve würde ich Juan Cuadrado nennen. Er hat mir das Leben ziemlich schwer gemacht. Ich wusste im Vorfeld, dass er ein toller Offensivspieler ist, hatte aber gedacht, dass er in der Defensive seine Schwächen hätte. Dann stand er mir ständig auf den Füßen.

Und wer war Ihr bislang bester Mitspieler?

Volland: Da hatte ich schon viele. Mit Roberto Firmino habe ich mich bei Hoffenheim sehr gut verstanden. Wir haben uns gegenseitig viele Tore aufgelegt. Er war ein toller Mitspieler. Auch mit Kai Havertz und Julian Brandt hat es in der vergangenen Saison super funktioniert. Generell kann ich mich bei Leverkusen nicht über meine Mitspieler beschweren. Wir haben schon eine super Truppe.

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