BVB erleidet nächsten Rückschlag zum Saisonstart: Fehler in der Matrix

Hadert nach der erneut verspielten Führung mit sich selbst und seiner Mannschaft: BVB-Kapitän Marco Reus.
© getty

Der BVB legt durch ein erneut vermeidbares Remis gegen Werder Bremen den schlechtesten Saisonstart seit fünf Jahren hin. Und das in einer Spielzeit, an deren Ende endlich das Abonnement des FC Bayern auf die deutsche Meisterschaft gekündigt werden sollte. Dass der BVB aktuell drei Punkte Rückstand auf den FCB hat, ist nicht besorgniserregend. Besorgniserregend ist vielmehr, dass sich die Ereignisse aus der Kollaps-Rückrunde zu wiederholen scheinen. Über einen Abend voller Deja-vus.

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"Da kam gerade eine schwarze Katze vorbei und danach noch eine, die genauso aussah", sagt ein gewisser Neo im ersten Teil der weltbekannten und Oscar-prämierten Matrix-Triologie. Als Antwort darauf erhält er einen schockierten Blick seiner Begleiterin Trinity. "Genauso? War es dieselbe Katze?", fragt sie ihn. Noch versteht Neo nicht, warum das so schlimm sein soll. Erst als ihm gesagt wird, dass sogenannte Deja-vus Fehler in der Matrix seien, dämmert es ihm, dass Gefahr droht.

Eine Gefahr, die auch Borussia Dortmund droht. Binnen einer Woche hat der BVB mehr als nur eine schwarze Katze gesehen. Katzen, die er aus der vergangenen Saison und insbesondere aus der Rückrunde kennt. Katzen, die Unheil bedeuten, die ungebetene Gäste sind. Sozusagen Fehler in der BVB-Matrix, die eigentlich der Vergangenheit angehören sollten.

Nach dem 2:2 am vergangenen Sonntag gegen Eintracht Frankfurt verspielte der BVB auch am Samstagabend gegen Werder Bremen trotz augenscheinlicher Dominanz und "unnötigerweise" (Reus) eine Führung und nur 2:2. Eine schwarze Katze, die den Schwarz-Gelben bereits in der vergangenen Saison auf Schritt und Tritt folgte und unterm Strich die Meisterschaft kostete. Eine Katze, die zur Mentalitätsdebatte und vor sechs Tagen von Kapitän Marco Reus zur "Mentalitätsscheiße" verklärt wurde.

Woran es liege, dass der BVB immer wieder Führungen verspiele, wurde Reus gefragt. "Wenn wir das wüssten, dann würden wir es nicht zulassen", sagte er nach dem Spiel in der Mixed Zone.

Hadert nach der erneut verspielten Führung mit sich selbst und seiner Mannschaft: BVB-Kapitän Marco Reus.
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Hadert nach der erneut verspielten Führung mit sich selbst und seiner Mannschaft: BVB-Kapitän Marco Reus.

BVB patzt gegen Werder Bremen: "Spielen nicht wie Männer"

Doch das vermeidbare Remis gegen die nichtsdestotrotz gut organisierten und kämpferischen Werderaner war nicht das einzige Deja-vu, welches den Dortmundern an diesem Abend begegnete. Da war zum Beispiel das insgesamt neunte Gegentor nach einem Eckball im Kalenderjahr 2019, das sich der BVB zum 2:2-Ausgleich fing - absoluter Höchstwert unter den Bundesligisten.

"Das darf uns so in keinster Weise mehr passieren", sagte Reus, der in eben jener Situation, als Josh Sargent den Ball per Kopf auf Marco Friedl am zweiten Pfosten verlängerte, zu spät kam. Das fast schon zur Gewohnheit gewordene schlechte Verhalten bei Standards führte einerseits zur aus Bremer Sicht verdienten Punkteteilung, andererseits aber auch zum dritten Dortmunder Deja-vu: einer Generalkritik von Roman Bürki.

Die hatte es schon in der vergangenen Rückrunde mehrfach zum Besten gegeben. Nach der 0:3-Niederlage des BVB in der Champions League bei Tottenham beispielsweise. Oder nach dem 2:1-Zittersieg gegen Mainz 05 im April. Auch dieses Mal warf der Schweizer Schlussmann seinen Mitspielern fehlende Aggressivität in entscheidenden Situationen vor.

"Wir spielen nicht wie Männer", sagte er bei Sky. Man gehe "bei Situationen" nicht dahin, "wo es wehtut", mahnte er an. Bürki vermisse daher "Typen, die sich auch mal reinhauen". Er wünsche sich "von dem ein oder anderen, noch einen Ticken zuzulegen, was Aggressivität angeht".

Mario Götze und sein Startelf-Comeback beim BVB

Dass es dem BVB durchaus an Aggressivität mangelt, wurde schon in der siebten Minute durchaus ersichtlich. Achraf Hakimi hatte einen Ball gut antizipiert, aber nur halbherzig an Axel Witsel weitergegeben, der ebenso halbherzig mit Davy Klaassen um die Kugel stritt, sie verlor und so das 0:1 durch den starken Milot Rashica in die Wege leitete.

Dass der BVB aber inmitten der "Mentalitätsscheiße" feststeckt, war anschließend überhaupt kein Thema. Auf den frühen Schock folgte die frühe Antwort - und die gab ausgerechnet Mario Götze per Kopf. Jener Götze, den man nach mageren 37 Pflichtspiel-Minuten bei acht möglichen Einsätzen mal wieder abgeschrieben hatte.

Der Götze, der schon in der vergangenen Saison zu Beginn unter Lucien Favre überhaupt keine Rolle gespielt, bei seinem ersten Auftritt nach sechs Liga-Spielen ohne Einsatzminute getroffen und anschließend seine beste Saison bei den Schwarz-Gelben nach seiner Rückkehr 2016 gespielt hatte. Sein Tor und seine auch sonst gute Leistung gegen Bremen war so gesehen auch ein Deja-vu, aber ein gutes.

Mario Götzes Arbeitsnachweis im Spiel gegen Bremen

KategorieWert
gespielte Minuten71
Ballaktionen gesamt59
Pässe/angekommen43/88,4 Prozent
Pässe gegnerische Hälfte/angekommen35/85,7 Prozent
Zweikämpfe total/gewonnen10/30 Prozent
Kopfballduelle/gewonnen1/-
Foul gespielt/gefoult worden1/1
Ballgewinne/Ballverluste4/12
Tore1
Schüsse gesamt/aufs Tor3/2

BVB-Trainer Favre und Kapitän Marco Reus widersprechen sich

Letztendlich war das starke Comeback von Götze aber das einzig gute Deja-vu, das der BVB an diesem Abend in Dortmund erlebte. Auch wenn Favre befand, dass seine Mannschaft "ziemlich gut gespielt", sie jedoch "mehr den Ball halten" müsse. Eine Analyse, die konträr zu der von Kapitän Reus stand. Dieser hatte Minuten vorher noch gesagt, dass der BVB zumindest in der zweiten Halbzeit "kein gutes Spiel" mehr gemacht habe und man nicht sagen könne, "wir halten zwei Minuten den Ball und bekommen unsere Torchance."

Während Favre mehr Balance und mehr Ballbesitz im ab und an zu risikoreichen Spiel seines BVB sehen wollte, war Reus das Vorgehen der Mannschaft offenbar noch nicht stürmisch genug. "Natürlich können wir mutiger und aggressiver nach vorne spielen zuhause", sagte er.

Eine Uneinigkeit in der Spielanalyse mag kein Drama sein. Es ist allerdings ein interessanter Aspekt, wenn der Trainer und der Kapitän einer Mannschaft zwei so unterschiedliche Spiele gesehen haben. Allerdings sind Wahrnehmungen nun mal unterschiedlich. Die Realität ist aktuell aber die, dass die Dortmunder durch den dritten Punktverlust in den ersten sechs Spielen den schlechtesten Saisonstart seit fünf Jahren hinlegten.

Sollte der BVB auch künftig seine Spiele nicht gewinnen können, hat sich zumindest ein Deja-vu der vergangenen Saison schnell erledigt. Nämlich das des auf den letzten Metern verspielten Meistertitels.

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